„Broders Spiegel“
Euphemistische Betrachtungen zur vierten Welle und dem Dritten Reich
Für Publizist Henryk M. Broder weckt das Wort Impfdurchbruch Erinnerungen an die Vergangenheit. Bereits im Dritten Reich wurden Euphemismen in der Sprache benutzt, um eine Ideologie zu transportieren. Beschönigende Umschreibungen der Politik sieht der Autor auch während der Corona-Pandemie.

Ein Spiegel.
Foto: iStock
Deutschland beschäftigt die vierte Welle der aus China eingeschleppten COVID-19-Erkrankung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bezeichnete sie wiederholt als „Pandemie der Ungeimpften“. Allerdings verlaufen die Dinge gerade anders als vorausgesagt. Das Virus erzeugt immer mehr Impfdurchbrüche.
Auch der Publizist und Bestsellerautor Henryk M. Broder beschäftigt sich in seinem Format „Broders Spiegel“ mit der Problematik. Broder lässt sein Spiegelbild in die Rolle eines fiktiven Menschen schlüpfen, der gerade einen Impfdurchbruch erlebt hat: doppelt geimpft und doch infiziert.
Immer mehr Euphemismen
Das Wort „Impfdurchbruch“, so Broders Spiegel, zeige die Tendenz und die Fähigkeit zum Euphemismus in der Deutschen Sprache, eine Sache folglich mit mildernden Worten zu beschönigen.
Heute redeten alle von „Durchbrüchen“, von Zehntausenden von Durchbrüchen, von Impfdurchbrüchen. Durchbrüche seien eigentlich was Positives: Durchbrüche bei Verhandlungen oder etwa medizinische Durchbrüche. Doch jetzt werde das Wort „Durchbruch“ auf etwas Negatives angewandt, „auf ein Ereignis, das nämlich gar nicht vorgesehen war“.
Eine Analogie zieht Broders Spiegel mit dem von Nationalsozialisten benutzten Begriff des „Lebensraums im Osten“. Damit sei ja auch etwas anderes gemeint gewesen. Ebenso wie beim „antifaschistischen Schutzwall“, da sei auch was anderes gemeint gewesen.
Die Nationalsozialisten nutzten den Begriff „Lebensraum im Osten“ als propagandistisches Schlagwort für den „gerechten“ Kampf des deutschen Volkes um Raum und Boden. Die Vorstellung wurde rassenbiologisch begründet und zum Zentralbegriff der nationalsozialistischen Expansionsideologie.
„Ich würde mich gern mehr darüber aufregen oder etwas kräftiger aufregen, aber mein Stimmvolumen ist begrenzt“, sagt Broders Spiegel.
Die Sprache des Dritten Reiches
Und noch ein Begriff aus dem heutigen Pandemiegeschehen bringt Broders Spiegel zur Sprache: „Wellenbrecher-Lockdown“. Von dem habe Armin Laschet vor einem Jahr schon gesprochen. „Dann wurden andere Lockdowns erfunden.“ Auch die dritte Impfung heiße nicht einfach dritte Impfung, sondern „Auffrischungsimpfung“. Als wenn da irgendetwas liegen geblieben wäre, was aufgefrischt werden müsste. Oder „Booster-Impfung“, so Broders Spiegel.
Alle diese Begriffe könnten Broders Spiegel nach auch in dem „wunderbaren Buch von Victor Klemperer stehen: ‚Lingua Tertii Imperi‘“, in dem der 1960 verstorbene deutsche Literaturwissenschaftler die Sprache des Dritten Reiches untersucht habe „und wie sie eben damals mit Euphemismen gearbeitet haben“.
An einen verschwörerischen Masterplan, dessen Opfer wir alle gerade geworden seien, glaube Broders Spiegelbild allerdings nicht. Vielmehr glaube er, dass sich all jene, die mit Corona zu tun hätten, „an der Wirklichkeit vorbeischleichen“, die Politiker, die Gesundheitsmenschen, die Experten und auch „mein Gewerbe, die Journaille“.
„Und so, wie sie nach der Niederlage von Stalingrad noch daran geglaubt haben, es könnte irgendwann doch noch mal einen Endsieg geben“, so glaubten heute „ganz andere Leute, aber mit derselben Haltung zum Leben daran“, dass man Corona auf administrativem Wege besiegen könnte.
Was natürlich nicht gehe, was man gerade auch erlebe. Broders Spiegelbild zieht abschließend noch einen Vergleich: Wenn jemand mit einem Auto gegen die Wand fahre und dann sage, das sei eine Maßnahme zur Verkehrssicherheit gewesen, „dann weiß ich genug, um zu wissen, dass so etwas nicht stimmen kann“.
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