Harris, Walz und Obama „elektrisieren“ Parteitag der Demokraten – CNN: „Stil wichtiger als Substanz“

Jetzt kennt jeder Kamala Harris. Blieb sie als Vizepräsidentin in den vergangenen vier Jahren eher im Hintergrund, trug der einer Las-Vegas-Show gleichende Parteitag der US-Demokraten entscheidend dazu bei, sie vor allem bei heimischen Wählern bekannt zu machen. Welche Erkenntnisse hat der Parteitag jedoch wirklich gebracht?
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Luftballons fallen, als die US-Vizepräsidentin und demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris ihre Rede am Ende des vierten und letzten Tages der Democratic National Convention (DNC) im United Center in Chicago, Illinois, am 22. August 2024 beendet.Foto: Mandel NGAN/AFP via Getty Images
Von 23. August 2024

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Parteitage haben stets zum Ziel, die Partei zu einen und die Wähler draußen im Land für die Partei zu gewinnen. In den USA geht es jedoch vor allem darum, Wähler in sogenannten Swing States zu erreichen. Das sind jene Bundesstaaten, die nicht von vornherein bereits einer bestimmten Partei zugeordnet werden können.

Dazu zählen Arizona, Georgia, Michigan, Pennsylvania, Wisconsin, North Carolina und Nevada. Bei der letzten Wahl 2020 wurden diese Bundesstaaten mit einem Vorsprung von nur drei Prozentpunkten von einem der beiden Kandidaten gewonnen.

Um sowohl die eigenen Anhänger als auch die unentschlossenen Bürger im ganzen Land für die Demokraten zu gewinnen, traten in den vergangenen vier Tagen zahlreiche namhafte, fast zu viele Redner in der Partei-Arena in Chicago auf.

Darunter der aus dem Amt scheidende Präsident Joe Biden, das einstige afroamerikanische Präsidentenehepaar Barack und Michelle Obama, die Clintons und sogar die TV-Talkshow-Moderatorin und Schauspielerin Oprah Winfrey, bevor die eigentliche Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris selbst am Donnerstagabend die Bühne betrat.

Abschlussrede von Harris: Trump auf der Anklagebank

Es sollte die wichtigste Rede ihres politischen Lebens werden, nur einen Monat nachdem die Partei Präsident Joe Biden zum Verzicht auf eine erneute Kandidatur bewogen hatte. In ihrer Rede sprach die 59-jährige Harris erwartungsgemäß als Erstes ihr Leben als Kind von Einwanderern an.

Ihr Vater stammt aus Jamaika, ihre Mutter aus Indien. Beide sind Wissenschaftler. Kamala Harris versprach den Amerikanern eine Zukunft, die weder Donald Trump noch Joe Biden bieten könnten, und zeigte damit, wie tiefgreifend sie die Wahl 2024 verändert hat.

Die erste „schwarze“ Frau, die am Donnerstag eine Nominierung für eine große Partei errang, bezeichnete ihren „unwahrscheinlichen Weg“ zur demokratischen Kandidatur als „Sprungbrett“, um das ganze Land in eine neue Stimmung zu führen, nachdem es jahrelang von bitteren parteipolitischen Gräben zerrissen war.

Anstelle von Trumps Androhungen von Vergeltung (für die gegen ihn geführten Prozesse) präsentierte sich Harris als Katalysator für Amerikas traditionelle Fähigkeit, sich selbst immer wieder zu erneuern. Die amtierende Vizepräsidentin nutzte ihre Vergangenheit als Staatsanwältin und versprach, immer „für das Volk“ zu sein, während sie den republikanischen Kandidaten anklagte, „dem einzigen Mandanten zu dienen, den er jemals hatte: sich selbst“.

Trump stehe in ihren Augen für den Weg ins „Chaos und Unglück“. Er stelle eine „ernsthafte Bedrohung“ für die Demokratie und die grundlegenden amerikanischen Freiheiten dar.

Der Mittelschicht versprach sie, sich für die Bewältigung der steigenden Hausbaukosten einzusetzen. Genauso wie ihr Vizekandidat Tim Walz betonte sie, sich für eine „Förderung der persönlichen Freiheiten, einschließlich des Rechts auf Abtreibung“, stark zu machen.

Demokraten sind „elektrisiert“

Und immer wieder schob Harris Appelle an die Delegierten ein: „Mit dieser Wahl hat unsere Nation eine kostbare, kurzfristige Gelegenheit, die Bitterkeit, den Zynismus und die Spaltungskämpfe der Vergangenheit zu überwinden“, sagte sie. „Also, lasst uns rausgehen und dafür kämpfen.“ Und dramatisch: Gemeinsam könnten „wir das nächste große Kapitel der außergewöhnlichsten Geschichte, die je erzählt wurde, schreiben.“

Die Durchstarterin Harris verließ den Parteitag mit einer emotional überschwänglichen, vereinten Partei im Rücken. Die Demokraten zeigten sich in den vergangenen vier Tagen wie „elektrisiert“, sagte heute Nacht der CNN-Analyst Stephen Collins.

Wesentlich dazu beigetragen habe der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, der mit seiner direkten, volkstümlichen Sprache erfrischend in den Wahlkampf eingegriffen habe.

„Coach“ Walz überzeugte mit Footballsprache

Der Vizekandidat Tim Walz ist über Nacht zum Parteistar geworden und hat jetzt schon einen Beinamen: „Coach Walz“. Weil er mal ein Footballcoachassistent war, aber auch, weil man ihm zutraut, Harris und damit ganz Amerika zu coachen.

Er ist insofern eine ideale Wahl für den Vizekandidaten, weil er als jahrelanger Kongressabgeordneter dafür bekannt ist, dass er sowohl liberal als auch konservativ sein kann. Und er entspricht dem Image eines Durchschnittsamerikaners. Mit solch einem Typus können sich viele Wähler identifizieren.

Das hat er in seiner Rede auf dem Parteitag nochmal deutlich gezeigt. Er hat keinen elitären Ivy-League-Uniabschluss wie der republikanische Vizekandidat James David Vance, der an der Yale University studiert hat. Walz gibt sich selbst im Anzug hemdsärmelig.

Er ist ein Mann des amerikanischen Wilden Westens, stammt aus Nebraska, und machte politisch Karriere im Bauern- und Arbeiterstaat Minnesota. In seiner Rede nutzte er Metaphern aus dem American Football, die eigentlich nur Amerikanern geläufig sind: In Anspielung auf den späten Abtritt Joe Bidens als Kandidaten, rief er den Parteiabgeordneten zu, die Demokraten hätten zwar im vierten Quarter ein „Field Goal“ verloren, seien jetzt aber in der Offensive und würden auf dem Footballfeld in Richtung Ziellinie drängen.

Um (mit dem Ball) über die Ziellinie zu gelangen, bedürfe es nun der Zuschauer respektive Wähler. Er rief der begeisterten Menge zu: „Kommt in die Puschen. Blockt den Gegner, nehmt ihm den Ball ab, ob er dabei stürzt oder nicht, spielt keine Rolle.“

Walz sprach zwar genauso wie Harris eine ganze Reihe typischer Themen der Demokraten an, darunter erschwinglicher Wohnraum und das Recht auf Abtreibung, aber mit seiner Footballsprache erreichte er tatsächlich alle amerikanischen Schichten. Diesen Effekt dürfte kaum ein anderer Redner beziehungsweise Rednerin erzielt haben.

Oprah Winfrey gab sich unabhängig, aber …

Oprah Winfrey bemerkte, dass sie eine im Wählerregister eingetragene „Unabhängige“ sei, forderte in ihrer Gastrede jedoch „alle Unabhängigen und Unentschlossenen“ auf, „für Harris zu stimmen“. „Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass Kamala Harris und Tim Walz uns Anstand und Respekt entgegenbringen können. Lasst uns den gesunden Menschenverstand dem Unsinn vorziehen.“

Der Auftritt der beliebten und weltweit bekannten afroamerikanischen TV-Talkshow-Moderatorin und Schauspielerin war möglicherweise wichtiger als manche Rede von bedeutenden Parteipolitikern. Denn der eigentliche Wahlkampf zielt auf die Unentschlossenen ab, auf die Wähler der wenigen Swing States.

Mit Oprah Winfreys Wahlempfehlung haben die Demokraten nun eine gewichtige Stimme an ihrer Seite. Denn sie spricht nicht nur afroamerikanische Wähler an, sondern auch unentschlossene weiße Wähler, die von der als schwach empfundenen Regierungszeit Joe Bidens enttäuscht sind und womöglich zu Trump tendieren, da sich dieser als führungsstark präsentiert.

Michelle: Die heimliche Beste

Der eigentliche Höhepunkt des Parteitages war zur Überraschung der 25.000 Delegierten und Besucher jedoch nicht die Rede von Kamala Harris. Es war die ehemalige First Lady Michelle Obama, die die Zuhörer zu Tränen rührte und überschwängliche Begeisterung auslöste.

Das nicht kommerzielle „National Public Radio“ (NPR) bescheinigte Michelle Obama, diese habe eine Rede gehalten, die sie als First Lady im Weißen Haus niemals hätte halten können.

„Etwas Magisches und Wunderbares liegt in der Luft“, begann Mrs. Obama ihre Rede am Mittwochabend. „Es ist die ansteckende Kraft der Hoffnung.“ Nahezu jeder einzelne Satz von ihr löste langanhaltende Begeisterungsstürme aus. Die amerikanische Presse schrieb danach, Michelle Obama habe die Sportarena von Chicago „zum Kochen gebracht“. Als wäre sie die eigentliche Präsidentschaftskandidatin.

Als Afroamerikanerin hatte sie leichtes Spiel, rassistische Äußerungen Donald Trumps aus jüngster Zeit in sarkastischen Anspielungen aufs Korn zu nehmen. Zum Beispiel: „Wer sagt ihm, dass der Job, um den er sich gerade bewirbt, womöglich einer dieser ‚schwarzen Jobs‘ ist?“

Trump hatte vor wenigen Wochen in einem Interview mit afroamerikanischen Journalisten von „schwarzen Jobs“ gesprochen, die Migranten den afroamerikanischen Bevölkerungsgruppen wegnähmen. Er führte jedoch nicht näher aus, was genau er unter einem „schwarzen Job“ verstehe.

Demokraten rechnen mit knappem Wahlergebnis

Die Rede des einstigen 44. Präsidenten Barack Obama, der nach seiner achtjährigen Amtszeit im Weißen Haus heute als die graue Eminenz sowie als Vordenker seiner Partei gilt, reichte trotz wohlgesetzter Worte nicht an das Niveau seiner Frau heran.

Und ebenso die Rede von Kamala Harris. Michelle Obama ist laut NPR die beliebteste US-Demokratin. Sie ist es, die als Wunschkandidatin galt, nicht Kamala Harris. Doch offenbar hatte die Ex-First-Lady Gründe, die sie der Öffentlichkeit vorenthält, sich nicht im letzten Moment gegen Donald Trump ins Rennen werfen zu lassen.

Mit dieser persönlichen Entscheidung hat Michelle Obama jedoch womöglich den Demokraten einen mit ihr wahrscheinlicheren Wahlsieg verbaut. Indem nun mit Kamala Harris nur die zweite Wahl ins Rennen geschickt wird, bleibt unter den Demokraten weiterhin die Sorge um den Wahlausgang, wie von Delegierten zu hören war.

Sie reisen am heutigen Freitag wieder aus Chicago ab und rechnen trotz des lauten, enthusiastischen und ermutigenden Parteihappenings mit einem „äußerst knappen Ergebnis“ am 5. November. Der US-TV-Sender CNN resümierte den Parteitag der Demokraten in einem Satz: „Er war ein Fest, bei dem Stil wichtiger war als Substanz.“

Über den Autor:

Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.



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