Gemeinsames Interesse: Milliardär Musk gibt Trump ein Millionenpublikum
In der Nacht von Montag auf Dienstag europäischer Zeit trafen sich online zwei Persönlichkeiten, die trotz großen Altersunterschieds vieles gemeinsam haben: Sie halten sich für die Klügsten und wohl auch für die Einzigen, die Amerika „retten“ können.
Retten vor der „linksgerichteten Fanatikerin“ Kamala Harris, wie Trump die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten bei seinen Ausführungen nannte.
Musks Coup verärgert Presse
In dem kurzfristig angekündigten Interview, das Musk mit Trump in einem Livestream auf X führte, gelang beiden ein Coup, den die amerikanische Presse verärgert zur Kenntnis nahm. Denn ihr wurde ihr ureigenes Hoheitsgebiet streitig gemacht: das Führen von Interviews durch Profis, insbesondere mit hochrangigen Politikern.
Viele namhafte amerikanische Zeitungen äußerten sich tags darauf kritisch über den Dialog zwischen Musk und Trump. So vermieden etwa die angesehenen Tageszeitungen „The Washington Post“ und „The New York Times“ den Begriff „Interview“ und nannten das Gespräch einen „Chat“, in dem Trump versucht habe, „weitere weiße Männer“ für sich zu gewinnen. Das New Yorker „Wall Street Journal“ schrieb, beide hätte zwei Stunden lang „geschwatzt“, um nur einige Beispiele zu nennen.
Das zweistündige X-Interview brachte Musk und Trump offensichtlich wieder einander näher. Denn bis vor wenigen Wochen waren beide Männer nicht gut aufeinander zu sprechen. Bei der Wahl Trumps zum 45. Präsidenten der USA im Jahr 2017 stand Musk noch auf der Seite der Demokraten; auch die Wahlkampagne Joe Bidens im Jahr 2020 habe Musk seinen Worten nach mitfinanziert.
Vor zwei Jahren noch empfahl der 228,2 Milliarden Dollar schwere Multi-Unternehmer „dem alten Mann Trump“ öffentlich, seinen „Hut an den Nagel zu hängen und in die untergehende Sonne zu segeln“. Trump wiederum beschimpfte Musk damals als „Schwachkopf und Lügner“, da dieser ihm zugesagt habe, er werde eine zweite Amtszeit Trumps 2024 unterstützen.
Nun der vollkommene Sinneswandel von Elon Musk. Am 16. Juli kündigte der Techmilliardär an, er werde den Wahlkampf des Republikaners finanziell unterstützen. Die Meldung, die auch durch deutsche Zeitungen als Fakt verbreitet wurde, Musk würde 45 Millionen monatlich an Trump spenden, bezeichnete dieser jedoch schnell als Fake News.
Turning Point: Attentat auf Trump
Wie kam es zu dem Sinneswandel des jahrzehntelangen Anhängers der Demokraten, der 2008 erstmals Barack Obama unterstützt hatte?
Die Antwort erhielt man im Livestream gleich zu Beginn des Talks: Es ging um den Attentatsversuch auf Trump am 13. Juli 2024 während einer Wahlkampfrede im US-Bundesstaat Pennsylvania. Trump wiederholte eine bereits mehrfach geäußerte Einschätzung: Es sei ein Wunder gewesen, dass er überlebt habe.
„Ich halte es für einen Akt Gottes – und ich fühle mich geehrt!“ Lebensrettend sei für ihn eine Kopfdrehung gewesen, als er in seinen Unterlagen nach Zahlen von Einwanderungen gesucht habe. „Illegale Migration hat mir das Leben gerettet!“, gab Trump nun bekannt.
Und Musk lachte über diesen Scherz, der sich auf eines der Hauptthemen in Trumps Wahlkampf bezog: die behauptete Zunahme von illegalen Einwanderern unter dem derzeitigen demokratischen Präsidenten Joe Biden.
Das Attentat auf Trump war der offenkundige „turning point“ (Wendepunkt) für Elon Musk, wie die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Hill“ am 15. Juli berichtete. „Ich unterstütze Präsident Trump voll und ganz und hoffe auf seine schnelle Genesung“, wird Musk von der Zeitung zitiert.
Angeblich sei der Techmilliardär von Trumps unmittelbarer Reaktion nach den Schüssen „tief beeindruckt“ gewesen. Trump hatte mit blutverschmiertem Gesicht, aufrecht stehend, seine rechte, geballte Faust siegesbewusst in die Höhe gereckt. Im Hintergrund wehte dramatisch die US-Flagge. Eine einprägsame Szene, bei der sich damals schon Journalisten fragten, ob sie den Wahlkampf entscheiden werde.
Das Attentat und Trumps unerschrockenes Auftreten danach hat zumindest bei Elon Musk die Entscheidung ausgelöst, Trump von nun an erneut ins Weiße Haus zu verhelfen. Denn Musk kritisiert schon seit geraumer Zeit die Politik der Demokraten, einschließlich deren Bemühungen um Diversität, Unterstützung der Gewerkschaften und dem lockeren Ansatz in Bezug auf Einwanderung.
Und so ließ er im X-Gespräch Donald Trump unwidersprochen freien Lauf bei dessen Lieblingsthemen. Trump bezichtigte Präsident Biden und Vize-Präsidentin Kamala Harris, sie ließen in Scharen Kranke, Verbrecher und Terroristen ins Land.
Es gebe Staaten wie den Kongo und Venezuela, die ihre Gefängnisse leerten, um Mörder, Drogendealer, „wirklich schlimme Leute“ in die USA zu schicken. In Venezuela sei dadurch die Verbrecherrate um 80 Prozent gesunken, behauptete Trump, ohne jedoch Quellen oder Belege zu nennen.
Wäre er statt Joe Biden in den letzten Jahren Präsident gewesen, hätte Putin nicht gewagt, die Ukraine anzugreifen, behauptete Trump weiter. Er wisse, wie mit Putin und Chinas Diktator Xi Jinping umzugehen sei. Zum Beispiel habe er Putin während seiner Amtszeit im Weißen Haus gedroht. Keiner der Demokraten sei jedoch in der Lage, China und Russland die Stirn zu bieten.
Der Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Kamala Harris, warf er vor, sie sei „liberaler als Bernie Sanders“ – und beschrieb Harris mit diesem Vergleich, als wäre sie der Beelzebub persönlich. Der Begriff „liberal“ hat in den USA eine andere Bedeutung als in Deutschland.
Dort steht er für politisch links bis hin zu kommunistisch. Der in den USA weithin bekannte Politiker Bernie Sanders vertritt als „Unabhängiger“ den Ostküstenstaat Vermont im Senat und ist hinlänglich als „democratic socialist“ (demokratischer Sozialist) bekannt beziehungsweise unter Konservativen verschrien.
Hand in glove: Übereinkommen
Der Zweck des Gesprächs der beiden Gleichgesinnten dürfte allen Zuschauern nach zwei Stunden klar geworden sein: Beide wollen den Wiedereinzug der Demokraten ins Weiße Haus verhindern. Während Trump von der Nähe zu Musk finanziell und politisch profitiert, kann Musk wiederum darauf bauen, dass sich seine Einflussnahme auf Trump bei einem Wahlsieg wirtschaftlich günstig für ihn auswirkt.
Der englische Begriff für dieses gegenseitige Interesse lautet „hand in glove“ (Hand im Handschuh). Damit ist das Verhältnis der beiden am besten ausgedrückt. Sie haben ein extrem hohes gemeinsames Interesse.
Da Musk aber ohnehin schon der reichste Mann der Welt ist, dürfte die wirtschaftliche Komponente für Musks Motivation eine geringere Rolle spielen, als ihm von zahlreichen Medien angedichtet wird. Indem er schon so viel Macht und Vermögen besitzt, strebt er stets nach neuen Feldern, die er bisher noch nicht „besetzt“ hat.
Als Einwanderer aus Südafrika bleibt es ihm versagt, selbst für das Weiße Haus zu kandidieren. Also sucht Musk möglicherweise die Nähe zur hohen Politik, um dort eine Sehnsucht auszuleben, die ihm als Einwanderer versagt bleibt. Im Gespräch mit Trump hat er sich bezeichnenderweise als Berater für Finanzfragen in einer möglichen Trump-Administration angeboten.
Neuer Boost für Trump
Für Trump wiederum kann Musks Unterstützung ein entscheidender Boost für die letzten drei Monate vor der Wahl am 5. November werden. Denn mit Stand 13. August liegt laut dem Durchschnitt aus den Umfragen aller Erhebungsinstitute Kamala Harris bei 46,1 Prozent Zustimmung, während Donald Trump auf 43,4 Prozent zurückgefallen ist.
Diese neue Form des Politik-Talks, die der Politiker und der Multimilliardär außerhalb von privaten und staatlichen TV-Sendern der Welt präsentiert haben, wird Nachahmer finden. Zumal mit einem Livestream eine weltweite Community zu erreichen ist.
Jeder, der sich einloggen wollte, konnte das Gespräch direkt und ohne einordnende Kommentare hören und einen eigenen, ungefilterten Eindruck gewinnen. Anders als oft in TV-Politik-Talks üblich, wurde der Befragte bei seinen Antworten nicht ständig unterbrochen, korrigiert oder zurechtgewiesen. Insofern war das Interview erfrischend und wegweisend.
Über den Autor:
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D. C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.
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