Ernüchternde Bilanz von Scholz in China
Die dreitägige Charme-Offensive von Bundeskanzler Olaf Scholz bei Ukraine-Vermittlung vom 14. bis 16. April brachte nicht annähernd das gewünschte Ergebnis.
Der für den Bundeskanzler wichtigste Termin, ein dreistündiges Gespräch mit Staatspräsident Xi Jinping, brachte ihm eine kalte Dusche ein: Er beabsichtigte, Xi dazu zu bringen, seinen Einfluss auf Putin geltend zu machen, damit dieser „seinen irrsinnigen Feldzug endlich abbricht, seine Truppen zurückzieht und diesen furchtbaren Krieg beendet“, ließ Scholz auf dem Onlinedienst X verbreiten.
Bei dem Gespräch im Pekinger Staatsgästehaus Diaoyutai habe Scholz seinen Aussagen nach auch vor Schäden für die „gesamte internationale Ordnung“ durch Angriff Russlands auf die Ukraine gewarnt. Er erinnerte außerdem an seine erste Reise als Bundeskanzler nach China im November 2022, als es ihm gelang, das chinesische Regime davon zu überzeugen, Russland zu ermahnen, nicht mit dem Einsatz von Nuklearwaffen zu drohen. Doch dieses Mal blieb die Reaktion Xi Jinpings aus.
Xi hat sich laut Presseberichten vielmehr indirekt eine Einmischung in innere Angelegenheiten verbeten. Allerdings zeigte er sich nach Angaben des Kanzlers unverbindlich offen, eine Ukraine-Friedenskonferenz zu unterstützen, die für Mitte Juni in der Schweiz geplant ist.
Vorwurf des Westens: Peking profitiert vom Krieg in der Ukraine
China nimmt zu dem Überfall auf die Ukraine nach eigenen Worten eine „neutrale Position ein“. Seit geraumer Zeit jedoch werfen westlicher Regierungen dem kommunistischen Regime vor, es liefere sogenannte Dual-Use-Güter nach Russland, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.
Eine Reihe amerikanischer Medien, darunter der amerikanische Nachrichtendienst „Bloomberg“, verbreiteten am 12. und 14. April eine Aufforderung der amerikanischen Regierung an China, Russland nicht länger mit Panzer-, Drohnen- und Raketenkomponenten zu beliefern. Europäische Verbündete der USA, darunter Deutschland, wurden vom Weißen Haus aufgefordert, „Sanktionen gegen chinesische Firmen zu verschärfen“. Namentlich genannt wurden die Unternehmen Wuhan Global Sensor Technology Co., Wuhan Tongsheng Technology Co. Ltd. und Hikvision.
Grünen-Chef Omid Nouripour hat noch eine ganz andere Ansicht zur „Neutralität“ Chinas im Ukraine-Krieg: „Peking will Russland als billige, exklusive Tankstelle für Gas und Öl nutzen“, kritisierte er zu Beginn der Scholz-Reise.
Harsche Mahnung an den Bundeskanzler
Es sei Zeit, in den deutsch-chinesischen Beziehungen einen neuen Kurs einzuschlagen, verbreiteten einige chinesische Staatsmedien während des Besuchs des Bundeskanzlers.
Etwas kurios wirkte, dass dabei ein Experte für „Asien- und Afrikastudien“ prominent zu Wort kam: Liu Zhongwei schrieb dem Kanzler ins Stammbuch, dass „Deutschland aufhören sollte, seine China-Politik ideologisch zu gestalten. Um die chinesisch-deutschen Beziehungen auf ein neues Niveau zu heben, muss die Scholz-Regierung aufhören, die China-Politik der USA nachzuahmen“, belehrte der Autor im größten englischsprachigen Staatsmedium „China Daily“ den deutschen Bundeskanzler, während dieser sich in Peking aufhielt.
Deutsche Wirtschaft abgeblitzt
Auch die „hochrangige“ Wirtschaftsdelegation, die den Kanzler begleitete, dürfte angesäuert nach Hause fliegen. Der chinesische „Afrika-Experte“ hatte dazu eine Meinung: Er betrachtet deutsche Firmen nicht auf Augenhöhe mit chinesischen Anforderungen. „Die persönlichen Bemühungen von Scholz und die Bereitschaft deutscher Unternehmen, sich auf Dialog und Zusammenarbeit einzulassen, reichen nicht aus, um die chinesisch-deutschen Beziehungen in der neuen Ära auf ein neues Niveau zu heben.“
Was läuft hier falsch? Insbesondere die deutschen Autobauer warnen vor den von den USA geforderten Sanktionen sowie EU-Strafzöllen gegen China wegen unlauteren Wettbewerbs bei E-Autos. Beides lehnt die Autobranche mit Verweis auf gefährdete Jobs in ihren Unternehmen ab. Die Chefs von BMW und Mercedes-Benz warnten in Peking gegenüber der ARD-„Tagesschau“ am 16. April vor einem Handelsstreit über E-Autos. Sie seien vielmehr bereit, „sich dem Wettbewerb mit der chinesischen Konkurrenz zu stellen“. Zurückziehen sei keine Option. Bei der massiven Überproduktion der staatlich-hochsubventionierten chinesischen E-Autos dürfte allerdings von „Wettbewerb“ keine Rede sein.
An diesem Beispiel wird deutlich, wie sich die deutschen Wirtschaftsbosse auf der Nase herumtanzen lassen und warum der chinesische „Afrika-Experte“ deutsche Firmen nicht mehr auf Augenhöhe betrachtet. Dabei hatte Scholz bei seinem Besuch in Shanghai noch auf gleiche Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen gepocht. Vergebens.
Ein bisschen Gerede über Klimawandel – nichts über Menschenrechte
Scholz sprach am letzten Tag zudem mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang. Mit dabei waren Umweltministerin Steffi Lemke, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Verkehrsminister Volker Wissing.
Scholz‘ Anliegen war es, die vergangenes Jahr begonnene „Zusammenarbeit mit China beim Kampf gegen den Klimawandel“ voranzutreiben, damit deutsche Unternehmen in China weiter zu „Wachstum, Innovation, Klimaschutz und Nachhaltigkeit beitragen“ können, betonte er laut Presseberichten. Dafür brauche es „einen gleichberechtigten Marktzugang und faire Wettbewerbsbedingungen, den Schutz geistigen Eigentums und ein verlässliches Rechtssystem“. Also alles, was die chinesische Staatsführung seit Jahrzehnten ignoriert.
Auch der für Wirtschaftspolitik zuständige CDU/CSU-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) bereist derzeit China und verstieg sich laut n-tv zu der Äußerung: „China nimmt uns ernst, weil wir wirtschaftlich stark sind.“ Spahn kennt offenbar den chinesischen „Afrika-Experten“ nicht.
Zur Menschenrechtslage in China hat sich weder Scholz noch Spahn zu Wort gemeldet.
Fazit
Für Scholz war es sein dritter Besuch in China: 2015 reiste er als Oberbürgermeister von Hamburg in die Volksrepublik, im November 2022 und jetzt als Bundeskanzler. Es wäre leicht, den Bundeskanzler für seinen Misserfolg in Peking zu verspotten. Doch der Besuch war die Reise wert. Denn nur so konnte Xi Jinping und sein Regime – zumindest für Deutschland – entlarvt werden: als unbeugsamer, eigennütziger Hardliner. China First! Einer, dem gute wirtschaftliche Beziehungen zu Putin wichtiger sind als Frieden. Das zumindest hat Scholz gut gemacht.
Was die Wirtschaftsbeziehungen angeht, müssen die deutschen Unternehmen wohl noch viel Lehrgeld bei ihren Investitionen in China zahlen, bevor sie feststellen, dass China kein Partner ist, sondern ein knallharter Rivale, der zudem gern unbotmäßige Konkurrenten einschüchtern will.
Als Lehre aus dieser Reise ist dem Kanzler und seiner Wirtschaftsdelegation zu empfehlen, künftig auf die Außenministerin zu hören. Genau vor einem Jahr reiste Annalena Baerbock nach China und warnte zuvor scharf: „Komplette wirtschaftliche Abhängigkeit basierend auf dem Prinzip Hoffnung macht uns politisch erpressbar.“ Und: „Pekings Unwille, sich an internationale Regeln zu halten, gefährdet unser gemeinsames friedliches Leben.“ Zu Recht wurde sie damals in der Wochenzeitung „Die Zeit“ als „die Beste“ in Scholz‘ Kabinett genannt. Es ist nun an der Zeit, dass auch Bundeskanzler Scholz sich dessen besinnt. Eigene Eindrücke von Chinas Führung hat er nun genügend.
Über den Autor:
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.
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