Auswanderungsland Deutschland: Warum suchen Menschen das Weite?
Geht es um „Migration“, dann drehen sich die politischen Debatten in Deutschland vor allem um Zuwanderung. Selten wird dabei auf die Abwanderung geschaut. Dabei würde sich auch ein Blick dahin lohnen.
200.000 Deutsche verlassen jährlich das Land
Deutschland scheint nicht nur unattraktiv für qualifizierte Zuwanderer aus dem Ausland zu sein, sondern unser Land hat auch ein Abwanderungsproblem. Wie der bekannte Unternehmensberater und Autor Daniel Stelter kürzlich in einem Gastbeitrag im „Handelsblatt“ schreibt, verlassen jedes Jahr rund 200.000 Deutsche das Land. Stelter beruft sich hier auf Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Demnach leben heute gut fünf Prozent der Deutschen im Ausland. Unter den OECD-Staaten belegt Deutschland beim Thema Auswanderung damit den dritten Platz. Davor rangieren nur noch Polen und als Spitzenreiter Großbritannien.
2018 hat die FAZ recherchiert, was die beliebten Länder für ausgewanderte Deutsche sind. Die Werte bezogen sich damals auf die letzten zehn Jahre. Spitzenreiter bei der Auswanderung war demnach die Schweiz mit 200.000 deutschen Zuwanderern. Dahinter kamen die USA (127.000), Österreich (108.000) und Großbritannien (82.000).
Vor allem hochqualifizierte Fachkräfte gehen
Die Zahlen wiegen schwerer, wenn man einmal darauf schaut, wer das Land verlässt. In der Mehrheit gehen hochqualifizierte Fachkräfte: Fast drei Viertel von ihnen haben ein Studium abgeschlossen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB). Die meisten Auswanderer nannten finanzielle Aspekte als Grund für ihre Abwanderung.
Nahezu alle Bundesländer sind von der Fachkräfteflucht betroffen. Lediglich Niedersachsen konnte mehr Rückkehrer als Auswanderer verbuchen. Das belegt eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes (Destatis), die die Zahlen 2021 ausgewertet hat:
Besonders hoch sind die Verluste in Bayern und Baden-Württemberg, was durchaus mit der Grenznähe zu Österreich und der Schweiz zusammenhängen könnte.
13 Millionen Ausländer ausgewandert
Die Abwanderung aus Deutschland ist aber nicht nur ein Phänomen, das alleine Deutsche betrifft. Ende des vergangenen Jahres veröffentlichten das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und das SOKO Institut für Sozialforschung und Kommunikation eine Studie. Im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit beleuchtet die Studie, welche ausländischen Erwerbstätigen vermehrt abwandern, und analysiert die Gründe hierfür.
Immer wieder kann man in der öffentlichen Diskussion hören, dass ausländische Menschen unser Land verlassen, weil sie übermäßige Rassismuserfahrungen machen. Die Studie untermauert diese These nicht.
Laut SOKO und IAW seien zwischen den Jahren 2000 und 2020 über 18 Millionen Ausländer nach Deutschland eingewandert. Gleichzeitig seien 13 Millionen Ausländer im gleichen Zeitraum wieder ausgewandert. Berücksichtigt hat die Studie dabei nicht die Fluchtmigration, die ausgeklammert wird.
Für die Studie wurden 2.000 Abgewanderte aus zehn wichtigen Herkunftsländern der Fachkräftezuwanderung nach der Abwanderung über die sozialen Medien kontaktiert und anschließend mit einem Fragebogen befragt.
Mangelnde soziale Integration ein häufiger Grund
Die Gründe für die Auswanderung sind vielfältig und reichen von beruflichen Aspekten bis hin zu aufenthaltsrechtlichen und sozialen Integrationsproblemen. Etwa ein Viertel der befragten Personen gab an, Deutschland aus beruflichen Gründen verlassen zu haben, darunter Arbeitslosigkeit, mangelnde passende Beschäftigungsmöglichkeiten und die Nichtanerkennung beruflicher Qualifikationen. Ein weiteres Viertel der Abwanderungen wurde mit aufenthaltsrechtlichen Aspekten begründet.
Die mangelnde soziale Integration wurde ebenfalls häufig als Grund genannt, während wirtschaftliche oder familiäre Gründe seltener vorkommen. Die Studie verweist an dieser Stelle darauf, dass die Entscheidung, Deutschland zu verlassen, in vielen Fällen eine Kombination verschiedener struktureller und individueller Faktoren sei.
Die Dauer des Aufenthalts in Deutschland bis zur Abwanderung variiert je nach Gruppe der Zugewanderten erheblich. Personen, die unter die EU-Freizügigkeitsregeln fallen, bleiben im Durchschnitt etwa 2,4 Jahre kürzer als andere.
Innerhalb der verschiedenen Qualifikationsgruppen haben Beschäftigte im Helfersegment die kürzeste Aufenthaltsdauer, wobei ihre Aufenthaltszeit im Durchschnitt um 1,8 Jahre kürzer ist als die von Hochqualifizierten.
Erwerb eines Bildungsabschlusses führt zu längerem Aufenthalt
Der Erwerb eines Bildungsabschlusses in Deutschland führt zu einer Verlängerung des Aufenthalts um durchschnittlich 2,8 Jahre. Allerdings folgt nach Abschluss der Ausbildung oder des Studiums häufig kein langfristiger Verbleib in Deutschland. Zudem kehren Personen, die aufgrund eines konkreten Stellenangebots nach Deutschland gekommen sind, oft schneller wieder in ihre Heimatländer zurück. Einige Rückwanderungen sind daher von Anfang an als befristete Auslandseinsätze geplant.
Von den Befragten arbeiten 36 Prozent in Helfertätigkeiten, insgesamt 27 Prozent waren nach eigenen Angaben überqualifiziert. Kennzeichnend für die Beschäftigungsverhältnisse dieser Gruppe sind oft prekäre Arbeitsbedingungen und lange Arbeitszeiten. Dies erschwert eine Integration in Deutschland und ist einer der Faktoren, die laut Studie eine Abwanderung nach relativ kurzem Aufenthalt verursachen können.
Trotz der Abwanderung besteht bei vielen Ausgewanderten nach wie vor der Wunsch, in Deutschland zu leben. Tatsächlich ergab die Auswertung der Befragung, dass fast zwei Drittel der Befragten bereit wären, nach Deutschland zurückzukehren.
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