Streit um Kongresshalle – Opernhaus auf „Nazi-Gelände“
Viele Meter hoch erhebt sich die Kongresshalle am Ufer des Dutzendteichs in Nürnberg. Ein monströser Koloss, mit dem die Nationalsozialisten einmal im Jahr beim Parteitag ihre absolute Macht demonstrieren wollten.
50.000 Menschen sollten dort den NS-Größen während ihrer Reden zujubeln. Heute ist das Gebäude vor allem ein Symbol für das Scheitern der Nazis und ihres Größenwahns. Und um dieses wird gerade heftig in der Stadt gestritten.
Düsteres Erbe
Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, wie kann und darf man mit dem düsteren Erbe rund um das ehemalige Reichsparteitagsgelände in Nürnberg umgehen? Von der Außenseite mag die Kongresshalle mit ihren riesigen Rundbögen und Granitplatten bedrückend beeindruckend wirken. Doch vom Innenhof her sieht man eindeutig: Sie wurde nie fertiggestellt.
Statt der geplanten etwa 70 Meter ragt der Bau nur knapp 40 Meter in die Höhe. Zuschauersaal und das freitragende Dach fehlen. Der hufeisenförmige Torso, der später Treppen und Garderoben beherbergen sollte, steht zu großen Teilen leer.
Abstimmung im Stadtrat steht an
Doch das soll sich nun ändern. Die Oper und das Ballett des Staatstheaters sollen dort für mehrere Jahre ein Ausweichquartier finden, während das mehr als 100 Jahre alte Opernhaus in der Innenstadt saniert wird. Probenräume, Werkstätten und Büros könnten in dem Rohbau untergebracht werden, die Spielstätte in einem Leichtbau im Innenhof oder neben der Kongresshalle.
Am 15. Dezember soll der Stadtrat über die Pläne abstimmen. Eine deutliche Mehrheit ist aber sicher. CSU, SPD und Grüne haben bereits angekündigt, zustimmen zu wollen. Für die Kongresshalle spricht nach Ansicht von Kulturbürgermeisterin Julia Lehner (CSU) nicht nur der Mangel an Alternativen:
Wenn Musik- und Tanztheater wieder ausgezogen seien, könne die freie Kunstszene die für mehrere Millionen Euro hergerichteten Räume beziehen, sagt sie. Auch die Leichtbau-Halle könne möglicherweise weitergenutzt werden.
Doch Fachleute sehen die Pläne kritisch. „Was mir Kopfschmerzen bereitet, ist die Frage, will man einen solchen Bau als schickes Kulturzentrum herrichten?“, sagt der Leiter des NS-Dokumentationszentrum, Florian Dierl.
Das Museum ist im Nordflügel der Kongresshalle untergebracht. Gegen mehr Kultur in unmittelbarer Nachbarschaft hat Dierl eigentlich nichts. Diese dürfe aber nicht die Funktion des Erinnerungsortes verwässern, betont er.
Bröckelnde Fassaden
Am Ende des Rundgangs durch das Dokumentationszentrum gelangen die Besucher auf eine Aussichtsplattform, von der sie über den Innenhof der Kongresshalle blicken können – dort, wo während der NS-Zeit ein tempelartiger Saal geplant sein sollte, ist nur Leere.
In dieser steht Pascal Metzger und zeigt auf die bröckelnden Fassaden. Mehr als 1.000 Gruppen hat er bereits über das Reichsparteitagsgelände geführt und jedes Mal dasselbe erlebt. „Wenn die Leute hier reinkommen, wirkt die Architektur auf sie“, sagte er.
Wie seine Kollegen vom Verein für Geschichte für alle befürchtet Metzger, dass ein Opernhaus im Innenhof die Fassade verstellen und dieses sinnliche Erlebnis mindern könnte.
Verschiedene Positionen
Darf man das? Und muss man das NS-Erbe überhaupt erhalten oder sollte man es lieber verfallen lassen? Diese Fragen sind auch in der Wissenschaft umstritten. Für Pascal Metzger ist die Kongresshalle ein steinerner Zeitzeuge, der umso mehr an Bedeutung gewinne, je weniger Zeitzeugen des Dritten Reiches noch lebten, sagt er.
Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, sieht die Diskussion um Kongresshalle und einstiges Reichsparteitagsgelände jedoch auch als Chance. „Es geht nicht darum, dieses Gelände zu markieren und aus dem täglichen Leben zu nehmen“, sagt er während einer Diskussionsrunde der Stadt, die auf Youtube übertragen wurde.
Kunst und Kultur könnten für Irritationsmomente sorgen, die die Erinnerungskultur lebendig hielten. Diese dürften allerdings nicht alltäglich und somit banal werden.
Ein Eingriff in das Bauwerk sei aber auch immer ein Eingriff in die historische Quelle, meint der Historiker Alexander Drecoll, der im wissenschaftlichen Beirat für den Erinnerungsort ehemaliges Reichsparteitagsgelände sitzt.
Deshalb hätte seiner Meinung nach die Stadtgesellschaft viel mehr in die Diskussion eingebunden werden müssen, statt in einem Hau-Ruck-Verfahren zu entscheiden. (dpa/dl)
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