Geben gravierte Steintrommeln einen Hinweis auf die Erbauung von Stonehenge?

Sie sehen unscheinbar aus und könnten als Dekoration gedient haben: die geschnitzten Kreidezylinder aus Yorkshire, England. Forscher fanden nun heraus, dass die Steintrommeln viel mehr als nur Deko waren und vielleicht sogar beim Bau von Stonehenge eine Rolle spielten.
Titelbild
Nutzten die Erbauer von Stonehenge die sogenannten Folkton-Trommeln für den Bau ihrer Kreisanlage?Foto: Charlotte Zink/Illustration/dpa
Epoch Times7. Februar 2019

Auf den ersten Blick erscheinen diese Objekte als einfache unspektakuläre Steingefäße. Doch ihre reichen, 4.000 Jahre alten Gravierungen enthalten für britische Forscher eine wichtige Information: eine alte Maßangabe.

3,22 Meter als Standardmaß

Forscher von der University of Manchester und dem University College London erkannten an den Steinobjekten eine feste Anzahl von Windungen einer Schnur. Errechnet ergibt sie ein Standardmaß von 3,22 Metern, das laut den Forschern, für die Gestaltung vieler neolithischer Stein- und Holzkreise verwendet wurde.

Drei der kunstvoll geschnitzten Kreidezylinder wurden 1889 in der Nähe des Dorfes Folkton in Yorkshire im Norden Englands gefunden. Der kleinste ist 10,4 Zentimeter groß, der mittlere 12,4 cm und der größte 14,6 cm.

William Greenwell entdeckte die Objekte in dem Grab eines Kindes. Die Datierung reicht von der späten Jungsteinzeit (3000 – 2500 vor Christus) bis zur frühen bronzezeitlichen Becherzeit (2500 – 1800 vor Christus) in Großbritannien.

Aufgrund des Fundortes und der ungewöhnlichen Form der Zylinder nennen Archäologen die Objekte „Folkton-Trommeln„. Sie galten als einzigartig, bis mehr als 100 Jahre später im Dorf Lavant an der englischen Südküste ein sehr ähnlich gravierter Kreidezylinder gefunden wurde, die sogenannte Lavant-Trommel.

Das Vielfache eines alten Maßes

In einem Artikel des British Journal for the History of Mathematics erklärten die Forscher, dass der Umfang der Folkton- und der Lavanttrommel auf einem Vielfachen eines alten Maßes basiert. Das unter Archäologen als „langer Fuß“ bekannte Maß entspricht 32,2 cm.

Frühere Untersuchungen deuten darauf hin, dass dieser lange Fuß eine Standardlänge für die Messung der konzentrischen Kreise an neolithischen Denkmälern wie Stonehenge und Durrington Walls war.

Stonehenge in Südengland. Foto: Andrew Cowie/AFP/Getty Images

Die britischen Archäologen erkannten demnach, dass eine Schnur, die sich zehnmal um die kleinste der Folktontrommeln wickelt,, genau 10 „langen Fuß“ entspricht. Die neolithischen Menschen benutzten diese Länge unter anderem zur Anordnung mehrerer alter Henge-Denkmäler.

Dieser Vorgang kann auch bei den anderen Zylindern beobachtet werden. So erhält man eine Länge von 10 langen Fuß, indem man eine Schnur siebenmal um die größte der Folktontrommeln wickelt, und achtmal um die mittelgroße Trommel, so die Forscher. Eine Schnur neunmal um die Lavant-Trommel zu wickeln, würde ebenfalls 10 langen Fuß entsprechen.

Doch warum gibt es mehrere Objekte mit derselben Maßangabe?

Die Hauptautorin der neuen Studie, Anne Teather von der University of Manchester, sagte, es sei nicht klar, warum die Menschen Objekte unterschiedlicher Größe verwendeten, um das Standardmaß von 10 langen Füßen zu erhalten. „Es gibt nicht eine, sondern vermutlich mehrere mögliche Erklärungen“, sagte Teather in einer E-Mail zu Live Science.

„Wir glauben, dass alle Trommeln, unabhängig von ihrer Größe, zehn lange Fuß ergeben. Aber durch eine unterschiedliche Unterteilung des Maßes war es möglich auch kürzere Abschnitte zu messen, wenn nötig.“

„Eine weitere Erklärung ist, dass die Trommeln eine Art Lehrmittel waren. Möglicherweise demonstrierte man mit ihnen einige Grundlagen der Mathematik und Geometrie“, erklärte die Archäologin.

Da die Folktontrommeln in einem Kindergrab gefunden wurden, denken die Forscher, dass die Objekte eine symbolische Verbindung zur Kindheit hatten.

„Standardmessungen wurden in irgendeiner Art mit Kindern oder Wachstum oder dem menschlichen Lebenszyklus einschließlich Lernen und Wissensvermittlung zwischen Generation in Verbindung gebracht“, schrieb Mike Parker Pearson, Archäologe am University College London, in einer Erklärung. „Diese Gegenstände waren mit ziemlicher Sicherheit prestigeträchtig, aber wie oder inwieweit sie soziale Macht symbolisierten, ist unbekannt.“

Prähistorische Holzoriginale

Die Archäologen denken zudem, dass die Trommeln nicht die eigentlichen Geräte für den Bau prähistorischer Denkmäler sind. Stattdessen sind sie vielmehr Repliken.

„Kreide ist nicht das am besten geeignete Material für die Herstellung von Messgeräten. Es wird daher angenommen, dass es sich bei den Objekten um Nachbildungen von Originalen aus Holz handeln könnte“, schrieb der Archäologe Andrew Chamberlain, Co-Autor der neuen Studie.

„Allerdings erhält sich das Holz in den meisten neolithischen archäologischen Stätten nicht. So wundert es auch nicht, dass wir im prähistorischen Großbritannien noch keine Holzmessgeräte gefunden haben“, sagte er.

Die Erbauer von Stonehenge verfügten über geometrisches Fachwissen

Die neuesten Forschungen zeigen, dass die Folkton- und Lavant-Trommeln einen ganz anderen Ursprung hatten als eine andere Art von prähistorisch geschnitzten Objekten. Gemeint sind damit neolithischen Steinkugeln, die Wissenschaftler besonders in Nordeuropa fanden.

Bislang sind mehr als 500 Steinkugeln bekannt, die neolithische Bauern vor etwa 5.000 Jahren von Hand schnitzten. Sie stammen vor allem aus dem Nordosten Schottlands, von den Orkney-Inseln, Teilen Englands, Irlands und Norwegens. Bereits zu Beginn schlossen die Forscher jedoch die Möglichkeit als Messwerkzeug aus. Heute wird allgemein angenommen, dass sie hauptsächlich dekorativen Zwecken dienten.

Die Folkton- und Lavanttrommeln dagegen deuten darauf hin, dass die neolithischen Monumentalerbauer von Stonehenge und anderen über geometrisches Fachwissen verfügten. Dies feierten die Menschen möglicherweise oder gaben sie den Kindern in ihrer Kultur weiter.

„Die Existenz dieser Messgeräte […] impliziert ein fortgeschrittenes Wissen im prähistorischen Großbritannien über Geometrie und die mathematischen Eigenschaften von Kreisen“, sagte Chamberlain abschließend.

Den Link zur PDF (Englisch) finden Sie hier: The chalk drums from Folkton and Lavant: Measuring devices from the time of Stonehenge



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