Altkanzlerin Merkel stellt sich Journalisten-Fragen
Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt sich heute erstmals seit dem Ende ihrer Kanzlerschaft den Fragen eines Journalisten.
Unter anderem wird erwartet, wie sie sich vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine über ihre Russland-Politik und ihr Verhältnis zu Präsident Wladimir Putin äußert. Die 67-Jährige will im Gespräch mit dem „Spiegel“-Reporter Alexander Osang laut Einladung zu „den herausfordernden Fragen unserer Gegenwart“ Stellung beziehen. Die Veranstaltung wird vom Aufbau Verlag und dem Berliner Ensemble organisiert. Osang hat Merkel mehrfach porträtiert.
Merkel zum russischen Krieg gegen die Ukraine
Merkel hatte nach der Wahlniederlage von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) bei der Bundestagswahl im September 2021 am 26. Oktober ihre Entlassungsurkunde erhalten. Sie war noch bis zur Vereidigung ihres SPD-Nachfolgers Olaf Scholz am 8. Dezember geschäftsführend im Amt. Die CDU-Politikerin hatte damals für die Zeit nach Amtsende eine mehrmonatige Ruhephase und öffentliche Auszeit angekündigt. Zum Krieg in der Ukraine hatte sie sich in den vergangenen Monaten nur in wenigen schriftlichen Stellungnahmen geäußert.
Am vergangenen Mittwoch beendete Merkel ihre öffentliche Zurückhaltung und hielt die Laudatio beim Abschied des langjährigen DGB-Chefs Reiner Hoffmann. Sie wolle als Bundeskanzlerin außer Dienst keine Einschätzungen von der Seitenlinie abgeben, sagte sie dabei. Doch zu sehr markiere Russlands Einmarsch einen eklatanten Bruch des Völkerrechts in der Geschichte Europas nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie unterstütze alle entsprechenden Anstrengungen der Bundesregierung, der EU, der USA, der Nato, der G7 und der Uno, „dass diesem barbarischen Angriffskrieg Russlands Einhalt geboten wird“.
Verhältnis der ehemaligen Kanzlerin zu Putin
Merkel hatte in ihrer Amtszeit stets Wert darauf gelegt, den Gesprächsfaden zu Putin nicht abreißen zu lassen. So wollte sie ein Fenster für diplomatische Krisenlösungen offen halten. Angesichts der deutschen Abhängigkeit von russischen Energielieferungen wird Merkels Umgang mit der russisch-deutschen Gaspipeline Nord Stream 2 kritisiert. Inzwischen hat SPD-Kanzler Olaf Scholz das Projekt gestoppt.
Die Zeit nach Merkels Abschied aus dem Amt
Schon Mitte Juli 2021 hatte Merkel bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Johns-Hopkins-Universität in Washington gesagt, sie wolle es nach Ende ihrer 16-jährigen Amtszeit langsam angehen lassen. Sie wolle nachdenken, „was mich so eigentlich interessiert“. Merkel war seit 2005 Bundeskanzlerin und bei der Bundestagswahl am 26. September nicht noch einmal angetreten.
Nach Informationen aus ihrem Umfeld hat sich die Ex-Kanzlerin in den ersten Wochen nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt nahe Templin in der Uckermark aufgehalten, wo sie ein Haus hat.
Ihre nachamtlichen Termine wolle Merkel gezielt aussuchen, um den einen oder anderen Impuls zu setzen, heißt es. Merkel hat viele Anfragen aus dem Wissenschaftsbereich für Gastprofessuren erhalten, diese aber bisher abgelehnt. Auch ein geplantes Buchprojekt mit ihren Memoiren dürfte noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen.
Wie die Veranstaltung entstanden ist
Der Auftritt im Berliner Ensemble gehört zum Plan Merkels für einen Wiedereinstieg in die Öffentlichkeit. Hintergrund des Gesprächs ist ein 2021 im Aufbau Verlag erschienenes Buch mit dem Titel „Was also ist mein Land?“. Darin sind drei Reden Merkels abgedruckt: Ihre Ansprache zum Tag der Deutschen Einheit 2021, die Rede vor der israelischen Knesset 2008 und Äußerungen zu ihrer Entscheidung von 2015, in der damaligen Flüchtlingssituation die deutschen Grenzen offenzuhalten. Beteiligungen Merkels an dem Buch gehen auf Wunsch der aus Ostdeutschland stammenden Altkanzlerin an die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Merkel hatte dann im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen des Buches die Idee für das Theatergespräch mit einem Journalisten.
Wie geht es weiter?
Merkel will dem Vernehmen nach unbedingt den Anschein vermeiden, sie fühle sich als Neben- oder Schattenkanzlerin. Sie wolle zeigen, wie man als Altkanzlerin agieren könne, die anders als ihre Vorgänger Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) nicht abgewählt worden, sondern freiwillig aus dem Amt geschieden sei. Aufsichtsratsmandate wie Schröder etwa bei russischen Gaskonzernen will Merkel nach diesen Informationen nicht übernehmen. Gut möglich aber, dass es demnächst weitere öffentliche Auftritte bei Gesprächen mit Journalisten und auch wieder Interviews geben wird. (dpa/red)
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