Chinas Außenminister Wang Yi besucht Deutschland
Gelingt es Chinas KP-Regime, Europa weiterhin davon abzuhalten, gemeinsam mit den USA eindeutig gegen Pekings Totalitarismus Position zu beziehen?
Außenminister Wang Yi tourt derzeit durch Europa, um dort „Störungen [zu] vertreiben“, wie es Chinas staatliche Nachrichtenagentur „Xinhua“ nennt. Wang hat Italien, die Niederlande, das Nicht-EU-Land Norwegen und Frankreich besucht. Am Dienstag (1.9.) wird er auch in Deutschland eintreffen.
Tschechiens Senat reist nach Taiwan – Deutschland bleibt abwartend
Während eine 90-köpfige Delegation des tschechischen Senats am Sonntag zu einem sechstägigen Besuch in der Republik China (Taiwan) eingetroffen ist und damit deutlich macht, sich seine Diplomatie nicht von der kommunistischen Diktatur unter Xi Jinping diktieren zu lassen, verhalten sich andere EU-Staaten deutlich zögerlicher.
Auch Deutschland gehört bis dato nicht zu jenen Ländern, aus deren Regierungsetage regelmäßig allzu scharfe Töne in Richtung Peking zu vernehmen sind – was nicht nur im Inland auffällt, denn gegenüber demokratischen Partnerländern wie den USA, Israel, Polen oder Ungarn zeigt man sich in Berlin häufig kritikfreudig.
Die Zurückhaltung gegenüber dem KP-Regime in China stößt durchaus auf Wohlwollen in den Chefetagen deutscher Großkonzerne. Während Siemens-Chef Joe Kaeser durchaus wortgewaltig in Richtung des US-Präsidenten Donald Trump auszuteilen pflegt und sich beispielsweise bei Themen wie „Klimaschutz“ oder „Seenotrettung“ politisch korrekt gibt, droht das Leid der Uiguren oder der Bürger von Hongkong sein Herz nicht zu zerreißen.
Wo Joe Kaeser die Moral nicht mehr so wichtig ist
Im Gegenteil: Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mahnte er im Oktober des Vorjahres die Politik explizit dazu, sich mit kritischen Äußerungen in Richtung Peking zurückzuhalten. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihres Peking-Besuchs erklärt, eine Lösung für Hongkong erfordere einen „Dialog“ zwischen dem Regime und der Demokratiebewegung, die sich gegen die Beseitigung ihr völkervertragsrechtlich garantierter Freiheiten wehrt.
Aus Sicht Kaesers war das offenbar schon an der Grenze des Tragbaren. Wörtlich erklärte er: „Wenn Arbeitsplätze in Deutschland davon abhängen, wie wir mit brisanten Themen umgehen, dann sollte man nicht die allgemeine Empörung verstärken, sondern überlegt die Positionen und Maßnahmen in allen Facetten abwägen.“ Die „werteorientierte Außenpolitik“, derer sich die Regierung in Berlin sonst gerne rühmt, stoße hier demnach an Grenzen.
Ähnlich sieht man es bei VW, wo man nicht nur seine Standortentscheidung verteidigt, in Urumqi, der Hauptstadt der Provinz Xinjiang, eine Produktionsstätte zu betreiben, sondern diese auch noch ausbauen will. So zumindest wurde es im Vorjahr gegenüber der „Deutschen Welle“ angekündigt.
Satellitenaufnahmen enthüllen 260 neue Konzentrationslager in China
Unterdessen hat die „New York Post“ (NYP) über Satellitenaufnahmen berichtet, die enthüllen sollen, dass das KP-Regime in Peking 260 Konzentrationslager im Hochsicherheitsmodus errichtet hat, in denen Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren und anderer türkischer Volksgruppen in der Provinz festgehalten werden.
Neben Folter, Gehirnwäsche und erzwungener Geburtenkontrolle soll dort auch Zwangsarbeit für die Belange des Regimes ermöglicht werden, heißt es in der NYP.
BuzzFeed hatte zuvor mithilfe der Analyse von Satellitenaufnahmen die Existenz der eigentlich der Geheimhaltung unterliegenden Einrichtungen offengelegt. Während das Regime behauptet, die meisten der etwa eine Million Menschen, die in die Lager verbracht wurden, seien wieder auf freiem Fuß, deutet das Bildmaterial von BuzzFeed darauf hin, dass lediglich einige Inhaftierte in andere Einrichtungen überstellt worden seien.
Einige der Einrichtungen hätten die Größe des New Yorker Central Parks und seien auf ein Fassungsvermögen von 10.000 Personen ausgelegt.
Der zunehmende diplomatische Druck der USA und die Zuspitzung der Lage in Hongkong haben allerdings auch in Berlin in den vergangenen Wochen zu einer etwas veränderten Tonlage beigetragen. In einer Analyse für die „Welt“ weist Außenpolitik-Redakteurin Carolina Drüten auf die Entscheidung von Bundesaußenminister Heiko Maas hin, auf die Einführung des umstrittenen Sicherheitsgesetzes in Hongkong mit der Aussetzung des Auslieferungsabkommens mit der Autonomen Provinz zu reagieren.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stellte gar in Aussicht, ein Festhalten an dem Gesetz, das Kritiker als faktisches Ende der Redefreiheit und der Demokratie in Hongkong bewerten, könnte „eine nachhaltige negative Veränderung zu den europäischen, zu den westlichen Staaten“ bewirken.
Unabhängig davon, ob den Ankündigungen auch Taten folgen oder ob man in Peking überhaupt damit rechnet, dass dies der Fall sein könnte, zeigt sich das Regime bemüht, Entwicklungen wie in Großbritannien zu vermeiden. Dort hatte die Regierung, nachdem sie noch im Januar eine beschränkte Beteiligung des regimenahen Konzerns Huawei am 5G-Ausbau zugestimmt hatte, mittlerweile eine Kehrtwende vollzogen und will chinesische Anbieter sogar in Laufe der kommenden Jahre komplett aus der kritischen Infrastruktur des Landes verbannen.
EU bemüht sich um Investitionsschutzabkommen
Weder in Peking noch in der EU wird mit einer Entspannung im Verhältnis zwischen China und den USA gerechnet. Selbst wenn US-Präsident Donald Trump nicht wiedergewählt werden sollte, würde keine amerikanische Regierung mehr um das Eingeständnis herumkommen, dass die Kalkulation, auf der die westliche China-Politik der vergangenen 40 Jahre beruhte, nicht aufgegangen ist.
Weder hat die Einbindung des Regimes in internationale Organisationen und den Welthandel einen politischen Wandel bewirkt, noch zeigt sich das Regime überhaupt als Akteur, der nach den Regeln spielt.
Industriespionage, Diebstahl, eingeschränkter Zugang ausländischer Unternehmen zum chinesischen Markt oder Vertuschungspolitik in der Corona-Krise haben auch in der EU zunehmend Argwohn hervorgerufen.
Brüssel hält zwar an seinem Ziel fest, bis zum Ende des Jahres ein Investitionsschutzabkommen mit dem Regime in Peking zu erreichen.
Ein Scheitern dieses Unterfangens und eine Wiederwahl Donald Trumps würden auch die Europäer vor eine Entscheidung stellen: entweder zusammen mit den USA einen entschlosseneren Umgang mit der KP Chinas und ihren Praktiken zu pflegen – oder weiter eine Politik der Äquidistanz zu verfolgen, die zur Folge haben könnte, von Peking weiterhin übervorteilt zu werden und zusätzlich vielleicht auch mit US-Sanktionen umgehen zu müssen.
Eine Schlüsselrolle werden EU-Mitgliedstaaten wie Griechenland, Italien oder Ungarn spielen. Sie haben wegen schlechten Erfahrungen mit der EU stets versucht, zu Akteuren wie Russland oder China ein friktionsfreies Verhältnis zu pflegen.
Immerhin kamen von dort auch nicht unbedeutende Investitionen. Eine geschlossene Vorgehensweise der EU gegenüber China wird demzufolge auch davon abhängen, welche Vorteile für die Mitgliedsländer im Süden und Osten Europas damit verbunden bleiben.
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