Hochentwickelte Flugstrategien: Die lange Reise der Totenkopfschwärmer
Viele Fluginsekten wandern saisonal und legen dabei teils gewaltige Strecken zurück. Insekten sind damit die kleinsten fliegenden und zahlenmäßig am stärksten verbreiteten Wandertiere der Erde. Zu ihnen gehören wohlbekannte Arten wie der Totenkopfschwärmer, aber auch Arten von großer gesellschaftlicher und ökologischer Bedeutung wie Heuschrecken, Mücken und Bienen. Obwohl die Zahl der reiselustigen Insekten die der bekannteren Wandertiere wie Zugvögel und Co bei Weitem übersteigt, ist ihr Wanderverhalten deutlich weniger erforscht.
Das Problem ist dabei größtenteils methodischer Natur. „Die Erforschung wandernder Insekten ist eine große Herausforderung“, erläutert Studienautor Myles Menz von der James Cook University in Australien. Die Untersuchungen führten die Forscher am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie durch. „Sie sind normalerweise zu zahlreich, um sie zu markieren und wiederzufinden, und zu klein, um Ortungsgeräte zu tragen.“
Totenkopfschwärmer „auf Schritt und Tritt“
Unser heutiges Wissen über die Wanderung von Insekten stammt zu großen Teilen aus Studien, bei denen die Insekten bzw. ihr Standort als einzelne Momentaufnahmen erfasst wurden. Dies geschah beispielsweise per Radar oder durch direkte Beobachtung – beide Methoden sind dennoch mit großen Wissenslücken verbunden. „Zu verstehen, was individuelle Insekten während ihrer Wanderung tun und wie sie dabei auf das Wetter reagieren, ist eine der großen Herausforderungen für die Forschung zum Wanderverhalten von Tieren“, sagt Menz.
Die aktuelle Studie, bei der die Forscher mit Funksendern versehene Insekten in einem Leichtflugzeug „auf Schritt und Tritt“ verfolgt haben, ist eine kleine Neuheit. So ist es die erste Studie, bei der die Wanderung freilebender, nachtaktiver Fluginsekten über einen längeren Zeitraum durchgängig beobachtet werden konnte.
Entsprechend stellten die dabei erfassten Bewegungsdaten einen Rekord für die längste kontinuierlich verfolgte Strecke auf, die die Insekten zurücklegten. Die Untersuchungen führten Forscher des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie und der Universität Konstanz sowie der Universität Exeter (Großbritannien) durch.
Besonderes Augenmerk legten sie dabei auf den Totenkopfschwärmer – einen großen, nachtaktiven Falter. Dieser legt auf seinen Wanderungen jedes Jahr bis zu 4.000 Kilometer zwischen Europa und Afrika zurück. Wie bei vielen Insekten üblich wird diese Strecke jedoch nicht von einzelnen Individuen, sondern generationsübergreifend zurückgelegt. Das bedeutet, dass kein Einzeltier die gesamte Route kennt.
Raupen ohne Vorkenntnisse
Für ihre Studie zog die Forscher die Raupen des Totenkopfschwärmers bis zum Erwachsenenstadium im Labor auf. So wollten sie sicherstellen, dass die Tiere unvoreingenommen waren und keine Vorkenntnisse hatten. Sobald sie Erwachsen waren, erhielten die Tiere winzige Funksender, die lediglich 0,2 Gramm wogen. „Die Nahrung, die ein Falter jede Nacht aufnimmt, entspricht wahrscheinlich mehr als diesem Gewicht. Die Sender sind also für die Insekten sehr leicht“, so Menz.
Nach Anbringung der Sender ließen die Forscher die Falter frei und warteten auf deren Abflug. Dabei konzentrierten sie sich jeweils auf die Beobachtung eines einzelnen Tieres. Insgesamt verfolgte das Team 14 Nachtfalter. Dies geschah über eine Zeit von maximal vier Stunden und über eine Strecke von bis zu 80 Kilometern. Letztere ist für die Tiere eine gewöhnliche nächtliche Wanderroute.
Um die Tiere zu verfolgen, nutzten die Forscher ein mit Antennen ausgestattetes Kleinflugzeug. Von dort aus ermittelten die Forscher alle fünf bis 15 Minuten den genauen Standort der Falter. Die Insekten flogen dabei in südsüdwestlicher Richtung von Konstanz bis in – und teils über – die Alpen. Dies entspricht der Route der Totenkopfschwärmer in Richtung Mittelmeer und Nordwestafrika.
Dem inneren Kompass folgend
Die Ergebnisse der aktuellen Studie konnten zeigen, dass die Nachtfalter während des Fluges über weite Strecken vollkommen gerade Flugbahnen einhielten. Das lag allerdings nicht daran, dass sie abwarteten, bis der Wind günstig im Rücken stand. Vielmehr setzten sie eine Reihe von Flugstrategien ein, um die vorherrschenden Winde zu kontern und so ihren Kurs die Nacht hindurch zu halten: Stand der Wind tatsächlich günstig, flogen sie hoch und langsam und ließen sich von der Luft tragen. Bei starkem Gegen- oder Seitenwind hingegen flogen sie niedrig und erhöhten ihre Geschwindigkeit, um die Kontrolle über den Kurs zu behalten.
„Jahrelang ging man davon aus, dass sich Insekten bei der Langstrecken-Wanderung hauptsächlich vom Wind treiben lassen. Wir konnten jedoch zeigen, dass Insekten echte Navigationsexperten sein können, die zum Beispiel den Vögeln ebenbürtig sind, und dass sie weit weniger anfällig für nachteilige Windbedingungen sind, als wir dachten“, erklärt Menz.
Für die Autoren der Studie wird der nächste Schritt darin bestehen, der Frage nachzugehen, wie Totenkopfschwärmer die Richtung zu ihren Zielorten bestimmen, um diese geradlinig anzufliegen. „Ausgehend von früheren Arbeiten besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Insekten interne Kompasse verwenden, sowohl visuelle als auch magnetische, um ihre globalen Flugwege festzulegen“, sagt Menz. (ts)
(Mit Material des Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie Konstanz)
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