AfD will Machtverlust in Ausschüssen nicht kampflos hinnehmen

Die AfD-Fraktion in Thüringen will sich juristisch gegen den Verlust ihrer Sperrminorität in den Landtagsausschüssen wehren. Sie sieht den „Grundsatz der Spiegelbildlichkeit“ verletzt: In den Ausschüssen könnte die AfD bestimmte Vorhaben der übrigen Fraktionen nicht mehr verhindern, im Plenum schon.
AfD-Parlamentsgeschäftsführer Braga schließt Kompromiss bei Landtagspräsidenten-Wahl nicht aus
Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Torben Braga, will den Verlust der AfD-Sperrminorität in Landtagsausschüssen nicht hinnehmen.Foto: Martin Schutt/dpa
Von 2. Oktober 2024

Ihre Nichtberücksichtigung bei der Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten des Thüringer Landtags hat die AfD-Fraktion im Erfurter Landtag vorerst akzeptiert. Dass die mit Abstand stärkste Fraktion nun aber auch noch ihre Sperrminorität in den Landtagsausschüssen verlieren soll, wollen sich die Blauen offenbar nicht gefallen lassen.

Torben Braga, der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, kündigte mehreren Presseberichten zufolge an, den Sachverhalt vom Landesverfassungsgerichtshof in Weimar klären zu lassen. Was war geschehen?

Ausschüsse verkleinert – zum Nachteil der AfD

Im zweiten Teil der konstituierenden Sitzung des Landtags am vergangenen Samstag, 28. September, hatten die kleineren Parteien die Landtagsgeschäftsordnung (GO) auf Antrag der Fraktionen von CDU und BSW per Mehrheitsbeschluss ändern lassen (Video ab circa 3:06:40).

Demnach sollen die Ausschüsse des Landtags künftig nur noch je zwölf Abgeordneten Platz bieten. Dies passierte, nachdem die Anti-AfD-Parteien das Zuteilungsverfahren änderten: Statt des bisherigen Höchstzahlverfahrens nach Victor d’Hondt gilt nun das Rangmaßzahlverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers. Als erstes Medium hatte die „Junge Freiheit“ darüber berichtet.

Vier Sitze im Ausschuss genügen nicht für Sperrminorität

Der AfD stehen damit nur noch je vier statt fünf Sitze in jeweils zwölfköpfigen Ausschüssen zu. Nicht genug, um die Beschlüsse der acht übrigen Ausschussmitglieder aus den anderen Fraktionen blockieren zu können. Denn dazu bedürfte es mehr als einem Drittel der Sitze.

Die AfD hätte somit momentan also keine Möglichkeit, ihre parlamentarische Stärke von mehr als einem Drittel der Sitze im Plenum (32 von 88) per Sperrminorität auch in den Ausschüssen auszuspielen.

Die Sitzverteilung im Plenum nach den Landtagswahlen 2024 in Thüringen. Foto: ts/Epoch Times

Nun soll in den Ausschüssen eine Sitzverteilung gelten, bei der die AfD und die CDU je einen Sitz einbüßen:

  • AfD: 4
  • CDU: 3
  • BSW: 2
  • Linke 2
  • SPD: 1

AfD: Mehrheitsverhältnisse aus Plenum nicht mehr widergespiegelt

Schon während der konstituierenden Sitzung hatte Braga am Rednerpult kurz vor der Abstimmung auf das Problem hingewiesen. Er bat die Abgeordneten, den „Grundsatz der Spiegelbildlichkeit zu achten“. Andernfalls sehe er die Rechte der AfD-Fraktion verletzt, da die Mehrheitsverhältnisse aus dem Plenum in den Ausschüssen nicht widergespiegelt würden.

Braga verwies darauf, dass sich auch an der Anzahl der Ausschusssitze der kleineren Fraktionen nichts ändern würde, wenn man beim alten Zuteilungsverfahren bleiben würde. Insofern würden die Rechte der kleinen Fraktionen nicht berührt.

Doch keine andere Fraktion wollte Bragas Erklärung folgen. Der Geschäftsordnungsänderungsantrag wurde mehrheitlich mit den Stimmen der CDU, des BSW, der Linken und der SPD angenommen.

AfD-Sprecherin: „Wählerwille konterkariert“

„Die Spiegelbildlichkeit zu den Verhältnissen im Plenum ist erst bei 14 Ausschussmitgliedern, fünf davon aus meiner Fraktion, gegeben“, bestätigte Braga nach Informationen der „Tagesschau“ später noch einmal im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

AfD-Pressesprecherin Linda Winzer hatte zuvor auf Nachfrage der „Jungen Freiheit“ betont, dass „der Wählerwille konterkariert“ werden würde, wenn der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz in den Ausschüssen verletzt werde. Das stehe im Widerspruch zu „jeglicher Gesetzeslage“.

Falls sich die AfD vor dem Verfassungsgerichtshof in Weimar nicht wird durchsetzen können, könnten die von den übrigen Fraktionen gestellten acht Ausschussmitglieder nach Angaben der „Tagesschau“ nun stets eine gemeinsame Zweidrittelmehrheit bilden, die sie im Plenum eigentlich nicht besitzen. Somit könnten sie etwa die Abwahl von Ausschussvorsitzenden oder ihrer Stellvertreter beschließen, ohne dass die AfD dies verhindern könnte. Sie dürften auch ohne jegliche Stimme der AfD darüber entscheiden, ob – je nach Thema – öffentlich oder geheim getagt werden soll.

Erster Teil der konstituierenden Sitzung sorgte für Aufregung

Angesichts des turbulenten ersten Teils der konstituierenden Sitzung am vergangenen Donnerstag, 26. September, hatte der Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer (SPD) die Mitglieder der AfD als „Verfassungsfeinde“ bezeichnet, die auf das „Niveau von Staatszersetzung“ hinarbeiten würden. So hatten Kramer und mit ihm viele AfD-Kritiker und Medien die Sitzungsleitung durch den AfD-Alterspräsidenten Jürgen Treutler interpretiert.

Der 73-jährige Treutler hatte es als seine Pflicht betrachtet, die konstituierende Sitzung bis zur Wahl des Landtagspräsidenten strikt nach den Worten der GO durchzuführen. Die Anti-AfD-Fraktionen wünschten sich einen anderen Sitzungsverlauf, bei dem sie GO-Änderungsanträge schon vor der Wahl des Landtagspräsidenten hätten einbringen können. Das hatte zu hitzigen Debatten und zahlreichen Unterbrechungen im Plenum geführt.

Schließlich wurde der Verfassungsgerichtshof zur Klärung der Streitfrage angerufen. Die neun Richter entschieden, dass Treutler von der GO abweichen und schon vor der Präsidentenwahl Änderungsanträge zur GO zur Abstimmung stellen lassen müsse. Das stundenlange Hickhack im Plenarsaal hatte die seit Jahren währende Diskussion um ein AfD-Verbotsverfahren neu angefacht.

Präsidentenfrage nicht ganz ausgestanden?

Bei Wiederaufnahme der Sitzung am folgenden Samstag hielt sich Treutler an die Vorgaben der Verfassungsrichter und brachte die Wahl des Landtagspräsidenten und seiner Stellvertreter reibungslos über die Bühne, bevor er seinen Platz räumte.

Direkt danach wurde der AfD entgegen den jahrzehntelangen parlamentarischen Gepflogenheiten das Präsidentenamt verwehrt, obwohl sie die stärkste Fraktion im Landtag stellt. Wie zu erwarten, wurde der AfD noch nicht einmal das Amt eines Vizepräsidenten zugestanden.

Ob die AfD noch gegen ihren Ausschluss aus dem Landtagspräsidium vorgehen wird, ist offen. Braga hatte während der Sitzung am Samstag auf Nachfrage des frisch gewählten Präsidenten Thadäus König (CDU) geantwortet, dass die AfD-Fraktion eine Wahlwiederholung „nicht am heutigen Tage“ anstrebe.

Regierungsbildung bleibt schwierig

Die Frage nach einer tragfähigen Regierungsbildung in Thüringen ist bei all dem nach wie vor offen. Keine Fraktion ist bereit, mit der vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuften Partei in einer Koalition zusammenzuarbeiten. Die AfD wehrt sich bislang erfolglos gegen die Zuschreibung.

Ein Bündnis aus CDU (23 Sitze), BSW (15 Sitze) und SPD (6 Sitze) käme in Thüringen nur auf 44 der 88 Sitze im Parlament. Für Mehrheitsabstimmungen müsste der mutmaßliche künftige Regierungschef Mario Voigt (CDU) also auf Stimmen der Linken oder der AfD zurückgreifen. Alles in allem bleibt es also weiter spannend im Thüringer Landtag.



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