CDU vor Tabubruch: Fällt die Brandmauer nach links?

Die CDU steckt zwischen der AfD und der Linkspartei in einem Dilemma. Einerseits betont sie eine klare Abgrenzung zur AfD, andererseits stehen Landtagswahlen bevor, bei denen eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei die einzig verbleibende Option sein könnte. Die Stimmen in der CDU, die dies in Betracht ziehen, mehren sich. Doch ein solcher Kurs wirft Fragen zur Glaubwürdigkeit und Positionierung der Partei auf.
Der Entwurf für das neue CDU-Grundsatzprogramm argumentiert, der Kampf gegen Extremismus gelte denen, die Hass und Gewalt schürten und eine islamistische Ordnung anstrebten.
Die CDU ist im Moment von links und rechts in die Zange genommen.Foto: Fabian Strauch/dpa
Von 24. Januar 2024

Am vergangenen Wochenende machte die WerteUnion auf ihrer Mitgliederversammlung in Erfurt den Weg für eine Parteigründung frei. Als treibende Kraft gilt der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen.

Maaßen sei das Mandat erteilt worden, „die Gründung einer konservativ-liberalen Partei“ unter dem Namen WerteUnion auf den Weg zu bringen, hieß es auf der Internetseite des Vereins. Die Parteigründung werde so zeitnah erfolgen, dass eine Teilnahme an den Landtagswahlen im September in Thüringen, Sachsen und Brandenburg möglich sei.

Schon lange Klotz am Bein

Damit spaltet sich die WerteUnion nun parteipolitisch von CDU und CSU ab, denen sie sich bisher immer nahe gegeben hat. Die Neugründung soll im Gegensatz zur CDU keine Partei mit einer „Brandmauer“ und damit „gesprächsbereit in alle politischen Richtungen“ sein, teilte die WerteUnion mit. Die AfD wird nicht explizit als Gesprächspartner ausgeschlossen.

„Während sich die bisherigen Unionsparteien inhaltlich und programmatisch immer weiter von ihren Wurzeln entfernen, wird die ‚WerteUnion‘ mit einem neuen Angebot in der Parteienlandschaft um den Souverän werben“, so Hans-Georg Maaßen in einer ersten Erklärung, die ebenfalls auf der Internetseite des Vereins veröffentlicht wurde.

Die CDU dürfte aufatmen: Schon lange empfindet sie den Verein als einen Klotz am Bein. Mit dem Beschluss vom Samstag hofft die Spitze um Friedrich Merz indessen, dass sich das Problem der WerteUnion von selbst löst. Auf der Winterklausur vor zwei Wochen hatte Merz noch einen Abgrenzungsbeschluss gegen die WerteUnion angekündigt, sollte sich diese nicht von der Nähe zur CDU lösen.

Der sächsische Ministerpräsident und CDU-Vize Michael Kretschmer, in dessen Bundesland im September gewählt wird, ging auch kurz nach Bekanntwerden des Beschlusses der WerteUnion zum Angriff über. Es werde keine Zusammenarbeit mit der WerteUnion geben, so Kretschmer am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“.  Man sehe doch, was das für Leute seien: „Die haben einen solchen Hass nicht nur auf die CDU und die CSU, sondern auch auf das, was wir so den gesunden Menschenverstand nennen: Leben und leben lassen“, so Kretschmer.

AfD steht wie Gespenst im Raum

Für die CDU unter Friedrich Merz läuft es momentan gut. Am letzten Sonntag durfte der Parteivorsitzende zur besten Talkzeit die neue Sendung von ARD-Moderatorin Caren Miosga eröffnen. Das Thema der Sendung lautete: „Merz richtet die CDU neu aus – wird Deutschlands Zukunft konservativ?“

Am Ende ging es dann aber weniger um eine neu ausgerichtete CDU, sondern es stand wieder die AfD als Gespenst im Raum, ohne dass ein Vertreter dieser Partei in der Talkrunde vertreten war. Merz wiederholte auch an diesem Abend das, was er seit Wochen immer und immer wieder erzählt: Es werde mit ihm als Parteivorsitzenden keine Zusammenarbeit mit der AfD geben.

Dass auf kommunaler Ebene Unionspolitiker mit AfD-Kollegen zusammenarbeiten, verteidigte der CDU-Vorsitzende. Man müsse auch nach solchen Wahlergebnissen weitermachen und könne sich nicht nur danach richten, was die AfD mache: „Dann machen wir uns von diesen Leuten völlig abhängig.“

Die Journalistin Anne Hähnig, an diesem Abend auch zu Gast, erinnerte Merz an dessen Aussage, es stehe ein Parteiausschlussverfahren für jeden an, der für die AfD die Hand hebe. Ein Jahr später hätten Unionspolitiker in Bautzen mit der AfD gemeinsame Sache gemacht, ohne überhaupt Konsequenzen fürchten zu müssen. Merz dementierte das und verwies darauf, dass mit SPD und Grünen in ähnlich gelagerten Fällen nicht so scharf ins Gericht gegangen würde.

Bei Linkspartei weicht Merz aus

Deutlich ausweichender wurde Merz auf die Frage hin, ob die CDU in Thüringen zusammen mit der Linken regieren würde, um den dortigen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke als Ministerpräsident zu verhindern. Der CDU-Chef verwies darauf, dass das die Entscheidung der CDU-Politiker vor Ort sei. „Davor ist es eine Entscheidung der Wählerinnen und Wähler.“

Er wolle jetzt nicht über Möglichkeiten sprechen, die auf Umfrageergebnissen basieren. In Thüringen wäre nach aktuellen Hochrechnungen eine Regierung ohne Beteiligung der AfD lediglich mit einer Koalition aus CDU und der Linken möglich. Genau hier liegt das Dilemma der Union.

Friedrich Merz und sein Generalsekretär Carsten Linnemann richten die Partei seit Monaten deutlich konservativ aus. Das wird beim vor zwei Wochen vom Parteivorstand in Heidelberg beschlossenen Grundsatzprogramm deutlich. Die Partei möchte sich unter Merz wieder stärker auf die traditionellen Werte der CDU zurückbesinnen. Es könnte also alles gut sein – stünden nicht die drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an.

In allen drei Ländern führt im Moment die AfD und in Thüringen und Sachsen sind Mehrheiten gegen die AfD nur möglich, wenn man dort mit den Linken zusammengeht. Genau das hat die CDU aber mit einem Beschluss des Parteivorstandes aus dem Jahr 2018 ausgeschlossen. Sowohl bei der AfD als auch bei der Linken gehe es um „grundsätzliche Unvereinbarkeiten mit den Werten und Grundsätzen der CDU“, hieß es im damaligen Beschluss. „Deshalb kommt für uns eine Zusammenarbeit mit Linkspartei und AfD nicht infrage.“

Brandmauer nach links bröckelt

Die CDU ist daher im Moment zwischen links und rechts in die Zange genommen. Das scheint manchem CDU-Politiker inzwischen auch aufzugehen. Während man nach rechts die Brandmauer aufrechterhalten möchte, bröckelt sie nach links inzwischen. So sprach sich gerade erst der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung Marco Wanderwitz dafür aus, das Verhältnis zur Linkspartei neu zu überdenken.

„Die Linkspartei hat sich entradikalisiert“, sagte der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete dem „Tagesspiegel“. Daher „müssen wir als Union noch einmal neu ausbuchstabieren, ob im Unvereinbarkeitsbeschluss tatsächlich die Linke mit der AfD in einem Atemzug und mit dem gleichen Ergebnis behandelt werden sollte“. Die CDU tue gut daran, „zu überprüfen, ob sie noch richtig steht“. Die Diskussion, wie es die CDU mit der Linkspartei hält, ist nicht erst seit den Äußerungen Wanderwitz im Gange.

Schon 2018 hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther seine Partei aufgefordert, ihr Verhältnis zur Linken neu zu überdenken. Wenn Wahlergebnisse es nicht hergäben, dass ein Regierungsbündnis gegen die Linke gebildet wird, „muss die CDU pragmatisch sein“, sagte Günther damals der „Rheinischen Post“. Innerhalb der CDU gab es damals einen enormen Gegenwind.

Das Gleiche erlebte im vergangenen Jahr auch der ehemalige CDU-Landes- und Fraktionschef in Thüringen, Mike Mohring. Mohring, der immer noch Mitglied des CDU-Präsidiums ist, sagte damals gegenüber dem MDR, dass eine Unvereinbarkeit zur Linken vor Jahren richtig gewesen sein mag, heute aber an der Lebensrealität im Osten vorbeigehe.

In Thüringen, wo Mohring Landtagsabgeordneter ist, müsse sich die CDU im Umgang mit Linken und AfD von einem Dilemma befreien. „Wenn man solche Mauern aufbaut, und auch noch sagt, die Grünen sind unser Hauptgegner, mit wem sollen wir dann überhaupt noch agieren?“, sagte Mohring damals im Podcast „The Pioneer“ des Journalisten Gabor Steingart. Seine Forderung, sich Gesprächen notfalls nicht zu verweigern, sei aber nur auf die Linke bezogen, nicht die AfD.

Widerspruch kam damals umgehend vom Thüringer CDU-Generalsekretär Christian Herrgott auf Twitter. Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse gelten unverändert weiter, so der CDU-Politiker.

CDU spielt mit Glaubwürdigkeit

Bleibt die Unvereinbarkeit sowohl zur AfD als auch zur Linken bestehen, dann kommt spätestens nach den Landtagswahlen ein Problem auf die CDU zu: Mit welchen Parteien möchte sie sich dann zusammenschließen? Erhielten Linke und AfD bei den Wahlen zusammen mehr als 50 Prozent der Stimmen, muss entweder eine der beiden Parteien direkt als Partner einer Koalition oder indirekt als Unterstützerin einer Minderheitsregierung gewonnen werden. Momentan sieht es so aus, dass hier die Wahl auf die Linkspartei fallen könnte. Das bringt die CDU, mit Blick auf die Bundestagswahl, in Bedrängnis.

Würden sich CDU-Landesverbände über die Unvereinbarkeit mit den Linken hinwegsetzen, befürchten viele in der CDU, würde das nicht nur am langsam wieder aufgebauten konservativen Image der Partei kratzen. Auch die Glaubwürdigkeit der CDU könnte darunter leiden: Wenn nicht einmal mehr die Absage an die Nachfolgepartei der SED gilt, wofür steht die Union dann noch? Trotz des positiven Laufs, den die CDU im Moment hat, zeigt sich, dass die Partei intern bis zu den Wahlen im Herbst einige Fragen zu klären hat.



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