BSW-Durchmarsch zur Regierungspartei könnte in zwei Ländern gelingen
Wenn es im September nach den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg um neue Regierungskoalitionen geht, werden diese kaum um eine Beteiligung des Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit (BSW) herumkommen. Das geht aus aktuellen Meinungsumfragen zur Sonntagsfrage in den beiden Bundesländern hervor. Die noch zu gründende WerteUnion-Partei um den Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen wurde noch nicht berücksichtigt.
Wie der „Münchener Merkur“ berichtet, bliebe die Alternative für Deutschland trotz ihrer drei Prozent Verlust im Vergleich zum 9. November 2023 in Thüringen mit 31 Prozent zwar stärkste Kraft, doch keine andere Partei würde — Stand heute – mit ihr koalieren wollen. Spitzenkandidat ist Björn Höcke.
Die Zahlen für Thüringen stammen aus einer INSA-Umfrage, bei der zwischen dem 8. und 15. Januar tausend Wahlberechtigte befragt wurden.
Thüringen: Vier Parteien allein stärker als die „Ampel“ insgesamt
Stand heute würde demnach wahrscheinlich die CDU (20 Prozent, minus 2) den nächsten Ministerpräsidenten in Erfurt stellen. Direkt dahinter lauert laut „Merkur“ bereits jetzt die BSW: Aus dem Stand würden 17 Prozent die junge Partei auf Platz drei wählen. Die Linken, immerhin die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, würde 15 Prozent (minus 5) verbuchen.
Sämtliche „Ampel“-Parteien müssten in Thüringen dagegen um den Einzug ins Parlament bangen: Gemeinsam würden SPD (6 Prozent/minus 3), Grüne (5 Prozent/plus 1) und FDP (3 Prozent/minus 1) nur 14 Prozent gewinnen. Damit könnten in Thüringen vier Parteien jeweils für sich allein genommen mehr Wähler zum Urnengang mobilisieren als das gesamte thüringische Personal der drei im Bund regierenden Kräfte. Gewählt wird am 1. September.
Erfurt bald schwarz-rot-rot oder doch schwarz-blau?
Als Bündnispartner müsste die CDU auf die BSW hoffen, denn ohne deren 17 Prozent wäre eine Mehrheit keinesfalls zu erreichen. Wahrscheinlich müsste sogar Ramelows Linke den „Dritten im Bunde“ spielen, denn CDU-Parteichef Friedrich Merz will weder mit der AfD noch mit der liberal-konservativen WerteUnion etwas zu tun haben.
Schwarz-Rot-Rot hieße demnach die laut Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU eigentlich ebenfalls unmögliche Koalition. Ob es die CDU tatsächlich wagen würde, mit gleich zwei Parteien zusammenzuarbeiten, die letztlich aus der SED hervorgegangen sind, bleibt offen. Die Alternative wäre ein CDU-Bündnis mit der verhassten „Alternative“. Doch so etwas erscheint nicht nur wegen der „Brandmauer“, sondern auch angesichts der aktuell aufgeheizten Stimmungslage in Deutschland noch unwahrscheinlicher, auch wenn zwei konservative Parteien in der Regierung den Wählerwillen bei Weitem am besten widerspiegeln würden.
Brandenburg: BSW „Zünglein an der Waage“?
In Brandenburg, wo am 22. September gewählt wird, zeichnet sich ein verwandtes Bild ab. Auch hier liegt die AfD mit 28 Prozent stabil vorn, wenn man die unter beinahe denselben Bedingungen von INSA erhobene Umfrage zum Maßstab nimmt. Die Zuwächse oder Verluste beziehen sich allerdings auf den 4. Juli 2023.
Die zweitplatzierte CDU (18 Prozent konstant) müsste im Potsdamer Landtag letztlich auch auf die Unterstützung zweier roter Parteien zurückgreifen, um die Mehrheit zu stellen. Statt der Linken (6 Prozent/minus 4) käme dann aber wohl die SPD (17 Prozent/minus 4) zum Zug. Das BSW (13 Prozent neu) würde auch hier als finaler Königsmacher gebraucht.
Grüne (8 Prozent/minus 1) würden in Brandenburg unter „Ferner liefen“ ins Ziel kommen, die FDP (3 Prozent stabil) würde wie die übrigen Bewerber nicht mal das schaffen.
Sachsen bislang keine Wagenknecht-Hochburg
Nur der Vollständigkeit halber sei auch die jüngste Forsa-Umfrage vom 11. Januar zur Sachsenwahl erwähnt, die im Auftrag von RTL und ntv noch vor der Veröffentlichung des „Correctiv“-Artikels über das Treffen mehrerer AfD- und CDU-Politiker in Potsdam erstellt wurde. Dabei soll es angeblich um „Deportationspläne“ von Millionen Migranten gegangen sein. Was die AfD unter Verweis auf ihr Parteiprogramm abstreitet. Zuletzt hatte sich der Co-Parteivorsitzende Tino Chrupalla in der ARD-Talkshow „Maischberger“ vehement gegen die Darstellung des „Correctivs“ gewehrt (Video in der ARD-Mediathek).
Das BSW würde es laut Forsa jedenfalls mit 4 Prozent nicht in den Landtag Dresden schaffen. Um am 1. September die Regierungsmacht gegen den Erstplatzierten AfD (34 Prozent) zu erringen, müsste die CDU (30 Prozent) ebenfalls mit mindestens zwei weiteren Parteien zusammenarbeiten. Infrage kämen die Grünen (8 Prozent), die SPD (7 Prozent) und die Linken (6 Prozent). Die FDP und die Freien Wähler (je 3 Prozent) hätten vier Jahre Parlamentspause.
„Gesichert rechtsextrem“: Bürde für AfD in mehreren Ländern
Die Landesverbände der AfD in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wurden teils schon vor Monaten von den jeweiligen Landesverfassungsschützern als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Die Partei wehrt sich auch gegen diese Zuschreibung. Schon seit Längerem läuft auch eine Debatte über ein AfD-Verbot, das nach Ansicht verschiedener Staatsrechtler aber kaum Aussicht auf Erfolg hätte.
Nach Bekanntwerden des „Correctiv“-Artikels war Mitte Januar 2024 auch eine Welle von Demonstrationen „gegen rechts“ losgetreten worden – unter persönlicher Beteiligung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Zuspruch zur SPD bleibt bundesweit schwach
Apropos SPD: Für die älteste Partei Deutschlands würde es nach brandneuen Umfragen von INSA und Forsa derzeit nur zur dritten Kraft reichen, wenn am Sonntag ein neuer Bundestag gewählt würde. Maximal 14 Prozent wären drin. Bei der Wahl 2021 hatte es die SPD noch auf 25,7 Prozent und damit zur Kanzlerschaft gebracht.
Die auch von der SPD angefachten Anti-AfD-Massenproteste der vergangenen Tage scheinen jedenfalls nicht positiv auf die Umfragewerte der SPD einzuzahlen.
Scholz vs. Trump: Mehr Anerkennung für den Kanzler?
Wie die „Bild“ spekuliert, könnte speziell Scholz wieder Boden für die SPD gut machen, falls Donald Trump im November 2024 die US-Präsidentschaftswahl gewinnen sollte. Denn dann könne der Hanseat als „erfahrender Kanzler“ im Kampf gegen den vielfach geschmähten Republikaner punkten.
Diese Taktik könnte nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Prof. Werner Patzelt „besonders in der eigenen Partei und bei traditionellen SPD-Wählern“ aufgehen. Seiner Ansicht nach könne auch der ohnehin beliebte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) „sich erfolgreich profilieren gegen einen US-Trump, der Europa immer weniger verteidigen“ wolle.
Das Politmagazin „Cicero“ bezweifelt allerdings, dass es Scholz gelingen könnte, zum „Leader of the Free World“ aufzusteigen: Ihm fehle das „internationale Renommee“. Zudem belege die Tatsache, dass sich SPD-Parteichefin Saskia Esken „in völliger Verkennung der wirtschaftlichen Gegebenheiten auch noch für eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich“ ausspreche, „das ganze Ausmaß der Realitätsverweigerung“ unter den Sozialdemokraten. Die Arbeitgeberseite war laut „Welt“ bereits im April 2023 alles andere als begeistert von der Idee.
Cicero: SPD müsste Auswege aus der Wirtschaftskrise finden
Nach Einschätzung des „Cicero“ wäre es für die SPD womöglich der bessere Weg, „auch mal jenseits von Umverteilung mögliche Auswege aus der sich verfestigenden Wirtschaftskrise aufzuzeigen“, als ständig den „Kampf gegen rechts“ zu proklamieren, „ein Verbot der AfD zu fordern und deren Wähler zu dämonisieren“. Immerhin sei „ein Gutteil“ der ehemaligen SPD-Wählerschaft „direkt von der Sozialdemokratie zum Rechtspopulismus übergewechselt“.
Doch bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 fließt noch viel Wasser die Spree herunter. Derzeit liegt die Union aus CDU und CSU insgesamt deutlich vorn – primär wegen der treuen Wählerschaft in den „alten“ Bundesländern. 30,5 (INSA) beziehungsweise 31 Prozent (Forsa) bedeuten Platz eins für die Schwarzen.
Die AfD musste bundesweit – wohl auch infolge des „Correctiv“-Artikels, der Verbotsdebatte und der Massenproteste – nur mäßig Federn lassen: Laut Forsa würde momentan noch exakt jeder fünfte Wahlberechtigte die blaue Partei wählen, laut INSA sogar 21,5 Prozent. Zuletzt hatte die AfD am 8. Januar nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts YouGov bei bis zu 24 Prozent gestanden.
Wahlkalender 2024
Im Wahljahr 2024 steht am 11. Februar zunächst die Teilwiederholungswahl des Bundestags im Land Berlin an. Danach geht es in Thüringen am 26. Mai mit Kommunalwahlen weiter.
Am 9. Juni findet nicht nur die Wahl zu einem neuen EU-Parlament statt, sondern auch Kommunalwahlen in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, im Saarland, in Sachsen und in Sachsen-Anhalt.
Im September wird dann die Frage entschieden, wer sich für eine jeweils neue Landesregierung in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zusammentun wird.
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