Islamismus: Verfassungsschutz sieht „Sicherheitslage in Deutschland herausfordernd“
„Neue beunruhigende Entwicklungen im Nahen Osten führen unmittelbar zu Reaktionen in Deutschland. Jede Eskalation bedeutet eine Lageverschärfung auch in unserem Land“, gab Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesverfassungsschutzes, in einer Presseerklärung bekannt.
„Sie verprügeln Polizisten und feiern Islamisten: Ein Gaza-Clan terrorisiert Berlin und der Staat schaut zu“, kritisierte die „Bild“-Zeitung am 25. Oktober. Sie berichtete weiter: „Sie sind radikal, islamistisch und viele: Der Barbakh-Clan aus Gaza treibt in Berlin sein Unwesen.“
Der „Clan“ (Synonym für Großfamilien) soll der Zeitung zufolge bereits dreihundert Familienmitglieder nach Berlin geschleust haben. Auf Anti-Israel-Demonstrationen würden sie die Terrororganisation „Hamas“ feiern und besonders gewalttätig gegen Polizisten auftreten.
Islamismus in Deutschland „weiter auf dem Vormarsch“
Die Berliner Zeitung „Tagesspiegel“ berichtete am 28. August, dass die iranisch-finanzierte, libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah, die mit der Hamas verbündet ist, „mit Hilfe aus Deutschland rechnen“ könne, obwohl sie in Deutschland verboten sei.
Die Hisbollah habe sich „hierzulande [an das] bestehende Verbot angepasst. In bestimmten Moscheen und unter namhaften Großfamilien in Nordrhein-Westfalen, Bremen, Niedersachsen und Berlin“ würden nach wie vor „hohe Summen für die Hisbollah akquiriert“.
Soweit ein kleiner Ausschnitt aus der Presse. Wie aber steht es wirklich um die „gefühlte Zunahme“ von Islamismus in Deutschland? Herbert Reul (CDU), seit 2017 Innenminister von Nordrhein-Westfalen, hatte noch vor dem Bundesverfassungsschutzchef Thomas Haldenwang bereits am 14. Mai in seinem veröffentlichten „Lagebild zum Islamismus“ gewarnt: „Der Islamismus ist weiter auf dem Vormarsch. Es besteht weiterhin eine sehr hohe abstrakte Gefahr für terroristische Anschläge durch islamistisch motivierte Extremisten“, heißt es dort auf der fünften Seite.
Doch die Informationen im Lagebild – ob auf Bundes- oder Länderebene – weisen Lücken auf. So ist den Behörden etwa nicht bekannt, wie viele Palästinenser oder Libanesen nach Deutschland einreisen, „da eine solche statistische Erfassung nicht erfolgt“, wie der Springer Verlag herausfand.
Insbesondere „Palästinenser werden so gut wie nie abgeschoben“, gab Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag zu.
Experte: „Die Einschläge kommen näher“
„Die Gefahr von Terror in Europa wächst“, warnte kürzlich der Terrorismusexperte Peter Neumann, Professor am renommierten englischen „King’s College“ in London. Nach seiner Einschätzung gegenüber dem ZDF am 26. August glaubt Neumann, dass sich „das Volumen der dschihadistischen Aktivität dramatisch entwickelt“ habe.
Möglicherweise stehe Deutschland vor dem „Beginn einer neuen Welle“. Untersuchungen zufolge seien viele Attentäter „mittlerweile sehr jung“. Von den seit Oktober 2023 festgenommenen Terrorverdächtigen seien „zwei Drittel Teenager gewesen“. Das sei „ein anderes Phänomen als noch vor zehn oder zwanzig Jahren“, stellt der Experte fest.
Die Radikalisierung von vermehrt minderjährigen Muslimen in Deutschland erfüllt auch Bundesverfassungsschutzchef Haldenwang „mit Sorge“. Sie würden häufig Propaganda von Zellen des „Islamischen States“ (IS) in sozialen Medien „konsumieren“ und seien dann bereit, „Anschläge im Namen des IS auf deutschem Boden durchführen“ zu wollen „oder sich zumindest online intensiv mit Attentatsszenarien“ auseinanderzusetzen.
Haldenwang im Oktober: „Das Gefahrenpotenzial möglicher Terroranschläge gegen jüdische und israelische Personen und Einrichtungen sowie gegen ‚den Westen‘ insgesamt hat sich im letzten halben Jahr deutlich erhöht.“
Rechte Türken und linke Deutsche
Trotz ideologischer und religiöser Gegensätzlichkeit würde die Ablehnung des Existenzrechts Israels „einen gemeinsamen Bezugsrahmen“ unter radikalisierten Muslimen bilden. Unter türkischen Rechtsextremen etwa gebe es eine breite Unterstützung für den sogenannten „Freiheitskampf“ der Palästinenser, wobei der Terrorangriff der Hamas auf Israel offen begrüßt werde. Türkische Rechtsextreme würden sich demzufolge ebenfalls an Demonstrationen beteiligen.
Laut Haldenwangs Erkenntnisse würden selbst deutsche und türkische Linksextremisten pro-palästinensisch agitieren. „Die Grundlage hierfür ist in den überwiegenden Fällen eine Ablehnung des Staates Israel auf Grundlage des antiimperialistischen Weltbilds der jeweiligen Akteure“, so der Geheimdienstchef. Und kommt zu dem Schluss: „Die Sicherheitslage in Deutschland bleibt herausfordernd.“
Soweit die deskriptive Darstellung der Lage. Was aber wird seitens des Staates konkret gegen diese „neue Welle“ von Islamismus getan?
Präventionsprogramme als Lösung?
Präventionsprogramme sollen die Lösung bieten. „Wesentliche Elemente der Prävention sind Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit. Um eine breite Vernetzung aller notwendigen Partner umzusetzen, ist die Prävention ressortübergreifend und langfristig angelegt“, heißt es beispielsweise allgemeingehalten im NRW-Lagebericht.
Die Präventionsprogramme sind vielfältig. Im Wesentlichen geht es bei diesem Ansatz um „Beratung von gefährdeten oder mit dem islamistischen Spektrum sympathisierenden Jugendlichen“. Erreicht werden sollen diese „durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit“ mittels „Auftritten auf Messen und Veranstaltungen sowie eine zielgruppenorientierte Ansprache, unter anderem durch den Einsatz moderner medialer Mittel, Techniken und Netzwerke“.
Neubewertung der Gefahrenlage
Über viele Jahre waren die deutschen Sicherheitsbehörden davon ausgegangen, dass die Hamas keine Gefahr für die Sicherheit in Deutschland darstellt. Deutschland werde lediglich als „Rückzugsraum“ genutzt, war die allgemeine Auffassung in vergangenen Verfassungsschutzberichten.
Doch Anfang April wurde in Bulgarien ein Waffenlager der Hamas entdeckt. Deshalb wird seither angenommen, dass weitere Hamas-Depots in Europa existieren könnten. Die deutschen Behörden scheinen nun dazu übergegangen zu sein, die Gefahrenlage neu zu bewerten.
Die Islamismusexperten Lorenzo Vidino und Sergio Altuna von der „George-Washington-Universität“ in Washington, D.C, haben eine bemerkenswerte Studie mit dem Titel „Tackling Hamas Funding in the West” vorgelegt. Darin geht es unter anderem um Ermittlungen gegen Organisationen, über welche die Hamas in zwölf westlichen Ländern bisher Gelder gesammelt hatte, um sich zu finanzieren.
Jedoch lediglich in den USA, Kanada, Deutschland und den Niederlanden seien „Verwaltungsmaßnahmen“ ergriffen worden, die den darauffolgenden juristischen Klagen der verdächtigten Organisationen standgehalten hätten. Allerdings sei es nur in den USA zu Strafverfolgungen und Verurteilungen gekommen.
Westen war nachlässig
Als Kernprobleme der mangelnden Ermittlungen in westlichen Staaten identifizieren beide Autoren folgende Schwächen: Die Behörden hätten nicht erkannt, dass Finanzströme und Propaganda über dieselben Netzwerke laufen. Ermittlungen zur Terrorismusfinanzierung seien zudem „in der Regel komplex, da sie Beweise erfordern, die oft nur schwer zu beschaffen, zu analysieren und vor Gericht zuzulassen sind“.
Dies gelte insbesondere im Fall der Hamas-Finanzierung, da die Hauptbeweise häufig aus Ländern des Nahen Ostens stammten „und daher erhebliche Probleme hinsichtlich der Zulässigkeit und der Beweiskette aufwerfen“, so die beiden Wissenschaftler.
Weil die Hamas bislang „nicht als direkte Bedrohung“ in den genannten westlichen Staaten – darunter Deutschland – angesehen wurde, und „weil Ermittlungen zur Terrorismusfinanzierung arbeitsintensiv sind, haben westliche Regierungen der Schließung der Finanzierungsmechanismen der Hamas keine Priorität eingeräumt“, beklagen die Wissenschaftler.
Das sei nachlässig gewesen. Beide Autoren fordern deshalb dazu auf, die Ressourcen für Finanzfahnder zu erhöhen.
Über den Autor:
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.
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