Knochenfunde belegen: Denisova – „erste Menschenform im Hochland von Tibet“
Bislang stammt alles, was die Wissenschaftler über Denisovaner wissen, von einer Handvoll Zähne und Knochenfragmente aus der Denisova-Höhle im russischen Altai-Gebirge. Die DNA aus diesen Überresten enthüllte, dass die Denisovaner eine Schwestergruppe der Neandertaler waren. Beide stammen von einer Population ab, die sich vor etwa 550.00 – 765.000 Jahren von den modernen Menschen entfernte.
„Spuren von Denisova-DNA sind im Erbgut heute lebender asiatischer, australischer und melanesischer Populationen zu finden, was darauf hindeutet, dass diese Menschenform einst weit verbreitet gewesen sein könnte“, sagt Jean-Jacques Hublin, Direktor der Abteilung für Humanevolution am MPI-EVA in einer Pressemitteilung. „Doch bisher wurden Fossilien ausschließlich in der Denisova-Höhle als Denisovaner-Fossilien identifiziert.“
Der neue Unterkiefer aus der Baishiya Karst-Höhle
In ihrer aktuellen Studie beschreiben die Forscher nun das Fragment eines Unterkiefers mit zwei Backenzähnen, aus der Baishiya Karst-Höhle in Xiahe (China). Bereits 1980 entdeckte ein Mönch das Fossil dort auf 3300 Metern Höhe und schenkte es dem 6. Gung-Thang Living Buddha, der es dann wiederum der Lanzhou University weitergab.
Daraufhin untersuchten Fahu Chen und Dongju Zhang von der Lanzhou University seit 2010 die Höhle, aus der der Unterkiefer stammt. Seit 2016 analysieren die beiden den Unterkiefer in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Humanevolution des Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig.
Während die Forscher keine DNA-Spuren in diesem Fossil finden konnten, gelang es ihnen, Proteine aus einem der Backenzähne zu gewinnen.
„Diese alten Proteine sind stark zersetzt und klar von modernen Proteinen zu unterscheiden, die eine Probe verunreinigen können“, sagt Frido Welker vom MPI-EVA und der Universität Kopenhagen. „Unsere Proteinanalyse hat ergeben, dass der Xiahe-Unterkiefer zu einer Population gehörte, die eng mit den Denisova-Menschen aus der Denisova-Höhle verwandt war.“
Gegenüber Nature äußerte sich Katerina Douka, Archäologin am Max-Planck-Institut für die Wissenschaft der Menschheitsgeschichte in Jena, begeistert über die Entdeckung: „Das ist eine fantastische Arbeit. Es sagt uns, dass wir auf die richtige Stelle schauen.“ Sie selbst leitet ein eigenes Projekt zur Aufdeckung von Denisova-Fossilien in Asien.
Primitive Form, große Backenzähne
Die robuste, primitive Form des gut erhaltenen Unterkiefers und die sehr großen Backenzähne deuten darauf hin, dass der Knochen einst einem Frühmenschen gehörte, der im Mittleren Pleistozän lebte. Laut den Forschern habe er zudem ein „fliehendes Kinn“ gehabt und sei wahrscheinlich ein Jugendlicher gewesen. Weiterhin weist er anatomische Merkmale von Neandertalern und Funden aus der Denisova-Höhle auf.
Anhand von Uran-Thorium-Datierung der Kalkkruste auf dem Unterkiefer konnten die Forscher außerdem belegen, dass der Kiefer mindestens 160.000 Jahre alt ist. Chuan-Chou Shen von der Abteilung für Geowissenschaften der National Taiwan University führte die Datierung durch. Er fügte hinzu: „Dieses Mindestalter entspricht dem der ältesten Funde aus der Denisova-Höhle.“
„Bei dem Xiahe-Unterkiefer handelt es sich wahrscheinlich um das älteste Fossil eines Homininen im Hochland von Tibet“, sagt Fahu Chen, Direktor des Institute of Tibetan Plateau Research der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.
Lange vor dem Homo sapiens an den speziellen Lebensraum angepasst
Diese Menschen hatten sich bereits an das Leben in dieser höhenbedingt sauerstoffarmen Umgebung angepasst. Lange bevor der Homo sapiens überhaupt in der Region ankam, so die Forscher. Frühere genetische Studien haben ergeben, dass die heute im Himalaja lebenden Menschen das EPAS1-Allel in ihrem Genom tragen. Dies gaben die Denisovaner an sie weiter und half ihnen bei der Anpassung an ihren speziellen Lebensraum.
„Urmenschen bewohnten das Hochland von Tibet im Mittleren Pleistozän und hatten sich schon lange vor der Ankunft des anatomisch modernen Menschen in der Region erfolgreich an diese hoch gelegene, sauerstoffarme Umgebungen angepasst“, sagt Dongju Zhang.
Hublin zufolge bestätigen Ähnlichkeiten mit anderen Fossilfunden aus China, dass die Denisovaner im aktuellen asiatischen Fossilbestand bereits vertreten sein dürften.
„Unsere Analysen ebnen nun den Weg zu einem besseren Verständnis der homininen Evolutionsgeschichte während des Mittelpleistozäns in Ostasien. Meine Hypothese ist, dass es sich bei einem Großteil der Fossilien aus China oder Ostasien, die älter als 50.000 Jahre und jünger als 350.000 Jahre sind, wahrscheinlich um Denisova-Menschen handelt.“ (ts/afp)
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