Brisante Details zum Mordkomplott an Hamas-Chef Haniyeh

Vor gut zwei Wochen ist einer der wichtigsten Führer der palästinensischen Hamas bei einem Attentat in Teheran ums Leben gekommen. Ein Insiderbericht beschreibt detailliert, wie der israelische Auslandsgeheimdienst das Attentat durchgeführt haben soll. Der Sprengsatz soll wenige Stunden vor der Explosion unter Haniyehs Bett angebracht worden sein. Die für Israel arbeitenden Agenten seien noch am selben Tag außer Landes gebracht worden.
Titelbild
Der politische Führer der Hamas, Ismail Haniyeh, wurde bei einem Anschlag in Teheran am 31. Juli getötet. Das Foto zeigt ein Porträt von ihm an einer Hauswand in der iranischen Hauptstadt.Foto: Majid Saeedi/Getty Images
Von 16. August 2024

Ismail Haniyeh, der das politische Büro der Hamas in Katar geleitet hat, war zur Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian eingeladen. Nach den Feierlichkeiten begab er sich in das Gästehaus Neshat, das sich im Norden der iranischen Hauptstadt befindet. Es gehört den Islamischen Revolutionsgarden, einer Art Elitearmee. Dort starb Haniyeh zusammen mit seinem Leibwächter in der Nacht zum 31. Juli bei einer Explosion.

Die Regierung in Teheran sieht Israels Handschrift hinter dem Anschlag.

Verletzung der Souveränität des Irans

In einer Erklärung der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), einer Gruppe von Staaten mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, heißt es, der Block mache Israel für diesen „kriminellen Akt und die gefährliche Eskalation [verantwortlich], die eine Ausweitung der täglichen Morde an der palästinensischen Bevölkerung unter eklatanter Verletzung aller internationalen Normen, Chartas und Gesetze darstellt.“

Zunächst erklärte Teheran, Haniyeh sei durch eine israelische Rakete getötet worden, was eine ähnliche iranische Reaktion erfordere, zitiert die „Washington Post“ iranische Beamte. Doch dann sei man zum Schluss gekommen, dass der Hamas-Chef durch eine versteckte Bombe getötet wurde, was vielleicht eine andere Reaktion erfordere, heißt es im Artikel.

Von Israel selbst gibt es dazu keine Stellungnahme. Doch die Zeitung „The Jewish Chronicle“ hat brisante Details veröffentlicht, wie der israelische Auslandsgeheimdienst das Attentat durchgeführt haben soll.

Mordplan Minute für Minute nacherzählt

So soll der Mossad zwei Personen der Islamischen Revolutionsgarde rekrutiert haben, die eigentlich für die Sicherheit des Gasthauses und seiner Besucher zuständig waren. Aufnahmen einer Sicherheitskamera sollen zeigen, wie sich die beiden um 16:23 Uhr auf das Zimmer zubewegten, in dem Haniyeh übernachten wollte, die Tür mit einem Schlüssel öffneten und das Zimmer betraten.

Drei Minuten später hätten die Männer den Raum wieder verlassen, seien durch den Hauptausgang des Gästehauses zu einem schwarzen Auto gegangen und wurden vom Wachmann am Kontrollpunkt ohne Komplikationen durchgelassen. All das sei den Iranern bei Sichtung des Videomaterials schnell bewusst geworden, schreibt der Journalist Elon Perry im „Jewish Chronicle“, der ältesten kontinuierlich erscheinenden jüdischen Zeitung der Welt.

Soldat einer israelischen Eliteeinheit

Elon Perry ist ehemaliger israelischer Soldat mit 28 Jahren Armeeerfahrung. Er lebt mittlerweile in London, wo er als Autor und Redner tätig ist. Sein Buch Golani Commando, Special Operation in the IDF“ wurde im Oktober 2021 veröffentlicht. Sein zweites Buch „Kinder im Krieg“ folgte im April 2024. Vielleicht begründet seine Tätigkeit in der israelischen Eliteeinheit Golani Brigade sein vermeintliches Insiderwissen, das er in vielen Artikeln teilt.

Ohne die Nennung von Quellen schreibt er zur Ermordung des Hamas-Chefs, dass den beiden Wachen jeweils ein sechsstelliger Betrag sowie eine sofortige Umsiedlung in ein nordeuropäisches Land angeboten wurde.

Zudem gibt Perry Details zur Bombe: „Um eine mögliche Entdeckung zu verhindern, platzierte der Mossad einen flachen Ziegelstein mit Sprengstoff, 7,5 × 15 cm, der am Boden des Bettes befestigt war. Um den Schaden für unschuldige Zivilisten so gering wie möglich zu halten, verwendeten sie eine für ihre Präzision bekannte Bombe, die nur auf Haniyehs Zimmer zielte.“

Netzwerk von Mossad-Spionen

Haniyehs Ermordung sei nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 beschlossen worden, so Perry weiter. Für die Durchführung sei ein Netzwerk von Mossad-Spionen, die in ganz Teheran verstreut waren, tätig gewesen. Die israelische Geheimdiensteinheit 8200 hätte zudem Telefongespräche zwischen Iranern und den eingeladenen Gästen abgehört.

Agenten mit Tarnkleidung sollen sich in Bäumen in der Nähe des Gästehauses versteckt haben, um zu Sichten, wann Haniyeh sein Zimmer betreten würde. Nachdem dort das Licht ausgeschaltet wurde, explodierte laut Perry die Bombe, die von einem Roboter ferngesteuert ausgelöst wurde, um 01:37 Uhr Ortszeit.

Das Gästehaus Neshat im Norden von Teheran, in dem Ismail Haniyeh oft untergebracht war. Foto: Bildschirmfoto „The Jewish Chronicle“

Der Journalist erklärt auch, warum der Mossad den Hamas-Chef nicht bei einer früheren Gelegenheit in Katar eliminiert hätte. Dies sei nicht dienlich gewesen, „da Katar in der Geiselnahme als wichtiger Vermittler zwischen der Hamas und Israel fungierte“. Ein Attentat auf katarischem Boden könne „jedes künftige Friedensabkommen zwischen Israel und Katar gefährden, das vor dem Gaza-Krieg zur Diskussion stand“.

„The Jewish Chronicle“: Absender unbekannt

Die Frage ist berechtigt, woher Elon Perry das umfangreiche Insiderwissen hat und welchen Zweck die durchgestochenen Informationen erfüllen sollen. Der ehemalige Chefredakteur des „Guardian“, Alan Rusbridger, macht auf ein „mysteriöses Konsortium“ aufmerksam, das vor vier Jahren die einflussreichste Zeitung für die jüdische Gemeinschaft in Großbritannien übernommen hat:

Fast niemand hat eine Ahnung, wer die ‚Jewish Chronicle‘ derzeit finanziert.“

Die geschilderte Detailgenauigkeit wirft Fragen zur Verwundbarkeit des Irans auf:

„Wenn Israel einen so wichtigen Gast an einem Tag, an dem in der Hauptstadt erhöhte Sicherheitsvorkehrungen gelten, angreifen und den Angriff auf einem hoch gesicherten Gelände mit kugelsicheren Fenstern, Luftabwehr und Radar durchführen konnte, dann war niemand wirklich sicher“, schreibt Farnaz Fassihi in der „New York Times“.

Mehr als ein Dutzend Attentate

Tatsächlich ist die Ermordung von Haniyeh Teil einer langen Liste von Attentaten auf Vertreter des iranischen Staates, die Israel zugeschrieben werden. Laut „New York Times“ hat Israel mehr als ein Dutzend Atomwissenschaftler und Militärkommandeure im Iran ermordet. Dies gipfelte 2020 in der Tötung des leitenden Nuklearwissenschaftlers Mohsen Fachrisadeh durch einen KI-gesteuerten Killerroboter.

Mysteriöse Morde seit 2011

Die in Abu Dhabi beheimatete Zeitung „The National“ datiert die mysteriösen Morde im Iran bis 2011 zurück.

„Vor ein paar Jahren sagte ein ehemaliger iranischer Geheimdienstminister, dass kein Beamter nachts ruhig schlafen oder sich sicher fühlen sollte, wenn man bedenkt, wie löchrig der Staat ist“, zitiert „The National“ einen Vertreter der Washingtoner Foundation for the Defence of Democracies (FDD; die Plattform Misbar weist darauf hin, dass FDD-Informationen kritisch betrachtet werden sollten).

Die Ermordung von Ismail Haniyeh auf iranischem Boden am Tag der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten zeigt nicht nur die großen Sicherheitslücken innerhalb der Revolutionsgarde. Es war gleichzeitig eine demütigende Ansage an Teheran. Zudem wurde Fuad Schukr, ein wichtiger Hisbollah-Befehlshaber, nur wenige Stunden vor Haniyeh bei einem israelischen Luftangriff auf ein Gebäude in Beirut, Libanon, getötet.

Am 12. August 2024 auf dem Valiasr-Platz: Die riesige Werbetafel zeigt den iranischen Präsidenten Massud Peseschkian (r) und den getöteten Hamas-Führer Ismail Haniyeh (l). Foto: Atta Kenare/AFP via Getty Images

Warum zögert der Iran mit Vergeltung?

Der iranische Religionsführer hatte Israel umgehend mit Vergeltung gedroht. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass eine iranische Antwort bis jetzt ausgeblieben ist.

Avi Melamed, ein ehemaliger israelischer Geheimdienstmitarbeiter, der während der ersten und zweiten Intifada als Unterhändler mit der Hamas fungierte, sieht dafür mehrere Faktoren. Es sei die Kombination aus intensivem internationalem diplomatischem Druck, Israels entschlossener Haltung zu Vergeltungsmaßnahmen sowie der Möglichkeit eines Waffenstillstands im Gazastreifen. Dies könnte „den Iran und die Hisbollah zu einer Deeskalation veranlassen, die es ihnen ermöglicht, einem regionalen Krieg auszuweichen und gleichzeitig ihre Glaubwürdigkeit bei ihrer Basis sowie ihre Abschreckung in der Region zu wahren“, analysiert Melamed.

Internationaler Druck

Es haben zahlreiche Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien, versucht, auf die neue iranische Regierung einzuwirken und einen Vergeltungsschlag zu verhindern. Ein Pressesprecher des iranischen Außenministeriums bezeichnete diese Bitten als „unverschämte Forderungen“, die nicht nur der politischen Logik entbehrten, sondern auch gegen internationale Gesetze und Grundsätze verstießen, meldet die iranische Plattform „The Iran Project“.

Der in London basierte Nachrichtensender „Iran International“ (der laut Wikipedia von Irans Opponent Saudi-Arabien finanziert wird) berichtet von einem Telefonat zwischen dem iranischen Präsidenten Massud Peseschkian und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Ersterer soll Israel dabei vorgeworfen haben, mit seinen „kriminellen und terroristischen Aktionen im Gazastreifen und der Ermordung von Ismail Haniyeh“ den Konflikt anzuheizen, so der Sender.

Peseschkian habe die USA und die westlichen Länder dafür kritisiert, dass sie „diese Aktionen unterstützen, anstatt sie zu verurteilen“, und er erklärte, der Westen leiste „Beihilfe zu Verbrechen, Völkermord und Terrorismus“.

Waffenstillstand in Sicht?

Laut „Iran International“ rief Peseschkian zu einem Waffenstillstand auf und betonte, dass sein Land dem Frieden und der Verteidigung seiner Interessen nach internationalem Recht verpflichtet sei.

Die Zeitung „The Times of Israel“ meldet unterdessen mit Bezug auf hochrangige iranische Sicherheitsbeamte, dass der Iran zusammen mit Verbündeten wie der libanesischen Hisbollah-Miliz einen direkten Angriff starten würde, wenn die Gespräche über einen Waffenstillstand und eine Geiselbefreiung scheitern. Gleiches gelte, falls Israel die Verhandlungen in die Länge zöge.

Die Gespräche haben am Donnerstagnachmittag in der katarischen Hauptstadt Doha begonnen. Vermittler aus den USA, Katar und Ägypten trafen mit einer israelischen Delegation zusammen. Die Hamas war nicht gewillt, daran teilzunehmen. Doch es bestehe laut Al-Jazeera die Bereitschaft, sich nach den Gesprächen zu treffen, um festzustellen, ob die Israelis es mit den Waffenstillstandsvorschlägen ernst meinten.

Der britische Außenminister David Lammy, der dem „Guardian“ zufolge eine Reise nach Israel plane, sagte in einer Erklärung:

Wir befinden uns in einem entscheidenden Moment für die globale Stabilität. Die kommenden Stunden und Tage könnten die Zukunft des Nahen Ostens bestimmen.“

Und weiter: „Ein Waffenstillstand würde nicht nur die Zivilbevölkerung in Gaza schützen, sondern auch den Weg für eine breitere Deeskalation ebnen und die dringend benötigte Stabilität ermöglichen.“



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