Österreich: „Kühlschrank“ mit Rentieren aus der Altsteinzeit entdeckt

Eine Forschungsgruppe in Niederösterreich hat Teile einer komplexen Steinsetzung freigelegt. Es könnte sich bei diesem Fund um ein überbautes Fleischversteck, einen prähistorischen Kühlschrank, handeln, der einst auf eiszeitlichem Permafrostboden errichtet wurde. Noch heute legen arktische Jäger ähnliche Lager an.
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Zerschlagene Rentierknochen unter der Steinkonstruktion zeugen noch heute von der Verwendung als Fleischversteck.Foto: ÖAW/OREA/Einwögerer
Epoch Times25. Oktober 2019

Hoch über dem Kamptal, zwischen dem Heiligenstein und dem Geißberg, schlug vor langer Zeit eine Gruppe von Jägern mehrmals ihr Lager auf. Hier wollten sie vor allem Rentiere jagen und verarbeiten. Gelagert haben sie ihre Waren in einer Art prähistorischen Kühlschrank.

Rund 23.000 Jahre später, im Sommer 2019, haben Forscher des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) bei Grabungen an der jungpaläolithischen Fundstelle Kammern-Grubgraben nun möglicherweise das Fleischversteck dieser Jäger entdeckt.

Seine Besonderheit: Es ist ein weltweit bisher einzigartiger Fund aus dieser Periode der Menschheitsgeschichte.

Die Freilandfundstelle Kammern-Grubgraben in Niederösterreich aus der Vogelperspektive. Foto: ÖAW/OREA/Einwögerer

Eine Steinpackung als Kühlschrank und Schutz vor Wölfen

Die Funktion der freigelegten und hervorragend erhaltenen Steinkonstruktion als „Fleischspeicher“ liegt laut den Archäologen nahe. Eine Begründung dafür sei, dass noch heute arktischen Jäger ähnliche Lager anlegen. Außerdem sprechen die zahlreichen zerschlagenen Rentierknochen, die hier gefunden wurden, für sich.

Zur Errichtung des Verstecks legten die Menschen einst auf einer kleinen Erhöhung Steinplatten aus, schichteten die Fleischreste und umschlossen die Vorräte mit einer dicken Steinpackung. Diese sorgte für eine ausreichende Durchlüftung und schützte die Nahrung vor Fleischfressern wie Füchsen und Wölfen. Die Kühlung erledigte der eiszeitliche Permafrostboden.

Freilegung des prähistorischen Fleischspeichers durch Archäologen in Kammern-Grubgraben in Niederösterreich. Foto: ÖAW/OREA/Einwögerer

Möglich ist, dass die mobilen Jäger und Sammler Vorräte für Notzeiten anlegten. Denkbar, so die Wissenschaftler, ist für den Grubgraben etwa folgendes Szenario:

Eine Gruppe von Wildbeutern lauerte einer Herde Rentiere auf und tötete einige Tiere. Feuerstellen wurden angelegt und Unterkünfte aufgebaut. Die Tierfelle wurden vor Ort gesäubert und auf ausgelegten Steinplatten getrocknet.

Um das Fleisch längerfristig lagern zu können, errichtete die Gruppe an einer trockenen Stelle des Lagers einen Fleischspeicher und zog weiter. Einige Zeit später kehrte die Gruppe zurück, errichtete erneut ein Lager und öffnete ihren „Kühlschrank“ aus der Steinzeit.

Zerschlagene Rentierknochen unter der Steinkonstruktion zeugen noch heute von der Verwendung als Fleischversteck. Foto: ÖAW/OREA/Einwögerer

Handwerklich geschickt und vorausschauend

Die Freilandfundstelle Kammern-Grubgraben ist eine der wenigen stratigraphisch erfassten Fundstellen vom Ende der letzten Kaltzeit (24.500 bis 18.000 v. Chr.). Seit 2015 leitet Thomas Einwögerer vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW mit finanzieller Unterstützung des Landes Niederösterreich die Grabungen.

Für den Archäologen ermöglicht der nun entdeckte „Fleischspeicher“ wertvolle Einblicke in das Leben und vorausschauende Denken der damaligen Menschen. „Dadurch erfahren wir mehr über die Jagdmethoden der Menschen und den Umgang mit den vorhandenen Ressourcen“, erläutert Einwögerer in einer Pressemitteilung.

Der freigelegte Fleischspeicher, der vor rund 23.000 Jahren von Jägern und Sammlern verwendet wurde, um die Rentierbeute kühl zu lagern. Foto: ÖAW/OREA/Einwögerer

Weiterhin ergänzte er: „Ausgeklügelte Bauwerke mit großen Mengen an herantransportierten Baumaterialien wie Steinen zu errichten, um Fleisch länger geschützt lagern zu können, erforderte für die Jäger und Sammler einen hohen Arbeits- und Zeitaufwand. Das heißt, der Siedlungsplatz war sehr gut organisiert.“

Vom hohen Organisationsgrad seiner Bewohner und der wiederkehrenden Nutzung des Lagerplatzes, zeugen auch weitere Funde, die Einwögerer und sein Team machen konnten. Darunter befinden sich zahlreiche Tierknochen, Steinklingen oder kunstvoller Schmuck in Form von aufgesammelten Fossilien. (ÖAW/ts)

Fund von fossilen Schnecken, die als Schmuck verwendet wurden, sind ein Beispiel für den hohen Organisationsgrad der Menschen im Jungpaläolithikum. Foto: ÖAW/OREA/Einwögerer



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