Beständig unbeständig: Friedrich Merz und die ewige Brandmauer

Zunächst war die Brandmauer gegen die AfD betoniert. Dann nahm Friedrich Merz einen Stein in Richtung Kommunalpolitik heraus, um ihn nach erstem Gegenwind zurückzuschieben. Anschließend sitzt er bei Caren Miosga und meint: „Die Nazikeule bringt uns nicht weiter“. Eine analytische Baustellenbesichtigung.
Titelbild
Caren Miosga und Friedrich Merz am 21.01.2024Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 23. Januar 2024

Als die Städte immer dichter bebaut wurden, stieg auch die Gefahr von Flächenbränden. Zwischen Neubauten, die Wand an Wand entstanden, wurden Brandwände bzw. Brandmauern gezogen, die ein Übergreifen der Flammen von einem zum anderen Gebäudeteil wenigstens erschweren sollten.

Seit dem Wiedereinzug der AfD in den 20. Deutschen Bundestag wird der Begriff ‚Brandmauer‘ als Metapher benutzt, um eine Zusammenarbeit mit der Partei kategorisch auszuschließen, im Sinne einer „Brandmauer gegen rechts“.

Die Urheberschaft der Brandmauer-Forderung gegenüber der AfD wird mit Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) verbunden. Er hatte sie Ende Dezember 2021 gegen die AfD ausgesprochen, die selbst eine Legislatur lang Oppositionsführer war. Die „Welt“ titelte zu einem Foto von Merz: „Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben.“

Die Schlagzeile der „Welt“ hat es auch sprachlich in sich. Denn dieser Satzaufbau wird ansonsten oft genutzt, um etwas auszuschließen. Bundeskanzlerin Merkel beispielsweise sagte einmal: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“ und Bundesgesundheitsminister Lauterbach meinte Mitte 2023: „Mit mir wird es keine Leistungskürzungen geben.“

Von „eine“ zu „keine“ ist auch eine k-Frage

Beim Zitat von Merz schwingt das semantisch mit. Von „eine“ zu „keine“ ist kein langer Weg. Von hier aus ist der Weg hin zum Ulbricht-Zitat, dass niemand vorhabe, eine Mauer zu bauen, nicht mehr weit entfernt.

Was hatte Merz konkret zur Brandmauer geäußert? Mit Blick auf die ostdeutschen Landesverbände hatte der CDU-Parteichef eine, wie er es nannte, „glasklare Ansage“ gemacht: Wer mit der AfD kooperiert, dem drohe ein Parteiausschlussverfahren. Im gleichen Atemzug hatte Merz erklärt (die Ampel hatte gerade ihre Arbeit aufgenommen), dass er die frühere Kanzlerin Angela Merkel in die CDU mit einbinden wolle.

Von der Kanzlerin ist allerdings bis heute weit und breit nichts zu sehen. Friedrich Merz wurde von Merkel nicht einmal zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes der höchsten Kategorie eingeladen. In jüngster Zeit hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erneut eine Einbindung Merkels versucht, aber auch hier kam erneut kein zustimmendes Echo der Kanzlerin.

Der Begriff „Brandmauer“ gegen die AfD wird nicht mit der Regierungszeit von Angela Merkel verbunden. In die letzte von vier Amtszeiten fällt allerdings ein herausragendes Ereignis, das man als Brandmauer gegen die AfD bezeichnen kann, als sich Merkel von einem Staatsbesuch in Südafrika aus empört zeigte über die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten mithilfe der AfD. Dieser Vorgang sei, so Merkel, „unverzeihlich“, das Ergebnis müsse für die CDU rückgängig gemacht werden. Und es wurde rückgängig gemacht.

Eine glasklare Ansage – eine brüchige Mauer

War Merz in den vergangenen zwei Jahren mit seiner Brandmauer erfolgreicher als mit der missglückten Einbindung von Merkel in die CDU? Ende 2021 sagte er gegenüber dem Spiegel:

„Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.“

Im ersten von zwei Sommerinterviews im ZDF, Mitte 2023, irritierte Friedrich Merz seine Partei und die berichtenden Medien mit einer überraschenden Annäherung an die AfD – mit einer Durchlässigkeit der Brandmauer – als der CDU-Parteichef „eine Kooperation mit der AfD auf Kommunalebene“ mit einem Mal nicht mehr ausschloss.

Merz betonte damals, Kommunalpolitik sei etwas anderes als Landes- und Bundespolitik. Auf der Kommunalebene sei die demokratische Wahl von AfD-Amtsträgern zu akzeptieren. Und wenn ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, müsse in den Kommunalparlamenten „nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet“.

Nach anhaltenden Protesten auch aus der eigenen Partei nutzte Merz die Plattform Twitter für eine Stellungnahme in eigener Sache:

„Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.“

Die „Zeit“ kommentiert diese Kehrtwende so: Äußerungen von Merz am Tag zuvor im ZDF-Sommerinterview waren anders interpretiert worden.

Die Nazikeule aus der Brandmauer ziehen

Jetzt, ein halbes Jahr später, sitzt Friedrich Merz in der neuen Sonntagabend-Talkshow mit Caren Miosga und wieder geht es um den Umgang mit der AfD. Zu den Demonstrationen gegen die AfD, die am Wochenende in vielen deutschen Städten stattgefunden hatten, sagt Merz:

„Ich finde, das ist ein äußerst ermutigendes Zeichen einer lebendigen Demokratie, dass so viele für den Erhalt unserer Demokratie demonstrieren.“

Merz warnt in dem Zusammenhang vor Nazis in der AfD, relativiert sich allerdings wieder:

„Wir dürfen aber nicht die Wähler beschimpfen. Die Nazikeule bringt uns nicht weiter, wenn wir das Problem lösen wollen.“

Der Unterschied zwischen einer Nazikeule und der Brandmauer wird von Caren Miosga nicht abgefragt. Merz äußert stattdessen einen Wunsch: „Wenn jeder Zehnte von denen, die demonstrieren, morgen in eine politische Partei eintritt, wäre viel geholfen.“ Deutschland brauche mehr Engagement, so Merz.

Als die Medien in Gestalt von Anne Hähnig am Talkshow-Tisch Platz nehmen, wird das Thema ‚Brandmauer‘ noch einmal an Merz herangetragen: „Ihre Partei ist, was die Brandmauer betrifft, ziemlich schwammig unterwegs“, stichelt die Journalistin der „Zeit“. Laut „news.de“ reagierte Merz darauf „ungehalten“.

Fast schon in Vergessenheit geraten ist hier eine Diskussion um eine Brandmauer auf der gegenüberliegenden Seite des Konrad-Adenauer-Hauses: Mauern wollte sie der Chef der Jungen Union Anfang August, als Johannes Winkel gegenüber der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft meinte:

„Wenn es eine Brandmauer gegen eine Politik geben soll, die Putin hofiert und Austritte aus EU und NATO forciert, dann gilt das sowohl für die AfD als auch für die Linkspartei.“



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