Fehler in Mathestunde führt zu „größeren“ Erkenntnissen über gigantischen Urzeit-Hai Megalodon

Megalodon war schon vor jener schicksalhaften Unterrichtsstunde alles andere als klein, dennoch zeigen neue Ergebnisse, dass der Urzeit-Hai vermutlich noch größer war als bislang angenommen. Maßgeblich dazu beigetragen haben Schüler, die – ein und dasselbe Tier – anhand fossiler Zähne und der bis dato besten wissenschaftlichen Methode auf 12 bis 45 Meter schätzten.
Vergleich eines Zahns von Megalodon und Weißem Hai
Der Vergleich eines Zahns von Megalodon und Weißem Hai offenbaren die Größe des gigantischen Urzeithais.Foto: iStock
Von 20. März 2024

Dieser Artikel erschien erstmals auf epochtimes.de am 28. Juni 2021. Anlässlich einer neuen Studie, die Schwierigkeiten bei der Übertragung von Erkenntnissen über lebende Tiere auf ausgestorbenen Arten aufzeigt, wurde er zeitlich aktualisiert, wobei keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen wurden.

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Ein zuverlässiger Weg, die Größe des Urzeit-Hais Megalodon zu schätzen, stützt sich auf seine messerscharfen, dreieckigen Zähne. Doch nicht immer liefern diese Berechnungen das richtige Ergebnis. Das musste auch Victor Perez, ehemaliger Doktorand am Naturkundemuseum in Florida erfahren, als er einer Highschool-Klasse fossile Megalodon-Zähne zeigte.

Überraschenderweise war der Hai keineswegs bei allen Schülern gleich groß. Die unterschiedlichen Schätzungen nutzten die Forscher, um ihre Gleichungen zu überarbeiten – und die Größe von Megalodon um weitere zwei Meter auf nun fast 20 Meter anzupassen. In das Klassenzimmer passt Megalodon damit nicht mehr. Ihren neuen Rechenansatz veröffentlichten Perez et al. Anfang März 2021 in der Fachzeitschrift „Palaeontologia Electronica“.

Eine misslungene Matheübung mit „größeren“ Folgen

An jenem Tag führte Victor Perez die Schüler durch eine Matheübung, bei der 3D-gedruckte Nachbildungen fossiler Zähne eines echten Megalodons und eine Reihe allgemein verwendeter Gleichungen, die auf der Zahnhöhe basierten, verwendet wurden, um die Größe des Hais zu schätzen. Aber etwas stimmte nicht: Die Berechnungen der Studenten reichten von etwa 12 bis 45 Meter – für denselben Hai. Perez schaltete in den Problemlösungsmodus.

„Ich ging herum und überprüfte: Haben Sie die falsche Gleichung verwendet? Haben Sie vergessen, die Einheiten umzurechnen?“, erinnert sich Perez. Er ergänzte:

Es wurde sehr schnell klar, dass es nicht die Studenten waren, die den Fehler gemacht hatten. Es war einfach so, dass die Gleichungen nicht so genau waren, wie wir vorhergesagt hatten.“

Obwohl die Gleichungen seit ihrer Veröffentlichung im Jahr 2002 von Wissenschaftlern häufig verwendet werden, zeigte die Übung im Klassenzimmer, dass sie unterschiedliche Größenschätzungen für einen einzelnen Hai generieren, je nachdem, welcher Zahn gemessen wird. „Ich war wirklich überrascht […] viele Leute hatten die Gleichungen blindlings akzeptiert.“

Megalodon: Tausende Fossilien eines fast unlösbaren Puzzles

Seit mehr als einem Jahrhundert haben Wissenschaftler versucht, die Größe von Megalodon – der Name bedeutet „großer Zahn“ –, zu berechnen. Aber die einzigen bekannten Überreste des furchterregenden Hais, der die Ozeane von vor etwa 23 bis 3,6 Millionen Jahren beherrschte, sind versteinerte Zähne und einige wenige Wirbel.

Der Rest des Megalodon-Skeletts, einschließlich seines Kiefers, bestand aus leichtem Knorpel, der sich nach dem Tod schnell zersetzte. Der Zahnschmelz hingegen „ist sehr gut erhalten“, sagte Perez.

Die gängigsten Methoden zur Schätzung der Länge von Megalodon haben den Weißen Hai als modernen Stellvertreter verwendet, indem sie sich auf das Verhältnis zwischen der Zahngröße und der gesamten Körperlänge verlassen. Obwohl Weiße Haie und Megalodon zu verschiedenen Familien gehören, haben sie eine ähnliche räuberische Lebensweise und breite, dreieckige Zähne, die wie Steakmesser gezahnt sind. Eine ideale Anpassung für die Jagd auf große, fleischige Meeressäuger wie Wale und Delfine, so Perez.

Aber diese Methoden stellen auch eine Herausforderung dar: Um Schätzungen der Körperlänge zu erstellen, müssen die Forscher die frühere Position eines fossilen Zahns im Kiefer eines Megalodon korrekt identifizieren. Wie beim Menschen variieren Größe und Form der Haifischzähne, je nachdem, wo sie sich im Maul befinden, und Megalodon-Zähne werden am häufigsten als einzelne Fossilien gefunden. Und wie bei Haien üblich hatte auch Megalodon nicht nur ein oder zwei Sätze Zähne: Megalodon-Haie warfen im Laufe ihres Lebens Tausende von Zähnen ab, die es nun galt, in die passende Ordnung zu bringen.

Spielen im Dienst der Wissenschaft

Im Jahr 2015 schenkte der Fossiliensammler Gordon Hubbell dem Florida Museum einen fast vollständigen Satz Zähne desselben Megalodon-Hais, was das Rätselraten reduzierte. Nachdem die Museumsforscher die Zähne per Computertomografie gescannt und online zur Verfügung gestellt hatten, arbeitete Perez zusammen mit der Lehrerin Megan Higbee Hendrickson daran, die Zähne in den Unterricht der Mittelstufe an der Academy of the Holy Names in Tampa einzubauen.

Perez und Hendrickson beschlossen, kreativ zu werden: Die Kinder sollten die Zähne in 3D ausdrucken, die Größe des Hais bestimmen und eine Nachbildung seines Kiefers für die Kunstausstellung der Schule bauen.

Daraufhin entwarfen sie gemeinsam eine Lektion für die Schüler, die auf der damals populärsten Methode zur Schätzung der Hai-Größe basierte: Man ordnet den Zahn seiner Position im Haikiefer zu, schlägt die entsprechende Gleichung nach, misst den Zahn von der Spitze der Krone bis zu der Linie, wo sich Wurzel und Krone treffen, und setzt die Zahl in die Gleichung ein.

Nach einem erfolgreichen Pilotversuch mit einigen Zähnen mit Hendricksons Schülern erweiterte Perez den Unterrichtsplan für die Highschool-Schüler der Delta Charter High School in Aptos, Kalifornien, auf den gesamten Satz von Megalodon-Zähnen. Perez erwartete eine leichte Abweichung von ein paar Millimetern in ihren Ergebnissen, aber dieses Mal schossen die Abweichungen in den Schätzungen der Schüler auf mehr als 30 Meter. Je weiter eine Zahnposition von der Vorderseite des Kiefers entfernt war, desto größer wurde der Hai.

Neuer Rechenansatz für Megalodon aus Europa

Nachdem Perez die Ergebnisse seines „missglückten“ zweiten Schulprojekts in einem Newsletter der Fossilien-Gemeinschaft ausführlich beschrieben hatte, erhielt er eine E-Mail von Teddy Badaut, einem Hobbypaläontologen aus Frankreich. Badaut schlug einen anderen Ansatz vor. Warum nicht die Zahnbreite statt der Höhe messen? Frühere Forschungen gingen davon aus, dass die Zahnbreite durch die Größe des Kiefers eines Hais begrenzt ist, die proportional zur Körperlänge ist.

Ronny Maik Leder, damals Postdoktorand am Florida Museum, arbeitete mit Perez zusammen, um einen neuen Satz von Gleichungen zu entwickeln, die auf der Zahnbreite basieren.

Indem wir den Satz von Zähnen von Hubbell gemessen haben, „konnten wir tatsächlich die Breite der Zähne aufsummieren und eine noch bessere Annäherung an die Kieferbreite erhalten“, sagte Perez, inzwischen Dr. Perez und Assistenzkurator für Paläontologie am Calvert Marine Museum in Maryland. Die Forscher analysierten außerdem Sätze fossiler Zähne von elf weiteren Haien aus fünf Arten, darunter Megalodon, seine nahen Verwandten und moderne Weiße Haie.

Indem sie die kombinierte Breite jedes Zahns in einer Reihe maßen, entwickelten sie ein Modell dafür, wie breit ein einzelner Zahn im Verhältnis zum Kiefer für eine bestimmte Art war. Wenn nun ein Paläontologe einen einsamen Megalodon-Zahn von der Größe seiner Hand ausgräbt, kann er dessen Breite mit dem in der Studie ermittelten Durchschnitt vergleichen und erhält eine gute Schätzung, wie groß der Hai war.

„Ich war ziemlich überrascht, dass tatsächlich niemand vorher daran gedacht hat“, sagt Leder, der heute Direktor des Naturkundemuseums in Leipzig, Deutschland, ist. „Die schlichte Schönheit dieser Methode war wohl zu offensichtlich, um gesehen zu werden. Unser Modell war viel stabiler als frühere Ansätze. Diese Zusammenarbeit war ein wunderbares Beispiel dafür, warum die Zusammenarbeit mit Amateur- und Hobbypaläontologen so wichtig ist.“

Wir wissen, dass wir vieles nicht wissen

So elegant der neue Ansatz aussieht, fehlerfrei sind auch diese Gleichungen nicht. Angewendet auf die größten Individuen, weise die Methode aufgrund der unterschiedlichen Größen der Haiarten immer noch einen Fehlerbereich von etwa drei Metern auf, gibt Perez zu bedenken. Es sei außerdem unklar, wie breit der Kiefer des Megalodon war, und es ist schwierig, dies nur anhand der Zähne zu raten. Einige Haiarten haben Lücken zwischen den einzelnen Zähnen, während sich die Zähne bei anderen Arten überlappen.

Auch wenn dies unser Verständnis potenziell voranbringt, haben wir die Frage, wie groß der Megalodon war, noch nicht wirklich geklärt. Es gibt immer noch mehr, was man tun könnte, aber dazu müsste man an diesem Punkt wahrscheinlich ein komplettes Skelett finden“, sagte Perez.

Bis dahin unterrichtet er weiterhin die Lektion über die Megalodon-Zähne, aber der Fokus hat sich geändert. „Seitdem haben wir die Lektion genutzt, um über die Natur der Wissenschaft zu sprechen – die Tatsache, dass wir nicht alles wissen. Es gibt immer noch unbeantwortete Fragen.“

Und die Schüler? In Hendricksons Augen entfachte das Projekt den Enthusiasmus ihrer Schüler für die Wissenschaft auf eine Weise, wie es Lehrbücher nicht konnten:

„Victor [Perez] war ein erstaunliches Vorbild für die Kinder. Er ist die Personifizierung eines jungen Wissenschaftlers, der seinem Kindheitsinteresse gefolgt ist und daraus eine Karriere gemacht hat. So viele dieser Kinder hatten noch nie mit einem Wissenschaftler gearbeitet oder gesprochen, der ihre Sichtweise respektierte und bereit war, ihre Fragen zu beantworten.“

(Mit Material des Florida Museum of Natural History)



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