Mythos Wikinger – Was ist Fakt, was ist Fiktion?

Schiffe mit Drachenköpfen voller wilder und ungepflegter Krieger, die keinen Kampf scheuten und auf ihren Beutezügen raubten und brandschatzten: Das können nur Wikinger sein. Aber waren die berüchtigten Nordmänner wirklich so schlecht, wie ihr Image, oder steckt viel mehr Kultur in ihnen, als wir denken?
Titelbild
Mutig, wild und ungepflegt: Das Bild eines klassischen Wikingers.Foto: iStock
Epoch Times31. Dezember 2018

Die Wikinger waren ein Seevolk vom späten 8. bis frühen 11. Jahrhundert, das sich einen Namen als Händler, Entdecker und Krieger machte. Sie entdeckten Amerika lange vor Kolumbus und waren bis in den fernen Osten Russlands zu finden.

Während diese Menschen oft als Wilde bezeichnet werden, die die zivilisierteren Nationen nach Schätzen und Frauen durchsuchten und diese raubten, sind die Motive und die Kultur des Wikingervolkes überaus vielfältiger.

Die Wikingerzeit

Viele Historiker verbinden den Begriff „Wikinger“ häufig mit dem skandinavischen Begriff „Vikingr“ (zu Deutsch: „Pirat“). Der Begriff bezieht sich jedoch nicht auf das Plündern und Entern, sondern auf Übersee-Expeditionen. In der altnordischen Sprache bedeutete das Wort „Seekrieger, der sich auf langer Fahrt von der Heimat entfernt“.

Noch immer nehmen viele Menschen fälschlicherweise an, dass die Expeditionen der Nordmänner mit dem Raubzug von Klöstern und Städten entlang der Küste verbunden sind. Das stimmt, beinhaltet aber nur einen Teil der Wahrheit. Vielmehr verfolgten die Wikinger die Ziele Handel zu treiben und sich als Kämpfer bei anderen Völkern und Stämmen zu „bewerben.“

Die klassische Darstellung eines Wikingerschiffes. Foto: iStock

Der Beginn des Wikinger-Zeitalters wird auf den Zeitraum um 800 nach Christus datiert, einige Jahre nach dem frühesten aufgezeichneten Überfall. In den 1050er Jahren endet die Wikinger-Ära mit der normannischen Eroberung Englands 1066.

Während dieser Zeit vergrößerte sich der Einflussbereich der skandinavischen Bevölkerung auf alle Ecken Nordeuropas. Die am weitesten verbreiteten Aufzeichnungen von Wikingern stammt jedoch aus Bagdad – für den Handel mit Waren wie Pelz, Stoßzähnen und Robbenfett. Auch in viele anderen Nationen deuten Funde und Aufzeichnungen auf Begegnungen mit Wikingern hin – sowohl friedlich als auch kriegerisch.

„Wilde Krieger ohne Respekt vor der Religion“

Ein Wikingerangriff auf die Mönche von Lindisfarne, einer kleinen Insel vor der Nordostküste Englands, markierte den Beginn der Wikingerwanderung im Jahr 793. Dieses Kloster war ein Ort des Lernens und auf dem ganzen Kontinent bekannt für seine sachkundigen Mönche und ihre umfangreiche Bibliothek.

Bei diesem Überfall töteten die Wikinger viele Mönche oder brachten sie zusammen mit vielen Schätzen als Sklaven in ihre Heimat. Auch die Bibliothek des Klosters blieb nicht verschont und wurde völlig zerstört. Dieses Ereignis bildete die Grundlage dafür, wie die Wikinger während der gesamten Zeit wahrgenommen werden sollten: als „wilde Krieger ohne Respekt vor der Religion oder Anerkennung des Lernens.“

Aufgrund der Häufigkeit von Seeangriffen wurden viele Weiterentwicklungen bei der Errichtung von Befestigungen vorgenommen. Eingemauerte Häfen und zur See gerichteten Steinmauern erwiesen sich dabei als sehr wirksam bei der Abschreckung vor Überfällen.

Die Ruinen des Klosters auf Lindisfarne. Foto: iStock

Noch heute diskutieren Wissenschaftler viel über die Gründe dieser Angriffe. Oft werden die Gründe auf die christliche Verfolgung und die Zwangstaufe von Heiden sowie die geringen landwirtschaftlichen Erträge in Skandinavien zurückgeführt. Doch vermutlich gibt es jedoch viele andere Gründe, die diese Menschen dazu veranlasst haben, ihre kalten und harten Häuser zu verlassen und die Mittel zum Überleben anderswo zu finden.

Trotz der Unerbittlichkeit ihrer Heimat kehrten die meisten Wikinger am Ende einer jeder Saison mit Schätzen, Sklaven und Gütern in ihre Heimat zurück, um einen weiteren Winter zu überleben.

Eine nachgebaute Wikinger-Siedlung in Bork, Dänemark. Foto: iStock

Das Wikingerschiff

Im Herzen der Wikinger-Kultur liegt das Wikingerschiff. Diese außergewöhnlichen Schiffe – vor allem Langschiffe – prägten das Leben der seefahrenden Nordsee und veränderten den Lauf der europäischen Geschichte.

Die schiffbaulichen Fähigkeiten der Nordmänner führte zu einer Vielzahl von Schiffen – von kleinen Fischerbooten und großbäuchigen Frachtschiffen bis hin zu den berühmten blitzschnellen Langstreckenschiffen. Aber unabhängig von der Größe konzipierten sie die meisten Schiffe so, dass diese schmal sind und einen geringen Tiefgang haben. Dies verlieh den Schiffen eine hohe Anpassungsfähigkeit für den Einsatz im Meer und in Flüssen.

Zudem erreichte die Schiffsbaukunst der Wikinger ihren Höhepunkt im 7. Jahrhundert, als sie den Kiel erfanden. Dieses Bauelement ermöglichte größerer Geschwindigkeiten, verbesserte die Stabilität und verhinderte unerwünschte Schlingerbewegungen. Der Kiel, zusammen mit einem großen Mast und einem Segel, hat es den Wikingern letztendlich ermöglicht, lange Reisen zu unternehmen – beispielsweise auch über den Nordatlantik.

Bis zu 20 Eichen für ein Schiff

Zum Beginn des Schiffbaus schlugen die Wikinger Keile in frisch geschnittene Bäume, bis sich das Holz entlang der Maserung spaltete. Dabei verwendeten sie bis zu 20 große Eichen für ein Schiff. Sie formten und ordneten das Holz so an, dass die Dielen in einer Klinkerkonstruktion perfekt zusammenpassen und sich wie ein Fächer überlappten.

Die Außenseite des Rumpfes wurde anschließend mit einer wasserdichten Mischung aus teergetränkten Tierhaaren, Wolle oder Moos beschichtet und mit Eisennieten stabilisiert. Das Endergebnis war ein unglaublich schnelles und flexibles Langschiff, das zur damaligen Zeit unerreichbar war.

Ein nachgebautes Wikingerschiff am Gudvangen Fjord in Norwegen. Foto: iStock

Die Schiffe waren mit einem großen Segel ausgestattet, welches höchstwahrscheinlich aus Wolle gefertigt und mit Lederriemen verstärkt wurde. Bei Windstille ruderten die Männer mit langen Riemen, Ruderbänke, wie sie die Römer und Griechen kannte, hatten sie nicht.

Zum Steuern besaßen die Langschiffe ein, auf der rechten Seite am Heck des Schiffes befestigtes, Ruder. Aus dieser Bauart leitet sich auch die noch heute gültige Bezeichnung „Steuerbord“ – in Fahrtrichtung rechts – ab. Da der Steuermann mit dem Rücken (engl. „back“) zur in Fahrtrichtung linken Seite stand, wird diese Seite „Backbord“ genannt.

Bis heute werden Wikingerschiffe mit ihrem berühmten Drachenkopf als Bugfigur dargestellt. Archäologisch konnten solcherlei Funde jedoch bislang nicht nachgewiesen werden, weshalb ihre wahre Existenz offen bleibt. Dass den Wikingern durchaus Drachen bekannt waren, zeigen diverse Schmuckgegenstände wie Nadeln mit Drachendarstellungen.

Expeditionen in die Neue Welt

Die Wikinger gründeten bereits im 10. Jahrhundert Kolonien an der Westküste Grönlands. Erzählungen beschreiben Reisen, die die Wikinger von Europa bis in die Neue Welt führten. Sie erwähnen Orte mit den Namen „Helluland“ (heute Baffin Island), „Markland“ (heute Labrador) und „Vinland“ (ein mysteriöser Ort, möglicherweise Neufundland).

Der derzeit einzige bestätigte Wikingersiedlung in der Neuen Welt befindet sich in L’anse aux Meadows, an der Nordspitze von Neufundland. Zusätzlich gibt es drei mögliche Wikinger-Siedlungen, die Archäologen kürzlich in Kanada ausgegraben haben.

Die berüchtigsten Mythen über Wikinger

Viele moderne Wahrnehmungen von Wikingern fanden ihren Ursprung in der katholischen Propaganda. Nach der Plünderung mehrerer christlicher Einrichtungen und dem Verlust unzähliger Relikte und Schätze versuchte das katholische Amt, sie zu „entmenschlichen“.

Bis zur Herrschaft von Königin Victoria über Großbritannien wurden die Wikinger noch als gewalttätiges und barbarisches Volk dargestellt. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts änderte sich die Wahrnehmung so weit, dass Wikinger als edle Wilde mit gehörnten Helmen, einer stolzen Kultur und einer gefürchteten Kampfkraft verherrlicht wurden.

Im Hinblick auf die populäreren Wikingermythen, die durch diese Fehleinschätzungen geschaffen wurden, erweisen sich die folgenden nach historischem Vorbild als eindeutig falsch:

1. Wikinger trugen gehörnte Helme

Wikinger gingen traditionell barhäuptig oder trugen einfache Leder- und Metallhelme mit gelegentlichem Gesichtsschutz. Die Idee hinter gehörnten Helmen entstand aus der Wiederbelebung der Wikinger während der Regierungszeit Victorias. Es gibt jedoch weder archäologische Funde, die die Existenz der Hörnerhelme belegen beziehungsweise widerlegen.

2. Sie waren schmutzig und ungepflegt

Archäologische Funde wie Kämme, Löffel und andere Pflegeutensilien deuten darauf hin, dass die Wikinger sehr daran interessiert waren, die Körperpflege aufrechtzuerhalten.

3. Sie verbrachten ihre ganze Zeit mit rauben und kämpfen

Während Raubzüge eine ausgezeichnete Einnahmequelle darstellten, besaßen viele der Wikinger Ackerflächen in ihrer Heimat, die ihre Frauen während der Sommermonate bewirtschafteten. Als die Männer von ihren Beutezügen nach Hause zurückkehrten, setzten sie ihre normale landwirtschaftliche Tätigkeit fort.

4. Wikinger waren eine vereinte Armee

Aufgrund der schwierigen geografischen Lage waren die Skandinavier sehr weit verstreut, um gutes Ackerland zu erhalten. Darüber hinaus verursachte die Christianisierung große Meinungsverschiedenheiten unter den Menschen. Die nordischen Völker waren demzufolge eher entfernte Bekannte als direkte Nachbarn.

5. Sie waren groß und muskulös

Aufgrund der kurzen Wachstumssaison im nordischen Sommer war der Anbau von Nahrung schwierig und die Ressourcen knapp. Infolgedessen waren viele der skandinavischen Menschen durch die begrenzte Nahrungsgrundlage vermutlich viel kleiner als allgemein angenommen.

Der gehörnte Helm ist ein berühmtes Markenzeichen der Wikinger. Doch derartige Kopfbedeckungen gab es vermutlich nie. Foto: LOIC VENANCE/AFP/Getty Images



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