579 Schutzräume für 85 Millionen Menschen – Union fordert Zivilschutz-Offensive
Wenn es nach dem Willen einiger Innenminister der Unionsparteien geht, soll der Bund neue Schulden in Milliardenhöhe aufnehmen, um die Menschen auf deutschem Boden besser vor Kriegsgefahren schützen zu können.
Wie das „Handelsblatt“ berichtet, hat sich der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) für ein zweckgebundenes Sondervermögen ausgesprochen: Innerhalb der nächsten zehn Jahre solle die Bundesregierung jedes Jahr im Schnitt eine Milliarde Euro in den Ausbau von Zivilschutzanlagen stecken.
Herrmann möchte „Stärkungspakt“
Nach seinen Vorstellungen solle die Kreditaufnahme als „Stärkungspakt Bevölkerungsschutz“ firmieren, wie Herrmann kurz vor der Herbsttagung der Landesinnenminister im brandenburgischen Rheinsberg mitgeteilt habe.
Für einen besseren „Zivil- und Katastrophenschutz“ sei „ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes und Planungssicherheit für alle Beteiligten dringend erforderlich“, so Herrmann laut „Handelsblatt“. Das Geld solle zusätzlich zu jenen Aufwendungen fließen, die die Bundesländer schon jetzt für den Brand- und Katastrophenschutz zu stemmen hätten.
Strobl: „Auf das Undenkbare vorbereiten“
Thomas Strobl (CDU), dem Landesinnenminister von Baden-Württemberg, macht die steigende Kriegsgefahr infolge der Lage in der Ukraine nach Informationen des „Handelsblatts“ ebenfalls Sorgen. „Wir müssen uns daher auf das Undenkbare vorbereiten“, habe Strobl gemahnt.
Es liege „auf der Hand“, dass Deutschland „mehr Schutzräume“ benötige. Die Ampelregierung habe bislang „leider“ kein Konzept vorgelegt, mit dem möglichst viele Menschen in Sicherheit gebracht werden könnten.
Auch Armin Schuster (CDU), der geschäftsführende Landesinnenminister von Sachsen, kritisierte im „Handelsblatt“ den mangelnden Weitblick der Bundesregierung trotz der bereits Ende Februar 2022 durch Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen „Zeitenwende“. Hintergrund war damals der Einmarsch russischer Truppen in die Ost-Ukraine.
„Nationales Schutzraumkonzept“ lässt auf sich warten
Der Bundeskanzler habe damals zwar zurecht ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro aufgesetzt – dass er aber keine Extra-Gelder für den „Zivilschutz“ organisiert habe, gehe nicht, meinte Schuster laut „Handelsblatt“.
„Angesichts der Lage“ sei es „fatal“, dass noch immer kein verbindlicher Zeitplan zur Vollendung des „nationalen Schutzraumkonzepts“ existiere. Das belege „symptomatisch“, dass die „Zeitenwende“ im Bereich Zivilschutz nicht stattgefunden habe.
Nach Informationen von n-tv sind laut Bundesinnenministerium (BMI) deutschlandweit aktuell nur 579 öffentliche Schutzräume nutzbar. Ursprünglich seien es 2.000 gewesen. Ältere Anlagen seien verfallen oder verkauft worden, nachdem die Bundesregierung 2007 beschlossen habe, die Schutzräume abzuwickeln. Erst im März 2022 sei der Ausverkauf beendet worden.
Die bestehenden öffentlichen Räume würden laut n-tv nur für etwa 480.000 Personen ausreichen. Dem Statistischen Bundesamt zufolge lebten Ende 2023 knapp 85 Millionen Menschen in Deutschland.
BND-Chef warnt vor russischem Angriff bis 2030
Bruno Kahl, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), hatte Mitte Oktober im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags erneut vor einer möglichen Aggression des Kreml gewarnt: „Spätestens Ende dieses Jahrzehnts dürften russische Streitkräfte in der Lage sein, einen Angriff auf die NATO durchzuführen“, mahnte Kahl nach Informationen des ZDF.
Immerhin betrachte Moskau die Bundesrepublik Deutschland wegen ihres proukrainischen Engagements als „Gegner“. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gehe es „um die Schaffung einer neuen Weltordnung“, so Kahl.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) pflichtete ihrem BND-Chef am vergangenen Sonntag im „Handelsblatt“ (Bezahlschranke) bei: „Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erleben wir eine Zeitenwende in der inneren Sicherheit. Russland führt einen hybriden Krieg in Europa. Dass Desinformationskampagnen, Sabotageakte und Cyberattacken staatlich gesteuert sind, ist ja offensichtlich.“
Einen Termin zur Fertigstellung des neuen „nationalen Schutzraumkonzepts“ konnte Faeser nicht nennen: „Wir arbeiten daran. Aber wir können Versäumnisse von Jahrzehnten nicht innerhalb weniger Jahre aufholen“, bedauerte die Chefin des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat (BMI).
Ein BMI-Sprecher hatte dem „Handelsblatt“ bereits vor einer Woche mitgeteilt, dass „wesentliche Grundelemente“ des Schutzraumkonzepts schon im Juni 2024 von Bund und Ländern erarbeitet worden seien. Seitdem würden sich gemeinsame Arbeitsgruppen mit Einzelheiten beschäftigen.
Bundeswehr und BBK involviert
Die Bundesregierung hatte 2023 unter dem Eindruck des Ukrainekrieges ein Gesamtszenario zur Umsetzung seiner „Konzeption Zivile Verteidigung“ (KZV) aus dem Jahr 2016 entworfen. Dieses Szenario, das von einem Angriff auf NATO- oder Bundesgebiet ausgeht, war nach Angaben der Bundesregierung „durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in enger Abstimmung mit dem Territorialen Führungskommando der Bundeswehr (TerrFüKdoBw) erarbeitet“ worden.
Mitte Februar 2024 legte die Bundesregierung einen „Bericht zur Risikoanalyse für den Zivilschutz 2023“ (BT-Drucksache 20/10476, PDF) vor. Schon darin fand sich ein Bekenntnis zur „Dringlichkeit“ und zum „herausgehobenen Stellenwert von Wehrhaftigkeit und Resilienz für die staatliche und gesellschaftliche Sicherheitsvorsorge“. Es gelte, die Umsetzung der KZV als „konkrete Planungsgrundlage für die zivile Verteidigung […] zu beschleunigen und weiter zu optimieren“:
Die Einsicht dieser Notwendigkeit drückt sich nicht alleine in der finanziellen Unterstützung der militärischen Verteidigung in Form des Sondervermögens für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro aus. Auch die zivile Verteidigung als gleichwertiger Teil der Gesamtverteidigung unterliegt einem beschleunigten Weiterentwicklungsprozess.“
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