70 Hausdurchsuchungen wegen Hass und Hetze: Was steckt dahinter?

„Hass und Hetze“ sind kein unmittelbarer Straftatbestand. Eine Sprecherin des BKA meint gegenüber Epoch Times, man brauche für die Kommunikation einen griffigen Begriff. Wann ist „Hass und Hetze“ Nährboden für Radikalisierung und Impulsgeber für Gewalttaten und wann wird unter diesem Banner der freie Meinungsaustausch beschnitten? Eine Spurensuche.
Ein Polizist trägt bei einem Einsatz in Bonn einen Karton mit beschlagnahmtem Material aus einem Gebäude.
Ein Polizist trägt bei einem Einsatz in Bonn einen Karton. Symbolbild.Foto: Benjamin Westhoff/dpa
Von 6. Juni 2024

Das Bundeskriminalamt (BKA) ist dem Bundesinnenministerium untergeordnet. Wenn nun wenige Tage vor den Wahlen zum EU-Parlament 70 Hausdurchsuchungen wegen „Hass und Hetze“ im gesamten Bundesgebiet stattfinden – kann das im Wahlkampf eine Relevanz haben, mit Blick auf die politische Opposition?

Gegen Vorsatz spricht zunächst, dass diese Hausdurchsuchungen seit 2016 regelmäßig im Juni oder Juli stattfinden. Bisher passierte das allerdings immer erst ab der dritten Juniwoche.

Auf telefonische Anfrage beim BKA sagt eine Sprecherin, diese Termine wären schon grundsätzlich schwer zu koordinieren, weil sich im Vorfeld erst alle 16 Bundesländer miteinander abstimmen müssten. Wenn die These aber stimme, dass es dabei um die Wahl ginge, heißt es weiter, dann wäre das zudem ungünstig gelegt, denn mit einer Auswertung sei erst nach der EU-Wahl zu rechnen, so eine Sprecherin des BKA gegenüber Epoch Times.

Aber wie passt dazu die Meldung des BKA über die Vorauswahl der zu besagten Hausdurchsuchungen führenden mutmaßlichen Straftaten? In der Pressemeldung heißt es nämlich:

„Erneut konnten über die Hälfte der bearbeiteten Hasspostings dem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität – rechts – zugerechnet werden.“

Das BKA schreibt weiter, dass die Behörde „als Zentralstelle den 10. nationalen Aktionstag gegen Hasskriminalität im Netz“ initiiert und koordiniert habe.

Epoch Times zitiert das BKA in seiner Vorabmeldung dahin gehend, dass die genannten 70 Hausdurchsuchungen Teilmenge von 130 polizeilichen Maßnahmen in allen Bundesländern gewesen seien.

Welche Äußerungen rechtfertigen Hausdurchsuchungen?

Das BKA berichtet in besagter Pressemeldung, man ginge auch antisemitischen Äußerungen mit Bezug zum Nahost-Konflikt nach wie etwa der Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“. Aber rechtfertigen solche Äußerungen Hausdurchsuchungen? Der viel gelesene „Verfassungsblog“ jedenfalls meldete dazu Ende März dieses Jahres, besagte Aussage sei „in aller Regel“ nicht strafbar.

Allerdings, so der Blog weiter, hätten die Strafverfolgungsbehörden seit den Terrorangriffen der Hamas im Oktober 2023 Hunderte Ermittlungsverfahren eingeleitet und Hausdurchsuchungen vorgenommen mit der Begründung, „from the river to the sea“ sei Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen beziehungsweise Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB). Der Blog kommentiert diese Sichtweise kritisch:

„Ob gewollt oder nicht: Ein solches Vorgehen schüchtert ein. Wohnungsdurchsuchungen und Festnahmen stellen nicht nur für die unmittelbar Betroffenen einen Eingriff dar. Sie ziehen auch chilling effects nach sich, die es in einer liberalen Demokratie zu vermeiden gilt – denn sie lebt vom freien Meinungsaustausch.“

Erwähnt wird hier auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Gerichte bei mehreren Deutungsvarianten einer Äußerung genau begründen müssen, weshalb gerade die strafbare maßgeblich sein soll (BVerfG NJW 2001, 61 [63]).

Der Pressemeldung des BKA ist weiter zu entnehmen, dass sich unter den strafbaren Postings solche befänden mit „volksverhetzenden Inhalte und Propagandadelikte wie das Verwenden von Hakenkreuzen oder anderer NS-Symbolik“. Darüber hinaus seien auch Postings verfolgt worden, „in denen Drohungen und Beleidigungen gegen Politiker, Amts- und Mandatsträger ausgesprochen wurden.“

Massiver Anstieg wegen massiver Meldungen

Zwar meldet das BKA, dass die polizeilich registrierten Fallzahlen von Hasspostings im letzten Jahr massiv angestiegen seien. Insgesamt habe sich die Anzahl von 3.396 auf 8.011 Fälle mehr als verdoppelt. Aber die Behörde geht dennoch nicht automatisch davon aus, dass die Anzahl der Hasspostings zugenommen habe:

„Ein Grund für diesen Anstieg ist unter anderem die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet des BKA (ZMI BKA), die in Kooperation mit ihren Partnern das Dunkelfeld im Netz immer weiter aufhellt.“

Allerdings sind „Hass und Hetze“ per se nicht strafbar. Hass ist eine Emotion wie Angst und Furcht. Der Duden  beschreibt „Hass“ als „heftige Abneigung; starkes Gefühl der Ablehnung und Feindschaft gegenüber einer Person, Gruppe oder Einrichtung“.

Das Strafgesetzbuch kennt die Begriffe „Hass“ oder auch „Hassrede“ nicht bzw. lediglich im Subkontext zu Beleidigung, übler Nachrede, Nötigung oder Bedrohung usw.

Mit einer Einschränkung bzw. Neuerung seit 2015: Seit Inkrafttreten eines Gesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses zielt das Strafgesetzbuch auch mittelbar auf „Hass“ als gruppengerichtete Tatmotivation ab. Mit der Gesetzesänderung (Bundesgesetzblatt 2015, Band I, S. 925) sollte „Hass- und Vorurteilskriminalität“ stärker bekämpft werden (vgl. Bundestagsdrucksache 18/3007, S. 14 ff.).

Hier ist allerdings zu bedenken, dass eine „Volksverhetzung“ nach §130 Abs.1 StGB geeignet sein muss, den öffentlichen Frieden zu stören. „Hass und Hetze“ sind nicht Synonym für Volksverhetzung.

Grundsätzlich gilt: Die Verfassung erteilt einen unmissverständlichen Auftrag, wie auch der Website des Bundesjustizministeriums zu entnehmen ist. Unter anderem heißt es dort:

„Mit dem Gebot der Rechtsklarheit ist allgemein gesprochen gemeint, dass Bürgerinnen und Bürger Klarheit darüber haben sollen, was in unserem Land Recht ist und welchen Inhalt das Recht hat.“

Staatsfeindliche Hetze funktioniert nicht als Blaupause

Hass wie Hetze lassen sich aus verschiedenen, auch historischen Perspektiven betrachten. So gab es etwa im Unrechtsstaat DDR ein Verbot „staatsfeindlicher Hetze“, welches beinahe jede kritische Äußerung unter Strafe stellen konnte. Verfolgt wurde, wer den Versuch unternahm, „die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu schädigen oder gegen sie aufzuwiegeln“, oder auch wer „Repräsentanten oder andere Bürger der Deutschen Demokratischen Republik oder die Tätigkeit staatlicher oder gesellschaftlicher Organe und Einrichtungen diskriminiert“.

Das BKA in seiner Pressemeldung von heute: „Hass und Hetze im Netz sind Nährboden für Radikalisierung und Impulsgeber für Gewalttaten.“ Die Behörde bittet um Mithilfe der Bürger: Unterstützen Sie uns und leisten Sie einen Beitrag zur Bekämpfung von Hasskriminalität.“ Mithilfe bedeutet hier „Anzeige erstatten“. Einige Bundesländer hielten dafür, so das BKA weiter, Internetportale bereit, über die jeder solche Straftaten auch anonym anzeigen könne.

Das BKA empfiehlt, Hinweise auch auf den Websites der jeweiligen Landesmedienanstalten zu melden. „Diese arbeiten eng mit dem BKA zusammen und leiten Ihre Hinweise im Anschluss an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet des BKA (ZMI BKA) weiter.“

Laut BKA führt Deutschland regelmäßig Aktionstage zur Bekämpfung von Hasskriminalität durch, „um ein deutliches Zeichen gegen Gewalt und die Verbreitung von extremistischem Gedankengut zu setzen“. Auch ginge es darum, deutlich zu machen, dass Täter jederzeit mit einer konsequenten Strafverfolgung zu rechnen haben.

Es wurden auch Gefährderansprachen durchgeführt

Zuletzt gab es Ende 2023 „im Rahmen des dritten europäischen Aktionstags gegen Hasskriminalität“ Hausdurchsuchungen gegen „Hass und Hetze“. Damals waren es 50 an der Zahl. Mit Blick auf die 70 Durchsuchungen von heute ist das eine Steigerung um etwa 30 Prozent.

Ist heute von einer bundesweiten Aktion die Rede, war es Ende 2023 eine von Europol koordinierten Operation, an der sich Deutschland, Frankreich, Österreich, Rumänien, die Slowakei und Spanien beteiligt hatten. Damals gab es auf deutscher Seite, so das BKA, auch eine Reihe von „Gefährderansprachen“.

Besagte bundesweite „Aktionstage“ reichen weiter zurück. Am 14. Juni 2023 etwa war bereits vom „9. Aktionstag zur Bekämpfung von Hasspostings“ die Rede. Hier sprach das BKA von insgesamt rund 130 „polizeilichen Maßnahmen“ wie Wohnungsdurchsuchungen und Vernehmungen.

Und noch einmal fünf Jahre zuvor, am 14. Juni 2018, zum damals 3. Aktionstag gegen Hasspostings, führte die Polizei Wohnungsdurchsuchungen, Vernehmungen und weitere Maßnahmen gegen 29 Beschuldigte durch.

Der erste Aktionstag dieser Reihe gegen Hasspostings fand am 13. Juli 2016 statt. Das BKA schrieb damals in einer Pressemeldung:

„In einer konzertierten Aktion durchsuchen Polizeibeamte in 14 Bundesländern von mehr als 25 Polizeidienststellen die Wohnräume von circa 60 Beschuldigten. Das Bundeskriminalamt koordiniert als Teil der im Dezember 2015 eingerichteten Bund-Länder-Projektgruppe ‚Bekämpfung von Hasspostings‘ den bundesweiten Einsatztag.“

Alles begann unter Angela Merkel

Diese Form der bundesweiten Verfolgung von „Hass und Hetze“ geht demnach auf die von der Union geführten Regierung unter Angela Merkel zurück. Für die CSU hatte im Juli 2016 Bayerns Innenminister Herrmann gegenüber dem „Bayerischen Rundfunk“ von einem sprunghaften Anstieg der Hasskriminalität im Internet gesprochen. Während es zwischen 2011 und 2013 bayernweit jährlich rund 50 Delikte gegeben habe, habe sich die Zahl in den folgenden Jahren jeweils verdoppelt.

Schon damals formulierte Hermann demnach, was das BKA heute standardmäßig zu jedem neuen Aktionstag äußert: Hasspostings seien häufig die Vorstufe für eine weitere Radikalisierung.

Vor wenigen Tagen, am 1. Juni 2024, machte der Anwalt und Bestsellerautor Joachim Steinhöfel seinem Ärger auch über diese Aktionstage Luft und schrieb via X folgenden Kommentar https://x.com/Steinhoefel/status/1796812603865374993:

„‚Hass und Hetze‘, Lieblingsfloskel von Politikern, die zulässige Meinungsäußerungen delegitimieren oder kriminalisieren wollen. Nur strafbare Äußerungen sind verboten. Und das sollte man auch genauso klar sagen, anstatt zu dieser Phrase zu greifen.“

Im Telefonat von Epoch Times mit dem BKA sagt eine Sprecherin, man benötige für die Kommunikation einen griffigen Begriff. Selbst wenn man nicht mehr „Hass und Hetze“ sagte, verwendeten Presse und Bevölkerung diese Begriffe weiterhin.



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