Ausweisung von Terrorunterstützern: Wie effektiv ist der neue Gesetzentwurf?

Die Bundesregierung hat am Mittwoch die Verschärfung des Ausweisungsrechts auf den Weg gebracht. Allerdings wird die Praxis am Ende zeigen müssen, wie wirkungsvoll die Gesetzesänderung ist. Zwischen der theoretischen Verschärfung und der praktischen Anwendung bestehen nach wie vor beträchtliche Hürden.
Innenminister von Bund und Ländern sind sich einig: Straftäter und islamistische «Gefährder» sollten wieder nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden.
Terrorbefürworter möchte die Bundesregierung in Zukunft schneller ausweisen.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 29. Juni 2024

Die Bundesregierung möchte das Ausweisungsrecht verschärfen. Ein entsprechender Beschluss wurde am Mittwoch auf der Kabinettssitzung beschlossen. Künftig soll aus der Billigung terroristischer Straftaten ein besonders schweres Ausweisungsinteresse folgen. Damit können Ausländer, die terroristische Straftaten billigen, begrüßen oder verherrlichen, leichter ausgewiesen und im Anschluss abgeschoben werden. 

„Wer Terror bejubelt oder verherrlicht, muss Deutschland verlassen. Islamisten ohne deutschen Pass müssen ausgewiesen und abgeschoben werden“, kommentierte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Beschluss der Regierung in einer Mitteilung. Was auf den ersten Blick wie ein großer Wurf gegen importierte Gewaltverherrlicher erscheint, entpuppt sich bei einer genauen Draufsicht in der Praxis als ausgesprochen dünn. 

Soziale Medien als „Radikalisierungsmaschine“

Dass Hass in den sozialen Netzwerken keimt, ist ein Phänomen, das Experten schon seit Längerem Sorgen bereitet. Als Ende April der Verfassungsschutzbericht für Nordrhein-Westfalen vorgestellt wurde, war er auch Thema einer Aktuellen Stunde im Landtag. Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach damals in seiner Rede von einer regelrechten „Radikalisierungsmaschine der Extremisten“, die im Gange sei. „Nicht nur auf der Straße, sondern vor allem im Netz. Und da wird es gefährlich“, so Reul.

Wie gefährlich ein solcher Weg der Radikalisierung sein kann, zeigte gerade erst das Messerattentat in Mannheim, bei dem ein junger Polizist ermordet wurde. Vor allem auf TikTok und X gab es im Nachgang viel Applaus von radikalen Islamisten für diese Tat. Unter anderem hatte kurz nach der Tat ein junger Mann auf TikTok ein Video veröffentlicht, in dem er sich über die Attacke freute. „Endlich gute Nachricht“, leitete er sein Video, was inzwischen wieder gelöscht wurde, ein. Und weiter: Er hoffe, dass der Täter „die höchste Stufe im Paradies“ bekommt. 

„Ich schwöre bei Allah, ich schicke dir Geld, mein Freund, ich schicke dir Essen, ich schick dir alles“, lobt der Mann den Täter und ruft zum Mord an allen auf, „die den Islam kritisieren“. Er ruft zur Jagd nach Ex-Muslimen auf – und nennt in diesem Zusammenhang sogar konkrete Namen.

Ein weiteres Video bei TikTok zeigte einen jungen Moslem, der den Messerangriff offenbar als gerechtfertigt ansah: „Der beleidigt meinen Propheten, beleidigt meine Geschwister, beleidigt meine Kopftuchgeschwister, beleidigt jeden einzelnen Muslim, und dann erwartet er von mir Mitleid?“ Seine Antwort darauf ist klar: „Gar nichts. Überhaupt nichts kriegt er von mir.“ Der junge Mann macht deutlich, dass er „keine Angst“ vor den Konsequenzen hat, solch gewaltverherrlichende Worte auszusprechen. „Inschallah [Anm. d. Red.: so Gott will] stirbt er.“ Dies bezog sich auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger, dem der Angriff in Mannheim galt.
Experten befürchten, dass durch solche Social-Media-Propaganda die Gefahr der Radikalisierung von Einzeltätern steigen könnte. Der Messerattentäter Sulaiman A. aus Afghanistan galt lange Zeit als gut integriert.

Im Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ warf der Co-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) daher die Frage auf: „Wie konnte er sich so radikalisieren? Woher kam sein Hass?“ Einen Teil der Antwort lieferte der Gewerkschafter dann selbst: „Die Wurzel des Übels liegt auch in den sozialen Medien, wo Gewaltvideos gezeigt und Hass und Hetze propagiert werden. Von politischer Seite müssen dringend wirksame Gegenmaßnahmen kommen.“

Mit der Verschärfung des Ausweisungsrechts möchte die Bundesregierung nun reagieren. Bundesinnenministerin Faeser betonte deshalb: 

Wer keinen deutschen Pass hat und hier terroristische Taten verherrlicht, der muss – wo immer möglich – ausgewiesen und abgeschoben werden.“

Ausweisen nicht mit Abschieben verwechseln

Der letzte Satz verdeutlicht dann aber das Problem des Vorhabens der Bundesregierung. Ausweisen sollte man nicht mit Abschieben verwechseln. Im vergangenen Jahr lebten laut „Statista“ insgesamt etwa 243.000 ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland. Eigentlich müssten diese Menschen Deutschland verlassen, da sie ausgewiesen wurden. Da aus verschiedenen Gründen eine Ausreise nicht möglich ist, haben die zuständigen Ausländerbehörden den Ausreisepflichtigen einen Duldungsstatus erteilt. Laut dem Infoportal „Mediendienst Integration“ stehen fehlende Reisedokumente als Grund dafür, dass Personen nicht abgeschoben werden können, an erster Stelle. 2023 konnten 45.566 ausreisepflichtige Ausländer genau deshalb nicht abgeschoben werden. Als zweiter Hinderungsgrund steht die ungeklärte Identität des Ausreisepflichtigen. 25.408 Menschen konnten aus diesem Grund im vergangenen Jahr nicht abgeschoben werden. 

Auf eine Kleine Anfrage der Linken teilte die Bundesregierung im Mai mit, dass im letzten Jahr insgesamt 16.430 ausreisepflichtige Personen aus Deutschland abgeschoben wurden. Das sind etwas mehr Menschen als 2022. Im Jahr 2022, so teilte die Bundesregierung im März 2023 ebenfalls auf Anfrage der Linken mit, wurden insgesamt 12.945 Menschen aus Deutschland abgeschoben. 

Die Zahlen verdeutlichen, dass das Abschieben von ausreisepflichtigen Ausländern in Deutschland nach wie vor kaum funktioniert. Wer „ausgewiesen“ wird, bleibt in der Regel trotzdem im Land. 

Asylsuchende im Verfahren sowie anerkannte Flüchtlinge genießen in Deutschland einen grundgesetzlich garantierten besonderen Schutz: Ihre Ausweisung ist nur möglich, wenn „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ vorliegen, wie bei einer potenziellen Terrorgefahr.

Hinzu kommt das für alle Ausländer geltende absolute sogenannte „Non-Refoulement-Gebot“, das sowohl in der Genfer Flüchtlingskonvention als auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Dieses Gebot besagt, dass keine Person in ein Land abgeschoben werden darf, in dem ihr Folter oder unmenschliche Behandlung droht. Wenn dies der Fall ist, besteht ein Abschiebungsverbot.

Die Bundesregierung möchte nun die Ausweisungsgründe einer potenziellen Terrorgefahr verschärfen, indem auch die Zustimmung zu einem Terrorakt zur Ausweisung führen kann. So einfach dürfte es in der Praxis aber dann doch nicht sein. Auf die Fallstricke weist Terrorexperte Hans-Jakob Schindler vom „Counter Extremism Project“ gegenüber „Ippen.Media“ hin. Für Schindler ist der Vorstoß Faesers nachvollziehbar. „Wenn eine Person in Deutschland nur einen temporären Aufenthaltsstatus hat und im Netz solche Aussagen tätigt, kann nicht erwartet werden, dass dies ohne Konsequenz hingenommen wird und die Allgemeinheit das Risiko, welches diese Person potenziell darstellt, zu tragen hat.“

Der Terrorexperte betont, dass bei Personen, die im Netz Terrorangriffe verherrlichen oder gutheißen, das Risiko höher ist, dass diese ebenfalls gewalttätig werden.  „Während diese Logik zwar grundsätzlich nachvollziehbar ist, werden jedoch in der Anwendungspraxis schwierige rechtliche Fragen zu beantworten sein“, so Schindler. 

Klagewelle statt Abschreckungswirkung?

So müsse man darauf schauen, wie weit Aussagen noch durch die Redefreiheit abgedeckt sind und wann der Punkt erreicht ist, an dem Terroranschläge befürwortet werden. „Daher stellt sich die Frage, wie praktisch anwendbar die neue Regelung ist, oder ob diese nicht zu einer potenziellen Welle von Gerichtsverfahren führen wird, ohne tatsächlich die offensichtlich intendierte Abschreckungswirkung zu entfalten“, so Schindler.

Rechtliche Herausforderungen sieht auch der Migrationsrechtler Professor Stephan Hocks von der Universität Gießen. Gegenüber „ZDFheute“ macht Hocks deutlich, dass die Frage, ob in Zukunft ein Like reicht, um ausgewiesen werden zu können, nicht so einfach zu beantworten sei. Man müsse dabei verschiedene Frage in Betracht ziehen. 

Zunächst müsse die Absicht der Person festgestellt werden, also was sie tatsächlich sagen oder tun wollte und ob ihr bewusst war, was sie damit ausdrückt. Gemäß dem neuen Kabinettsbeschluss erfüllt jeder, der eine terroristische Straftat gutheißt, die Voraussetzungen für eine Ausweisung. Dies würde auch das Liken entsprechender Inhalte einschließen. Es bleibe allerdings die Frage der Verhältnismäßigkeit, betont der Migrationsrechtler. „Das Aufenthaltsrecht möchte Menschen aus der Gesellschaft ausweisen, die eine Gefahr darstellen. Da muss man schon argumentieren, inwiefern ein Like sich irgendwo auswirkt“, so Hocks. Eine Meinungsäußerung, so „wenig wir diese auch teilen“, darf kein Fall für eine rechtliche Reaktion werden. Vielmehr gelte es in den Blick zu nehmen, inwiefern die Öffentlichkeit von diesem Post oder Like betroffen ist, diese also eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Hocks macht weiter deutlich, dass sogenannte „Hasspostings“ kein Straftatbestand sind, sondern Meinungsäußerungen, die durch das Grundgesetz geschützt sind. 

Umsetzung am Ende sehr dünn

Weiter weist der Professor darauf hin, dass es heute eine sehr „selektive Praxis“ des Ausweisungsrechts in Deutschland gebe. Das werde auch der neue Gesetzentwurf nicht ändern. 

Demnach werde in bestimmten Gebieten mehr ausgewiesen als in anderen. Hinzukomme, dass selbst im Falle einer Ausweisung nur der erste Schritt gemacht sei. Wegen humanitärer und praktischer Probleme werde „die Umsetzung sicherlich sehr dünn werden am Ende des Tages“. Es sei also nicht garantiert, dass die neue Gesetzesverschärfung wirklich zu mehr Abschiebungen führen wird.

Auch wenn die CDU grundsätzlich den Vorstoß der Bundesregierung begrüßt, kommen aus ihren Reihen schon Mahnungen zur Vorsicht. So sagte die Bundestagsabgeordnete Serap Güler im Gespräch mit der „Frankfurter Rundschau“:

Diese Verschärfungen müssen nun sauber umgesetzt werden: Internet-Beiträge sind schnell und mit wenigen Klicks verbreitet. Die Menschen müssen wissen, welches Verhalten konkret zur Abschiebung führen kann.“

Und Güler weiter:

Ich bin gespannt, ob die Verschärfungen tatsächlich so umgesetzt werden. Bisher fällt die Innenministerin vor allem mit Ankündigungen und langen Prüfverfahren auf.“

Kurz nach dem Messerangriff in Mannheim gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag eine Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage ab. Dabei sagte Scholz mit Blick auf den aus Afghanistan stammenden Täter: „Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen.“ Schaut man auf die sprachliche Feinheit, dann wird deutlich, wo das Problem liegt. Es ist ein Riesenunterschied ob so ein Täter abgeschoben gehört oder abgeschoben wird.



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