16 Energieminister für Entlastung von Verbrauchern und Industrie
Die Energieminister der 16 Bundesländer haben sich am 30. März auf ihrer Konferenz im Merseburg (Sachsen-Anhalt) einstimmig dafür ausgesprochen, Bürger und Industrie zu entlasten.
Mehrere Vorschläge stehen nun im Raum:
- Senkung der Stromsteuer
- Erleichterungen für die Nutzung von privaten Mini-Solaranlagen
- Niedrigere Preise für Industriestrom
- Mehr Engagement für die Wasserstoffwirtschaft
Es handelt sich allerdings nur um Empfehlungen an die Bundesregierung. Die Konferenzbeschlüsse besitzen keine Gesetzeskraft.
Stromsteuer
Geht es nach dem Willen der 16 Energieminister, so soll die Stromsteuer möglichst auf das „europäische Mindestmaß“ gesenkt werden. Das liegt nach der Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG vom 27. Oktober 2003 bei 0,1 Cent pro Kilowattstunde. In Deutschland gilt nach Angaben des Verbraucherportals Verivox seit 2003 ein Stromsteuersatz von 2,05 Cent pro Kilowattstunde. Die Stromsteuer wurde 1999 mit der ökologischen Steuerreform eingeführt und macht nur einen winzigen Anteil am Gesamtpreis aus.
Nach Angaben der „BDEW-Strompreisanalyse“ setzt sich ein fiktiver Durchschnittspreis von 48,12 Cent pro Kilowattstunde (kWh) in Deutschland derzeit wie folgt zusammen:
- 25,84 Cent für Beschaffung und Vertrieb
- 9,52 Cent für Netzentgelt inkl. Messung und Messstellenbetrieb
- 7,68 Cent Mehrwertsteuer
- 2,05 Cent Stromsteuer
- 1,66 Cent Konzessionsabgabe
- 0,59 Cent Offshore-Netzumlage
- 0,42 Cent § 19 StromNEV-Umlage
- 0,36 Cent KWK-Aufschlag
Würde die Stromsteuer von 2,05 Cent tatsächlich auf nur noch 0,1 Cent pro Kilowattstunde sinken, dann sparte der Endverbraucher 1,95 Cent pro Kilowattstunde. Bei einem Haushalt mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 3.000 kWh im Jahr wären das 58,50 Euro jährlich beziehungsweise 4,88 Euro pro Monat.
Deutschland gehört nach Angaben des Statistischen Bundesamts zu den Ländern mit dem weltweit höchsten Verbraucherstrompreis. Stand Juni 2022 rangierte Deutschland mit 0,53 US-Dollar pro kWh auf Platz 2 hinter Dänemark (0,54 Dollar). Dahinter folgen Großbritannien (0,48 Dollar), Österreich (0,47 Dollar) und Belgien (0,45 Dollar). Beinahe gratis ist der Strom in Russland (0,06 Dollar). In China, Südkorea, Kanada, Norwegen, Malta und Island lag der Preis zum selben Zeitpunkt bei unter 0,15 US-Dollar für die Kilowattstunde.
Photovoltaikanlagen
Beim privaten Einbau von sogenannten Mini-Solaranlagen am Balkon oder an einer Fassade sollen nach Angaben des MDR künftig auch Paneele erlaubt werden, die bis zu 800 Watt Leistung abgeben. Bisher liege die Grenze bei 600 Watt. Die Verantwortung für einen sicheren Betrieb solle nach dem Willen der 16 Energieminister künftig ausschließlich beim Hersteller liegen.
Zudem soll es für die Minikraftwerksbetreiber weniger Bürokratie geben: Die Ressortchefs schlugen einstimmig vor, künftig auf die obligatorische Anmeldung beim örtlichen Stromanbieter zu verzichten. Dann wären nur noch die Erlaubnisse des Vermieters und der Bundesnetzagentur einzuholen.
Industriestrom
„Der Industriestrompreis inklusive der Stromsteuer betrug im Jahr 2023 in Deutschland 40,11 Cent pro Kilowattstunde“, heißt es auf den Seiten des Statistischen Bundesamtes.
Konferenzgastgeber Armin Willingmann (SPD), der Energieminister von Sachsen-Anhalt, schlug nach MDR-Angaben vor, einen günstigeren Strompreis für „energieintensive“ Betriebe einzuführen. In den Genuss einer Kürzung sollten aber nur solche Unternehmen kommen, die bereits Anstrengungen für den „Klimaschutz“ unternähmen – etwa durch Einkauf von „grünem Strom“ aus Wind- oder Solarkraftwerken. Es gehe nicht um eine „reine Subvention“, habe Willingmann betont.
Der bayerische Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ einen Industriestrompreis von 4,0 Cent netto für die Kilowattstunde angeregt. Hier sei das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Aiwanger gehe davon aus, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einem niedrigeren Industriestrompreis zustimmen, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) so etwas aber ablehnen könnte.
Wasserstoff
Im Einklang mit der jüngsten EU-Reform zur „Energiewende“ forderten die 16 Energieminister einen beschleunigten Aufbau der Wasserstoffwirtschaft.
Umsetzung kann dauern – wenn überhaupt
Nun ist die Bundesregierung am Zug. Wie Wirtschaftsstaatssekretär Dr. Patrick Graichen laut „Süddeutscher Zeitung“ erklärte, könnten die Vorschläge für einen günstigeren Industriestrompreis frühestens im März 2024 in die Praxis umgesetzt werden, sofern das Ministerium zustimme. Erst dann ende ja die aktuelle Regelung zur Strompreisbremse.
Graichen habe zudem angekündigt, dass bis 2030 ein „Wasserstoffstartnetz“ aufgebaut werden solle. Dies mache jedoch umfangreiche Planungen erforderlich. So müssten womöglich Erdgasleitungen umgewidmet und Pipelines verlegt werden, um „alle Industriezentren und Bundesländer“ mit Wasserstoff versorgen zu können.
Netzentgelt-Debatte vertagt
Über eine Reform der Netzentgelte wurde nach Informationen der „Süddeutschen“ in Merseburg noch nicht konkret gesprochen. Das Thema sei auf die kommenden Monate vertagt worden.
Klar sei allerdings schon, dass eine gerechte Lösung zum Ausgleich der Netzausbaukosten angestrebt werde. Insbesondere die nördlichen Bundesländer hätten Bedarf angemeldet. Dafür habe sich unter anderen der schleswig-holsteinische Energieminister Tobias Goldschmidt (Grüne) stark gemacht.
Willingmann: Energieimporte dauerhaft nötig
Im Vorfeld der Konferenz hatte sich Gastgeber Armin Willingmann Agenturangaben zufolge kritisch zu Ideen einer völlig autarken Energieversorgung in Deutschland geäußert. Es handele sich immerhin um die „viertgrößte Volkswirtschaft der Welt“. Deshalb werde das Land „nie vollständig auf Energieimporte verzichten können“.
Die europäische Vernetzung im Energiemarkt bleibe wichtig, und auch auf „verlässliche internationale Partner“ könne man nicht verzichten, so Willingmann: „Nationalstaatliche Lösungen sind im Energiebereich wirklich absurd“. Das betreffe auch die Wasserstofftechnologie. Diese werde seiner Ansicht nach in Zukunft ein wichtiger Baustein der Energieversorgung für die Industrie sein.
Mammutaufgabe „Energiewende“
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte im April und November 2022 jeweils zu einem runden Tisch geladen, um zusammen mit Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft zu erörtern, wie Deutschland sich energiepolitisch und privatwirtschaftlich für die Zukunft wappnen könnte – im Einklang mit den Plänen des „Green Deal“ der EU-Kommission. Dabei spielten nach Ministeriumsangaben auch Überlegungen für „einen nationalen bzw. europäischen Industriestrompreis“ eine Rolle.
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