Wie 100 Störche ein 450-Einwohner-Dorf in Atem halten
Sie bringen Kot, Lärm und fressen alles weg: Die Rede ist nicht von Tauben, sondern von Störchen. Die streng geschützten Vögel belagern einen Ortsteil in der Gemeinde Hohenfels unweit vom Bodensee. Laut Bürgermeister Florian Zindeler kommen etwa 100 Vögel auf 450 Anwohner. Die Zahl der Störche nehme weiter zu, es gebe immer mehr Nester, berichtet der CDU-Politiker. Zuvor hatte der „Südkurier“ darüber berichtet.
Man frage sich, wie es in den kommenden Jahren weitergehe, sagt der Bürgermeister. Mittelfristig werde man von einer Plage sprechen müssen. Mit einem offenen Brief wandte sich der Kommunalpolitiker schon an das Land Baden-Württemberg und verschiedene Landtags- und Bundestagsabgeordnete.
Sein Anliegen: Das Ministerium müsse sich mittelfristig einen Masterplan, einen Leitfaden, zum Umgang mit geschützten Arten in besonders betroffenen Städten und Gemeinden erarbeiten, so Zindeler. Der Wunsch wäre, dass man das Resultat von Schutz bis zum Ende denke.
Guter Flurfunk zwischen Störchen
Wie viele Störche genau in Hohenfels sind, kann der Bürgermeister nicht sagen. Als Flächengemeinde habe man nicht den perfekten Überblick. Aber: „Wir stellen fest, wenn die Landwirte ihre Felder bestellen, dass der Flurfunk zwischen den Störchen sehr gut funktioniert. Sie sammeln sich dann vor Ort, weil dort ist natürlich die Fläche bereit fürs Essen.“
An einem Morgen Ende August seien auf einer Fläche im Ortsteil Mindersdorf mehr als 130 Störche gezählt worden. „Wenn wir das auf die Einwohner übertragen, haben wir einen Storch auf drei Einwohner.“ Die genaue Zahl könne er nicht definieren. „Aber das ist schon bemerkenswert.“
Wichtig sei zu wissen, wie man die Population der geschützten Tiere stabil halten könne, damit das Verhältnis zwischen Mensch und Storch nicht kippe. Eine Obergrenze für Nester und Tiere sei vielleicht denkbar, die vom Umweltministerium als verträglich eingestuft werde. „Eine Antwort kann ich hier nicht vorwegnehmen.“
Wieso Hohenfels?
Wieso sich die Störche gerade auf Hohenfels stürzen, wisse er nicht, erklärt der Bürgermeister. „Wir sind eine attraktive Gemeinde, mit einer wunderbaren Naturlandschaft.“ Es gebe Riedflächen mit vielen kleinen Tierchen, die optimalen Bedingungen für die Futtersuche der Kolonien. „Deshalb stellen wir fest, dass sie sich hier sesshaft machen wollen und gute Bedingungen für die Aufzucht finden.“
Der Storchenbeauftragte der Gemeinde, Josef Martin, sieht kein Problem in der Zahl der Tiere. Bei ihm habe noch nie ein Storch seine Hinterlassenschaften auf der Terrasse gelassen. „Das Problem ist nur unter dem Nest.“ Die Nester stünden vor keiner Terrasse. „Von dem her braucht man keine Angst haben, dass alles zugekackt wird.“
In Mindersdorf sei es so ruhig wie in einer Kirche. „Hier gibt es gar nichts mehr, keinen Laden, keine Wirtschaft, nichts.“ Ein wenig Geklapper der Störche sei da doch herrlich. „Das ist Natur.“ Die Kirche schlage auch jede Viertelstunde, was auch normal sei. „Man muss das einfach ein bisschen lockerer sehen.“
„Störche keine Wölfe“
Bei Nestern über Gärten könne man sich arrangieren. „Die Störche bedrohen uns Menschen nicht.“ Sie seien keine Wölfe, die ums Dorf herum ziehen. Vergrämen dürfe man die Vögel, indem man Zweige entferne, bevor es zum Nestbau komme. Das sei legitim.
Die Jungvögel hätten die Ortschaft schon verlassen und seien in den Süden gezogen. Es seien nur noch die „alten“ Nestbesitzer vor Ort, damit niemand anderes das Nest besetzt. Aber in den nächsten Tagen würden auch sie in den Süden ziehen. „Dann sind sie weg. Dann ist wieder ein halbes Jahr Ruhe.“
Wie viele 2025 wieder in Hohenfels sind, wird sich erst im Frühjahr zeigen. (dpa/red)
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