Aiwangers Vision: Habeck nach Bundestagswahl 2025 ablösen
Wahlkampfgetöse oder echter Wille zur politischen Veränderung in Deutschland? Hubert Aiwanger, der bayerische Landeschef und Bundesvorsitzende der Freien Wähler, denkt mitten in der Hochphase des Landtagswahlkampfs offenbar schon über die Bundestagswahl 2025 nach.
Nach Informationen der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) könnte sich der aktuelle Stellvertreter von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in zwei Jahren einen Wechsel nach Berlin vorstellen. Das gehe aus einem Gespräch Aiwangers mit dem Zeitungsverbund „Mediengruppe Bayern“ hervor.
Aiwanger: „Ohne Grüne“
Mit den Worten „Die Freien Wähler müssen dringend 2025 in den Bundestag und eine bürgerliche Koalition aus Union, Freien Wählern und FDP bilden. Ohne Grüne“, skizzierte Aiwanger sein Ziel für Deutschland. Ihm selbst schwebe dabei die Position des Nachfolgers von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor. „Wenn ich in Berlin mehr für Bayern bewegen kann als von München aus, würde ich auch nach Berlin gehen“, äußerte Aiwanger unter anderem in der „Passauer Neuen Presse“ (Bezahlschranke). Bis dahin aber wolle er weiter Mitglied der Bayerischen Staatsregierung bleiben.
Aktuellen Umfragen zufolge bedeutet Aiwangers Vorstoß reines Wunschdenken. Die Union steht nach den Ergebnissen der jüngsten „Sonntagsfragen“ der Meinungsforschungsinstitute GMS, Forsa und INSA irgendwo zwischen 26,5 und 27 Prozent in der Wählergunst. Ob die CSU als Teil der Union die Fünf-Prozent-Hürde im Herbst 2025 überhaupt überspringen kann, ist derzeit ebenso unklar wie ein Einzug von CSU-Abgeordneten in den Bundestag. Nach der Wahlrechtsreform vom März wird die CSU nun nämlich als eigene Partei unabhängig von der großen Schwesterpartei CDU betrachtet.
Die FDP ist mit aktuell sechs Prozent nur knapp von einem Ausscheiden aus dem Bundestag entfernt. Die Freien Wähler selbst könnten laut INSA bundesweit aktuell 3,5 Prozent der Wähler für sich begeistern. Stand jetzt würde es also rechnerisch auf keinen Fall für Aiwangers Vision reichen.
Aiwanger wird wohl nicht gegen SZ oder Lehrer klagen
Spekulationen, nach denen der bayerische Wirtschaftsminister juristisch gegen die „Süddeutsche Zeitung“ oder gegen den pensionierten Lehrer zu Felde ziehen könnte, der ihn vor wenigen Wochen in der „Flugblatt-Affäre“ an den Pranger gestellt hatte, erteilte Aiwanger eine mehr oder weniger deutliche Absage:
Am liebsten würde ich mich auf meine politische Arbeit konzentrieren, statt einen jahrelangen Rechtsstreit vom Zaun zu brechen, was mich Geld und Zeit kostet. Das gilt auch für den SPD-nahen Lehrer im fortgeschrittenen Alter, der die ganze Geschichte wohl initiiert hat. Ich habe da kein großes persönliches Bedürfnis, mich hier juristisch an dem Mann abzuarbeiten. Wir haben so viele Zukunftsaufgaben zu erledigen“.
Allerdings sei er „noch zu keiner endgültigen Entscheidung gekommen in der Abwägung zwischen Aufwand und Nutzen“ entsprechender Klagen, erläuterte Aiwanger.
Vor wenigen Wochen hatte er sich noch rechtliche Schritte gegen die „Verdachtsberichterstattung mit überwiegend anonymen Aussagen und dem Weglassen entlastender Inhalte“ vorbehalten. Damals sagte der Politiker, er gehe zugleich auch von einem „massiven Verstoß gegen das bayerische Dienstrecht“ aus.
„Flugblatt-Affäre“ setzte Aiwanger unter Druck
Hubert Aiwanger war vor gut drei Wochen ins Fadenkreuz vieler Medien geraten, allen voran der „Süddeutschen Zeitung“ (Bezahlschranke), weil er als Gymnasiast in den 1980er-Jahren ein Flugblatt in seiner Schultasche mit sich geführt hatte, welches sich auf geschmacklose Weise mit der NS-Zeit beschäftigt hatte. Kurz nach den ersten Presseberichten dazu hatte sich Aiwangers älterer Bruder Helmut als Urheber des Pamphlets zu erkennen gegeben.
Dennoch verlangte Ministerpräsident Söder von seinem Vize die schriftliche Beantwortung von 25 Fragen zu seiner damaligen und heutigen Gesinnung. Nachdem Aiwanger die Fragen Anfang September beantwortet und sich erneut von dem „ekelhaft[en] und menschenverachtend[en]“ Schriftstück distanziert hatte, verzichtete Söder auf die Entlassung seines Landeswirtschaftsministers, wie sie unter anderem von großen Teilen der Konkurrenzparteien gefordert worden war. „Aus meiner Sicht ist die Sache abgeschlossen“, erklärte Söder.
Sollte es sich bei der „Flugblatt-Affäre“ um eine gezielte Kampagne gehandelt haben, die Aiwangers Partei zugunsten von SPD, Grünen oder auch der CSU schwächen sollte, dann ist der Schuss wohl nach hinten losgegangen: Schon kurz nach Söders Erklärung legten die Freien Wähler in den Umfragen zur Landtagswahl deutlich zu. In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt.
Der gewichtete Durchschnitt aus jüngsten Umfragen weist für die „Freien Wähler“ in Bayern mit Stand 19. September mehr als 15 Prozent aus. Eine der jüngsten Erhebungen des Instituts GMS für „Sat.1“ sieht sie sogar bei 17 Prozent. Bei der Landtagswahl vom Oktober 2018 hatten die Freien Wähler 11,6 Prozent der Stimmen hinter sich vereint. Söders CSU musste dagegen leichte Verluste hinnehmen: Der bayerische Seriensieger steht nur noch bei 36,9 Prozent und damit 0,3 Prozentpunkte niedriger als im Oktober 2018.
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