Alterspräsident Treutler legt Stellungnahme vor – Verfassungsgerichtshof muss reagieren

Jürgen Treutler (AfD), der sitzungsleitende Alterspräsident im Thüringer Landtag, hat seine Rechtsauffassung zur konstituierenden Sitzung fristgemäß beim Landesverfassungsgerichtshof in Weimar eingereicht. Nun heißt es ein paar Stunden Warten.
Jürgen Treutler (AfD), Alterspräsident des Landtags in Erfurt, unterbrach die erste Sitzung.
Jürgen Treutler (AfD), der Alterspräsident des Landtags in Erfurt, brach die Konstituierende Sitzung am 26. September 2024 entnervt ab.Foto: Bodo Schackow/dpa
Von 27. September 2024

Der Alterspräsident des Thüringer Landtags, Jürgen Treutler (AfD), hat seine Stellungnahme über sein Rechtsverständnis zum Ablauf einer Konstituierenden Sitzung am Vormittag fristgemäß beim Landesverfassungsgerichtshof in Weimar eingereicht.

Zugleich beantragte er, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ihn „als unzulässig zu verwerfen“. Dieser Antrag war am Abend des 26. September 2024 von der CDU-Fraktion im Landtag Erfurt eingereicht worden.

CDU will Geschäftsordnung vor Wahl des Landtagspräsidenten ändern lassen

Die übrigen drei Antragspunkte sollen letztlich dafür sorgen, Rechtsklarheit über das korrekte Prozedere der Konstituierenden Landtagssitzung herzustellen. Der CDU-Antrag an das Landesverfassungsgericht liegt der Epoch Times nicht vor.

Die CDU-Fraktion und ihr Co-Antragsteller, der Parlamentarische Geschäftsführer Andreas Bühl, wollen außerdem erreichen, dass Treutler in seiner Funktion als sitzungsleitender Alterspräsident verpflichtet wird, „die Anträge der Fraktionen der CDU und des BSW zur Änderung der Geschäftsordnung (betreffend das Vorschlagsrecht für die Wahl des Landtagspräsidenten für alle Fraktionen schon ab dem 1. Wahlgang) zur Abstimmung zu stellen“, wie der Landesverfassungsgerichtshof in Weimar bereits in einer Presseerklärung mitgeteilt hatte.

Entscheidung soll bis zum Abend fallen

Der Gerichtshof will seine Entscheidung spätestens bis zum Freitagabend, 27. September, auf seiner Website veröffentlichen, damit die Konstituierende Sitzung am Samstagmorgen im Lichte seiner juristischen Expertise fortgesetzt werden kann.

Der Gerichtshof hatte Treutler am Donnerstag nach der unterbrochenen Sitzung zur Abgabe einer Stellungnahme bis Freitagmittag, 12:00 Uhr aufgefordert.

In seinem 39-seitigen Schriftsatz (PDF) bezeichnete Treutler die „Sachverhaltsdarstellung“ seiner gegnerischen Antragsteller als „in mehrfacher Hinsicht gröblich falsch und irreführend“.

Die AfD-Fraktion habe die einzige Stimme im Parlament dargestellt, die für den Sitzungsablauf „eng am Wortlaut der Geschäftsordnung argumentiert“ habe, „während die anderen Fraktionen nur sehr allgemein und unspezifisch“ geblieben seien, als er sie um ihre Rechtsauffassung gebeten habe (Video ab ca. 3:48:50 h auf YouTube).

Kritik an Landtagsdirektor Hopfe

Treutler verwies außerdem auf die Tatsache, dass er schon kurz nach Beginn der Sitzung im späteren Verlauf immer wieder unterbrochen worden sei – unter anderen vom gegnerischen Co-Antragsteller, CDU-Parlamentsgeschäftsführer Andreas Bühl.

Der 73-Jährige kritisierte auch den Landtagsdirektor Jörg Hopfe dafür, dass dieser trotz gegenteiligen Bittens nicht nur sämtliche Mikrofone die ganze Zeit über offen gelassen habe, sondern auch noch selbst ins Mikrofon „geplärrt“ habe.

Er könne sich nicht vorstellen, dass das, „was über mehr als 30 Jahre unterschiedslos praktiziert wurde“, „nun unter Vorsitz eines Altpräsidenten aus der AfD-Fraktion plötzlich alles rechtswidrig“ sein solle, schrieb der 73-Jährige.

Geschäftsordnung des Landtags

In den folgenden Seiten seiner Stellungnahme nahm Treutler ausführlich Stellung zu dem gegnerischen Antrag, aber auch zu den Änderungsanträgen zur Geschäftsordnung des Landtags und sonstigen Einlassungen, die am Vortag vonseiten der übrigen Fraktionen immer wieder unaufgefordert auf den Alterspräsidenten hinab geprasselt waren, ohne dass dieser überhaupt das Wort erteilt hätte.

Der noch vor Treutlers Begrüßungsrede geäußerte Antrag des CDU-Abgeordneten Bühl, sofort die Beschlussfähigkeit des Landtags feststellen zu lassen, sei „bereits ohnehin Gegenstand der Tagesordnung“ gewesen, nämlich Punkt 3. Punkt 2 der Tagesordnung wäre im Einklang mit der Landtagsgeschäftsordnung (PDF) die Ernennung von vorläufigen Schriftführern gewesen.

Ständige Unterbrechungen „überhaupt nicht nachvollziehbar“

Genau diesen Ablauf habe er nach Tagesordnungspunkt 1, der Vollendung seiner Begrüßungsrede, einhalten wollen, argumentierte Treutler. Bevor er aber Tagesordnungspunkt 2 vollständig habe ausformulieren können, sei „ihm erneut der Antragsgegner zu 2. eigenmächtig und rechtswidrig“ ins Wort gefallen und habe „auf Abstimmung seines Geschäftsordnungsantrages“ bestanden.

Der Landtagspräsident hat sich nie geweigert, den Tagesordnungspunkt 3, wie in der Tagesordnung vorgesehen, abzuarbeiten. Somit sind die Antragsteller auch nicht in ihren Rechten verletzt.“

Für ihn sei „das Verhalten der Antragsteller schlechterdings überhaupt nicht nachvollziehbar“, erklärte der Alterspräsident:

Nur wenige Sekunden, in denen die Antragsteller Störungen hätten unterlassen müssen, trennten sie an dieser Stelle von der Erreichung ihres Ziels, dass Schriftführer berufen werden und die Beschlussfähigkeit des Landtags festgestellt wird. Das gesamte Verhalten der Antragstellerseite ist somit als rechtsmissbräuchlich zu bewerten.“

30 Seiten voller juristischer Quellen

Auf den folgenden rund 30 Seiten verfolgt Treutler das Ziel, auch die übrigen in der CDU-Antragsschrift an den Verfassungsgerichtshof vorgebrachten Streitpunkte zu entkräften. So halte er es als Alterspräsident beispielsweise für verfassungswidrig, dass die Antragsteller dem Antragsgegner, also ihm selbst, Verhaltenspflichten auferlegen wollten.

Seine Argumente gegen die Rechtsauffassung der gegnerischen Seite untermauerte Treutler stets mit entsprechenden Verweisen auf das Thüringer Verfassungsgerichtshofgesetz (ThürVerfGHG), auf das Thüringer Geschäftsordnungsgesetz (ThürGOG), auf Texte aus juristischen Fachbüchern oder auf Beschlüsse anderer Verfassungsgerichtshöfe – bis hin zum Bundesverfassungsgericht.

Herrscht bis Samstag endlich Rechtsklarheit?

Um zu einer Entscheidung zu kommen, will der Thüringer Landesgerichtshof die Nachmittagsstunden des 27. September nutzen. Noch am selben Tag soll eine Pressemitteilung über den Ausgang erscheinen. Somit können die 88 Landtagsabgeordneten am Samstagmorgen ab 9:30 Uhr einen neuen Anlauf nehmen, die Konstituierende Sitzung des Landtags über die Bühne zu bekommen – dann unter Beachtung der rechtlichen Perspektive ihres eigenen Verfassungsgerichtshofs.

Brisant bleibt die Frage, wie die Wahl des Landtagspräsidenten ablaufen wird. Denn dieser wird gebraucht, damit der Landtag überhaupt handlungsfähig ist. Da die AfD mit 32 Sitzen die stärkste Fraktion im Landtag stellt, gebührt ihr auch das Recht, einen Kandidaten aus ihren Reihen vorzuschlagen. Die Wahl war AfD-intern auf Wiebke Muhsal gefallen. Die CDU will Thadäus König ins Rennen schicken.

Die Fraktionen von CDU, BSW, Linke und SPD hatten bereits angekündigt, niemals einen Vertreter der AfD zum Landtagspräsidenten zu wählen – jeder parlamentarisch-demokratischen Tradition zum Trotz. Sie streben deshalb eine Änderung der Landtagsgeschäftsordnung an, damit nicht nur die AfD, sondern sämtliche Fraktionen schon im ersten Wahlgang ihre Kandidaten vorschlagen dürfen. Das Problem: Derartige Geschäftsordnungsänderungsanträge können normalerweise erst gestellt werden, wenn der Landtag handlungsfähig ist. Und das setzt die vollendete Wahl eines Landtagspräsidenten voraus.

Es bleibt also spannend im Erfurter Landtag.



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