Geheimtreffen des MDR mit dem Verfassungsschutz?

Die Präsidenten dreier Verfassungsschutzbehörden treffen sich mit dem MDR im Vorfeld von Landtagswahlen. Die Öffentlichkeit wird nicht informiert. Ein Journalist erfährt von diesen Treffen, Rechtsexperten und AfD-Vertreter empören sich. Eine Spurensuche.
Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer geht davon aus, dass Rechtsextreme wieder «ganz massiv das Thema Asyl und Flüchtlinge» hochkochen.
Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer geht davon aus, dass Rechtsextreme wieder „ganz massiv das Thema Asyl und Flüchtlinge“ hochkochen.Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa
Von 23. Februar 2024

Trifft sich der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) zu Hintergrundgesprächen mit den Chefs von Landesverfassungsbehörden? Der Investigativjournalist und Blogmacher Norbert Häring jedenfalls will genau das herausgefunden haben und schreibt dazu:

„So hat die MDR-Chefredaktion Hintergrundgespräche arrangiert, am 21. Februar mit Dirk-Martin Christian, Verfassungsschutzpräsident Sachsens, am 7. März mit Stephan Kramer, VS-Präsident Thüringens, und am 20. März mit Jochen Hollmann, VS-Präsident von Sachsen-Anhalt. Die drei Länder konstituieren das Sendegebiet des MDR.“

Seine Quellen zu besagten Treffen kann Norbert Häring in einem Telefongespräch mit Epoch Times glaubwürdig versichern. Die Schlagzeile des Bloggers lautet: „Der MDR bereitet sich mit dem Verfassungsschutz auf die Landtagswahlen vor.“

Der Verfassungsschutz hält sich bedeckt

Ein Anruf beim Verfassungsschutz in Thüringen bleibt ergebnislos. Weiter heißt es dort, eine Anfrage per E-Mail bräuchten wir nicht zusätzlich zu stellen, die Antwort wäre sowieso die gleiche, die wir auch telefonisch bekommen:

„Zu etwaigen Presseterminen des Behördenleiters äußern wir uns generell nicht.“

Bemerkenswert ist hier, dass Epoch Times nach Terminen des Verfassungsschutzes mit dem MDR fragte und nicht explizit nach solchen des Behördenleiters. Auf Nachfrage heißt es, das sei so nicht gemeint gewesen und falsch verstanden worden; es sei nicht als Bestätigung solcher Termine zu werten.

Die Pressestelle des MDR ist telefonisch nicht erreichbar. Epoch Times verschickt zusätzlich einen Fragenkatalog bezüglich der von Häring genannten Treffen. Die Antwort schickt ein Sprecher des MDR; Hintergrundgespräche mit verschiedensten Gesprächspartnern zu den unterschiedlichsten Themen gehörten demnach seit jeher zum professionellen journalistischen Handwerkszeug, zum Beispiel in der Recherche komplexer Themen.

Und weiter schreibt der MDR-Sprecher:

„Zum Wesen solcher Gespräche gehört Vertraulichkeit bezüglich des Themas und der Beteiligten. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir uns grundsätzlich nicht äußern, mit wem und wozu unsere Redaktionen Hintergrundgespräche führen. Die journalistische Unabhängigkeit bleibt selbstverständlich zu jedem Zeitpunkt gewahrt.“

Die AfD-Thüringen äußerte sich bereits am 20. Februar per Twitter zu den genannten Treffen: 

„@AfD_Thueringen – In Vorbereitung auf die kommenden Landtagswahlen in Mitteldeutschland kommt es nun zu einem ‚Geheimtreffen‘ zwischen dem Verfassungsschutz und dem MDR. Der MDR trifft sich nun mit den Verfassungsschutzchefs aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Diese Hintergrundgespräche stellen ein weiteres Mal die Staatsferne des MDR infrage. Wir fragen uns, worüber bei solch einem Treffen gesprochen wird: Wer darf interviewt werden und wer nicht? Wer passt ins gewünschte Framing? Sollen durch interne Hinweise Anwürfe konstruiert werden? Sollen bevorzugte Themen gespielt werden? Sollen durch nachrichtendienstlich Mittel erlangte Informationen an die Öffentlichkeit getragen werden?“

Der Vorwurf also: Der Verfassungsschutz gibt Ermittlungsergebnisse an den MDR weiter und unterrichtet den Sender, wie mit diesen Informationen zu verfahren ist. Die AfD unterstellt hier eine Kampagne gegen die AfD.

Wozu dienen diese Treffen?

Epoch Times befragt dazu Stefan Möller, den Co-Vorsitzenden des thüringischen Landesverbandes der AfD. Möller fragt sich, worin denn das legitime Gesprächsinteresse eines „angeblich staatsfernen“ Rundfunks und des Verfassungsschutzes bestehen könnte, „insbesondere im Kontext der kommenden Landtagswahlen.“

Und Möller befürchtet hier ein „Beeinflussungsinteresse“ von Regierungsseite, insbesondere aus dem SPD-geführten Innenministerium heraus:

„Ich fürchte, dass genau diese Einflußnahmeversuche in diesen Gesprächen stattfinden werden, natürlich auf der oberen Ebene des MDR wo auch politische Funktionäre sitzen. Oder eben Funktionäre sitzen, die nach politischen Aspekten ausgewählt worden sind und die das dann auch entsprechend nach unten über Druck durchsetzen.“

Angesprochen auf die Mitarbeiter des MDR betont Möller allerdings, dass er dort auch Mitarbeiter als „ausgesprochen neutral“ wahrnehme. Es gäbe sogar welche, wo er „die eine oder andere Sympathiebekundung“ wahrnehmen konnte. Das jedenfalls könnte auch erklären, weshalb die vermeintlichen Besprechungstermine des MDR mit den Chefs der Verfassungsschutzbehörden an einen Journalisten kommuniziert wurden. Stefan Möller ergänzt angesprochen auf die Motivation solcher Gespräche zwischen Verfassungsschutz und MDR, dass es wohl auch darum ginge, Themen beim MDR zu unterdrücken, mit welchen die AfD punkten könnte.

ÖRR-Moderator schreibt für den Verfassungsblog

Generell gilt: Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen in besonderem Maße die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb achten. Bemerkenswert ist hier, dass Vergleichbares etwa auf dem „Verfassungsblog“ vom öffentlich-rechtlichen Monitor-Moderator Georg Restle erörtert wird, der dort zuvorderst als studierter Rechtswissenschaftler vorgestellt wird und erklärt, „warum die Rundfunkfreiheit kein Einlassticket für rechte Parteien ist“.

Der „Verfassungsblog“ erhält laut Wikipedia eine Projektfinanzierung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Genannter Georg Restle formulierte ebenda im Juni 2021 folgenden bemerkenswerten Absatz, der ein indirekter Hinweisgeber sein kann in Richtung solcher Treffen zwischen Verfassungsschützern und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten:

„Rechtsextreme Gruppierungen oder Parteien, die wie die AfD einen homogenen völkischen Nationalismus vertreten und wesentlichen Grundrechten wie der Meinungs- und Rundfunkfreiheit, dem Diskriminierungsverbot oder der Religionsfreiheit – also insgesamt der Menschenwürde – offen feindlich gegenüberstehen, die Krieg als legitimes Mittel der Politik einschätzen, dürften demgemäß kaum als Sachwalter*innen des Allgemeininteresses oder ‚bedeutsam‘ im Sinne einer Meinungsvielfalt anzusehen sein, die von ihnen selbst bekämpft wird. Und selbst wenn einzelne Vertreter*innen der Partei öffentlich als ‚bürgerlich‘ oder ‚konservativ‘ auftreten mögen, so dürfte doch die Gesamtbetrachtung der Partei mit ihren zahlreichen rechtsextremistischen Gliederungen schwerer ins Gewicht fallen als die offensichtlich wohlkalkulierte Strategie einer so bezeichneten ‚Selbstverharmlosung‘, die die verfassungsfeindlichen Ziele der AfD nur zu kaschieren versucht (siehe ARD-Magazin MONITOR vom 19.09.2019).“

Norbert Häring, der Kenntnis bekommen hatte von diesen nicht öffentlichen und nicht kommunizierten Treffen des MDR mit Verfassungsschützern, befindet in seinem Schlussabsatz über die Treffen zwischen Verfassungsschutz und MDR:

„Das Publikum erfährt nicht, dass sie stattgefunden haben, aber die Redakteure können und sollen die Informationen, die sie bekommen, in ihre eigene Berichterstattung und vor allem Kommentierung einfließen lassen. Eventuell sprechen die Schlapphut-Gäste im Anschluss an die Redaktionsgespräche auch Aussagen, mit denen sie sich zitieren lassen wollen, in die Mikrofone.“

Prof. Ulrich Vosgerau und Prof. Martin Schwab kommentieren

Epoch Times bittet den Staatsrechtler Prof. Ulrich Vosgerau um eine Einordnung dieser Treffen. Vosgerau war zuletzt im Zusammenhang mit dem von Correctiv ausgespähten Potsdamer „Geheimtreffen“ in Verbindung gebracht worden, an dem er teilgenommen hatte. Vosgerau kann auch nicht sagen, was der Verfassungsschutz mit dem MDR zu besprechen hat, das sei ja gerade geheim. Es falle aber auf, dass hier auch gerade Länder betroffen sind, wo es demnächst Landtagswahlen gäbe:

„Hier liegt offenbar ein Verstoß gegen die parteipolitische Neutralität des Staates vor. Denn es ist eindeutig nicht Aufgabe von Landesverfassungsschutzbehörden, irgendwie steuernd oder planend in den Wahlkampf einzugreifen. Hier besteht aber der Verdacht, dass es um nichts anderes gegangen sein kann, weil ja Nancy Faeser und auch Frau Paus gerade merkwürdige Pläne vorgestellt haben, die alle darauf hinausliefen, das der Verfassungsschutz künftig die Meinungsfindung betreuen soll.“

Epoch Times bat ebenfalls Rechtswissenschaftler Prof. Martin Schwab, die Treffen zwischen der MDR-Chefetage und den Chefs der Landesverfassungsschutzbehörden zu kommentieren:

„Ich gebe zu bedenken, dass der Verfassungsschutz mit anderen Konstellationen immer wieder betont hat, er sei lediglich der Regierung verantwortlich und dürfe anderen als der Regierung keine Auskünfte über seine Arbeit erteilen. Ich habe es erlebt, als ich einmal eine Delegitimierung der Polizei gerügt habe, die beim MDR stattgefunden hat, als ein Polizeieinsatz gegen Klimakleber in einem Video manipulativ brutaler dargestellt wurde, als er tatsächlich war. Dazu hatte mir der Verfassungsschutz damals zurückgeschrieben, er dürfe mir gegenüber keine Auskünfte erteilen. Wenn das stimmt, dann darf er es auch nicht gegenüber dem MDR.“



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