Illegale Spielautomaten boomen in Deutschland
Sie werden Fun Games genannt, aber Jürgen Trümper vom Arbeitskreis gegen Spielsucht versteht hier keinen Spaß. Illegale, also in Deutschland nicht zugelassene Glücksspielautomaten sind nach einer von ihm erstellten Feldstudie bundesweit auf dem Vormarsch.
Sie stehen in Hinterzimmern von Kneipen, fadenscheinigen Gastrobetrieben, windigen Wettannahmestellen oder in Kulturvereinen. Und sie versprechen das schnelle große Geld – bei extrem hohem Verlustrisiko. Nicht nur die sozialen Brennpunkte in den Großstädten sind betroffen, auch in der Fläche finden sie sich.
Fun Games sind brandgefährlich
Da die Automaten illegal sind, gibt es auch keine Meldedaten. Um dennoch einen Überblick zu erhalten, besuchte Trümper für seine nun vorgelegte Feldstudie „Einblicke in den illegalen Glücksspielmarkt 2021“ von Juni bis Oktober vergangenen Jahres verdeckt 1.408 Örtlichkeiten in 150 Kommunen in 13 Bundesländern. Dabei steuerte er gezielt Orte an, die den Verdacht der Illegalität nahelegten.
Die Bilanz: In 44,5 Prozent der aufgesuchten Einrichtungen fanden sich illegale Spielautomaten, häufig neben legalen. Jedes dritte vorgefundene Geldspielgerät war illegal: 32,8 Prozent von insgesamt 3337. In Hamburg – laut Studie ein Fun-Game-Hotspot – ist das Problem bekannt. Nach vorläufiger Einschätzung stünden solche Geräte in mehr als 150 Betrieben und Kulturvereinen, heißt es im Glücksspielreferat der Innenbehörde. „Es ist von einer vierstelligen Summe von Geräten auszugehen.“ Bei diversen Razzien und Durchsuchungen seien solche Geräte sichergestellt worden. Zahlen dazu lagen nicht vor.
Die Fun Games seien hochriskant, warnt Trümper, der seit vielen Jahren von Unna in Nordrhein-Westfalen aus das illegale Glückspiel in Deutschland unter die Lupe nimmt. „Es gibt überhaupt keinen Spielerschutz, keine Spielpause. Sie können mit wesentlich höheren Einsätzen spielen“, sagte der Experte der Deutschen Presse-Agentur. Er habe ein Gerät getestet, „bei dem konnte man in der Spitze für zweieinhalb Sekunden sogenannten Spielspaß 300 Euro einsetzen, natürlich auch mit der entsprechenden Gewinnerwartung.“ Aber genau das mache sie attraktiv.
Pathologisches Spielen
Nutzer seien zumeist problematische oder pathologische Spieler, „die dann auch bereit sind, Haus und Hof an den Geräten zu verlieren“. Trümper spricht aus Erfahrung: Über 15 Jahre hat er als Sozialarbeiter Spieler und deren Angehörige betreut, seit 1992 ist er Geschäftsführer des Arbeitskreises gegen Spielsucht. „Das sind süchtige, kranke Menschen, deren Krankheit hier mittels der Geräte in einem Maß ausgebeutet wird, das ins Unerträgliche geht“, sagt er.
„Insbesondere das Spielen in Spielhallen oder Gastronomiebetrieben scheint mit einem erhöhten Risiko für glücksspielassoziierte Probleme verbunden zu sein“, heißt es aus dem Arbeitsstab des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen. Die Wahrscheinlichkeit für eine krankhafte Spielsucht sei Studien zufolge bei Geldspielautomaten am höchsten, gefolgt von Pokern und Sportwetten.
Die Fun-Game-Automaten stammten zumeist aus dem Ausland, aus China oder Osteuropa, sagt Trümper. Im Internet könne man sie für Preise zwischen 1.700 und 3.000 Euro kaufen – ganz legal. „Lediglich das Aufstellen ist nach Paragraf 6a der Spielverordnung eine Ordnungswidrigkeit.“ Allerdings sei die Rechtsprechung inzwischen dahin gelangt, dass bei Aufstellung immer auch der Tatverdacht auf illegales Glücksspiel gegeben ist – und das ist eine Straftat.
Bis 2008 gab es seinen Schätzungen zufolge bundesweit bis zu 120.000 Fun-Game-Geräte. „Genaue Zahlen gibt es nicht, weil Fun Games unter der Flagge von Unterhaltungsautomaten segelten und deshalb nicht meldepflichtig waren.“ Seit 2008 ist es verboten, sie aufzustellen, aber nun sind sie wieder im Trend. „Die Renaissance ist zum einen begründet durch die begrüßenswerte Einschränkung der legalen Glückspielgeräte, zum anderen aber vor allem durch den Abbau des dritten Gerätes in gastronomischen Betrieben.“
In den vergangenen Jahren wurde die Attraktivität legaler Geräte zum Schutz der Spieler immer weiter verringert. Unter anderem wurden Einsatz- und Verlustmöglichkeiten limitiert, ebenso die Spieldauer. Seit 2019 dürfen in Gastronomiebetrieben nur noch zwei Geldspielgeräte aufgestellt werden, das bis dato erlaubte dritte musste weg.
„Häufig wurden die Verluste aus dem Abbau des dritten Gerätes durch das Aufstellen illegaler Geräte kompensiert, mit denen man zudem viel höhere Einnahmen erzielen kann – und das auch noch an der Steuer vorbei“, sagt Trümper. „Wer lediglich ein Bußgeld von ein paar Hundert Euro zu erwarten hat, entscheidet sich leichter für ein solches Gerät, das nach Einschätzung von Experten rund 10.000 Euro und mehr im Monat Cash bringt.“
Zur Lösung des Problems fordert die Automatenwirtschaft eine Lockerung der Vorgaben für ihre legalen Geräte, um diese attraktiver zu machen. „Aus meiner Sicht ist das der falsche Weg“, sagt Trümper. Dass der Branchenverband seine Studie finanziert hat, ist für ihn kein Problem. Es sei eine Güterabwägung. „Mein Motiv ist ganz klar der Kampf gegen die Ausbreitung des illegalen Glückspiels. Und in diesem Fall decken sich unsere Motive, auch wenn jeweils eine andere Intension dahintersteht.“
Er vertrete die Position, „mit aller gesetzlichen Härte – und die Möglichkeiten haben wir – gegen die Aufstellung illegaler Fun Games vorzugehen“, sagt Trümper. Allerdings wären dafür stärkere Kontrollen nötig. „Viele Ordnungsämter sind personell unterbesetzt, mit sehr vielen sehr unterschiedlichen Aufgaben betraut – und die Kontrolle von Spielstätten ist hier nur ein Unterpunkt. Zudem sind die Mitarbeiter häufig nur unzureichend geschult.“
Trümpers Einschätzung wird auch von Tobias Hayer, Glücksspielforscher an der Universität Bremen, geteilt. „Wir müssen die Ordnungsämter personell aufstocken. Damit sie vor Ort das illegale Glücksspiel sichtbar machen können.“ Dazu müssten die Kompetenzen der Mitarbeiter verbessert werden. „Es geht nicht nur um die personelle Ausstattung, sondern auch um die Sachkunde.“
In Hamburg hat die Glücksspielaufsicht nach Behördenangaben zuletzt 2020 mehrere Schulungen für Polizei und Bezirke durchgeführt. Dann habe die Corona-Krise dem einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Die Schulungen sollen im Rahmen der personellen Kapazitäten möglichst zeitnah fortgesetzt werden“, heißt es in der Hansestadt. (dpa/red)
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