Aiwanger begeistert wütende Bürger: „Demokratie wieder zurückholen“

CSU, FDP und vor allem die „Freien Wähler“ haben die Großdemonstration von Erding gegen die Heizungspläne der Ampel für den Wahlkampf genutzt. Söder wurde ausgebuht, doch Hubert Aiwanger begeisterte die wütenden Bürger. Die AfD war zuvor von Mitorganisatorin Monika Gruber ausgeladen worden.
Hubert Aiwanger, Wirtschaftsminister und Landesvorsitzender der Freien Wähler in Bayern, spricht bei einer Demonstration gegen die Klima-Politik der Ampelregierung.
Hubert Aiwanger, Wirtschaftsminister und Landesvorsitzender der Freien Wähler in Bayern, wendete sich am 10. Juni in Erding mit deutlichen Worten gegen die Klima-Politik der Ampelregierung.Foto: Matthias Balk/dpa
Von 13. Juni 2023

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Ursprünglich wollte der Erdinger Optikermeister Franz Widmann lediglich seinem Ärger über die Heizungspläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Ausdruck verleihen. Doch dann erklärte sich die Kabarettistin Monika Gruber solidarisch mit ihm, und am Samstag, 10. Juni, standen verschiedenen Quellen zufolge schließlich 13.000 Menschen auf dem Erdinger Volksfestplatz, um gegen die „Wärmewende“-Politik der rot-grün-gelben Bundesregierung zu protestieren.

Das Klima-Narrativ infrage zu stellen, war tabu, dafür aber gab’s verbale Watschn von Gruber (Video auf YouTube), Regierungskritik von Mittelstandfunktionären und vor allem Wahlkampfgetöse satt. In Bayern wird am 8. Oktober 2023 ein neuer Landtag gewählt.

Die AfD war nach Angaben der „FAZ“ kurzfristig von Mitorganisatorin Gruber ausgeladen worden, durfte ihren Standpunkt lediglich abseits der Festwiese auf einer eigenen kleinen Bühne präsentieren. Für das Rederecht Hubert Aiwangers („Freie Wähler“), Martin Hagens (FDP) und vor allem Markus Söders (CSU) auf der großen Bühne hatte sich Gruber aber vehement eingesetzt und „Respekt“ für ihn eingefordert.

Während Söders Auftritt auch eingedenk seiner Corona-Politik längst nicht von allen Demonstrationsteilnehmern goutiert wurde (Sprechchöre: „Hau ab, Hau ab!“ – Söder: „Haut selber ab!“, Video auf YouTube) und auch FDP-Landeschef Hagen die Buhrufe der Menge kaum zum Verstummen bringen konnte, gelang es Landeswirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den „Freien Wählern“, als letzter Redner des Tages zu punkten.

Aiwanger: „Demokratie wieder zurückholen“

Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Aiwanger fand nach Angaben des „Münchner Merkur“ klare Worte gegen die „Narren“ der „grün-dominierten Ampel“ in Berlin, die Deutschland „spalten“ und „gegen die Wand“ fahren würden. Es werde Zeit, dass sich die Bundesregierung „endlich an die Seite der normalen Bevölkerung“ stelle, zitiert ihn der „Bayerische Rundfunk“.

Die Menschen bräuchten eine ordentliche Entlohnung, weniger Steuern und keine „Enteignung durch die Hintertür“, die das geplante Heizungsgesetz Habecks letztlich bedeute. Es handele sich um „Wahnsinn“, das Gesetz müsse „in die Tonne getreten“ werden. Er sei zuversichtlich, dass dies gelinge: In Erding sei „der Stein ins Rollen“ gebracht worden. Die „Mitte der Gesellschaft“ werde nun die „Berliner Chaoten“ vor sich hertreiben.

Aiwangers Meinung nach hätten die Grünen nicht den Wunsch, das Klima zu retten, sondern Eigentum und Wohlstand zu zerstören. Die Erbschaftssteuer müsse verschwinden, und auch von „Gender-Gaga, Klima-Klebern oder dem Verbot, ‚Mama und Papa’ zu sagen“, habe er „die Nase voll“, rief Aiwanger unter tosendem Applaus.

Mit Sätzen wie „Wenn diese Berliner Regierung nur einen Funken Anstand hätte, würde sie nicht nur das Gesetz zurückziehen, sondern auch selber zurücktreten!“ oder „Jetzt ist der Punkt erreicht, wo die große schweigende Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss und denen in Berlin sagt: Ihr habt’s wohl den Arsch offen da oben“, brachte Aiwanger die Wünsche vieler wütender Bürger auf den Punkt (Video auf Twitter).

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Lang befürchtet weitere Gewinne der AfD

Die Co-Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, geht offenbar nicht davon aus, dass es Aiwanger und Söder trotz ihrer markigen Worte gelingen wird, potenzielle AfD-Wähler in ihr Lager zu ziehen.

„Gestern hat Söder auf der Bühne gemerkt: Wenn Konservative und Bürgerliche das machen, dann gewinnen die am Ende gar nicht selbst, sondern dann gewinnt eigentlich das Original“, sagte Lang im „Sonntags-Stammtisch“ des Bayerischen Rundfunks (BR). Aiwangers Spruch vom Zurückholen der Demokratie sei von daher „wirklich gefährlich“. „Ich würde mir wünschen, wir kommen wieder dazu, weniger öffentlich zu streiten und mehr einfach zu arbeiten – ich glaube, das erwarten auch die Leute“, meinte Lang.

Dass Söder in Erding so viele Pfiffe und Buhrufe entgegengeschlagen waren, erinnere sie an einen Passus aus Goethes „Zauberlehrling“, sagte Lang, nämlich „Die Geister, die ich rief“. Überhaupt habe Söder bei seinen jüngsten Wahlkampfauftritten „rechte Kulturkampf-Motive“ wie „Energie-Stasi“ verwendet. Dass sich mit Martin Hagen sogar ein Mitglied des FDP-Bundesvorstands ebenfalls öffentlich gegen den Energiewendekurs der Ampel gestellt habe, habe sie „ehrlich gesagt ziemlich gewundert“, meinte Lang.

Aiwanger-Trump-Parallele

Der Münchner Stadtrat Florian Roth (Grüne) wies auf Twitter auf die Parallelen von Aiwangers Rhetorik zu jener des früheren US-Präsidenten Donald Trump hin:

 ‚The silent majority is back, and we’re going to take the country back.‘
Donald Trump, Phoenix, 2015
‚Jetzt ist endlich der Punkt erreicht, wo sich die schweigende große Mehrheit im Lande die Demokratie zurückholen muss“ Hubert Aiwanger, Erding, 2023“

Als einen „Tiefpunkt im demokratischen Diskurs“ bezeichnete der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke die Veranstaltung in Erding. Aiwanger bediene „#afd Narrative“, schrieb Radtke auf Twitter. Zudem sei das Publikum „auf Einladung einer Corona-Schwurblerin zusammengekommen“.

Auch Söder bekam unter anderem von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sein Fett weg: Der bayerische Ministerpräsident habe die „Fake News zur Heizung“ bestätigt, twitterte Lauterbach. Söder sei „Kronzeuge der Ignoranten, die ihn dann verspotten und AfD wählen“.

Söder und Aiwanger wollen Bayern weiter dominieren

Die beiden Bayern-Koalitionäre Söder und Aiwanger hatten ihre Abneigung gegen grüne Politik nicht zum ersten Mal geäußert. In den vergangenen Monaten hatten sich beide immer wieder klar abgegrenzt. Auch die AfD kommt für beide nicht als Partner infrage.

Stand 12. Juni 2023 stellt sich die Frage nach einer neuen Koalition ohnehin nicht, denn nach einer Wahlumfrage vom 6. Juni könnte es wohl auch in vier Monaten noch für ein Bündnis aus CSU und „Freien Wählern“ zur Regierungsmacht in Bayern reichen.

Die CSU liegt stabil bei über 40 Prozent, die Freien Wähler bei 11,3 Prozent und damit nur geringfügig hinter der AfD (12,0 Prozent). Die zweitstärkste Kraft in Bayern stellen derzeit die Grünen (13,8 Prozent). Die SPD erreicht in der bayerischen Wählergunst derzeit 10,3 Prozent. Die FDP wäre mit 4,8 Prozent ebenso wenig im Landtag vertreten wie die Linken (1,9 Prozent).

AfD bundesweit im Aufwind

Trotz Katzentisch in Erding ging es in den vergangenen Monaten bundesweit deutlich bergauf für die „Alternative für Deutschland“ (AfD).

Zuletzt gaben zur „Sonntagsfrage“ bei YouGov 20 Prozent der Befragten an, ihr Kreuzchen augenblicklich bei der Alternative setzen zu wollen. Der Umfrage-Rekordwert liegt zudem ein Prozentpunkt über dem der Kanzlerpartei SPD. Die Grünen kämen demnach nur noch auf 13 Prozent. Die Union musste zwar drei Prozentpunkte Federn lassen, wäre mit 28 Prozent aber noch immer stärkste Kraft in Deutschland.

Erst vor wenigen Tagen hatte CDU-Parteichef Friedrich Merz betont, dass es niemals irgendeine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde, solange er an der Parteispitze stehe. Das Thüringer CDU-Landespräsidiumsmitglied Michael Brychcy dagegen plädiert für mehr Differenzierung bei der Zusammenarbeit mit der AfD: Er selbst binde in seinem Stadtrat schon AfD-Abgeordnete bei Sachfragen mit ein.



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