Zuflucht im Happy Valley

Interview mit dem Generalsekretär der Tibetan Homes Foundation in Indien
Titelbild
Foto: Tibetan Homes Foundation
Epoch Times8. Dezember 2009

Ein Zuhause für Tibeter im Exil: Im Jahre 1962 wurde die Tibetan Homes Foundation (THF) in Mussoorie in Indien gegründet. Die Gründung der Organisation ist Zeugnis der Tötung und Massenvernichtung im Tibet der 1950er Jahre. Die THF ist eine Stiftung, die von Tendzin Gyatsho, dem 14. Dalai Lama, nach seiner Flucht im Jahre 1959 aus Tibet gegründet wurde. Viele der in Tibet lebenden Kinder mussten auf ihrer Flucht die Berge überwinden, Kälte und Schmerzen erleiden, bis sie oft nach Monaten erst über die Grenze nach Indien kamen. Jedes Jahr kommen ungefähr 200 Kinder. Die Kinder, die von der Tibetan Homes Foundation aufgenommen werden können, sind zwischen 6 und 12 Jahre alt.

Tashi Phuntsok, Generalsekretär der Tibetan Homes Foundation: „Es ist sehr schwer zu verstehen, warum heute noch Menschen ihre Heimat verlassen müssen.“Tashi Phuntsok, Generalsekretär der Tibetan Homes Foundation: „Es ist sehr schwer zu verstehen, warum heute noch Menschen ihre Heimat verlassen müssen.“Foto: Eckehard Kunkel/The Epoch Times Deutschland

Epoch Times: Herr Tashi Phuntsok, aus welchen Gründen sind Sie von Indien hierher nach Deutschland gereist?

Tashi Phuntsok: Ich bin hier nach Deutschland, speziell hier nach Heidelberg wegen dem 20. Jubiläum der Schwetzinger Tibethilfe gekommen, die von Franz Maucher und seinen Freunden gegründet wurde und die seit nunmehr 20 Jahren für das Exiltibet in Indien arbeitet und vor allem für die Tibet Homes Foundation. Zu diesem Anlass hat mich die Schwetzinger Tibethilfe eingeladen.

Epoch Times: Sie sind Generalsekretär der Tibet Homes Foundation, wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen, haben Sie direkten Kontakt mit den Kindern?

Phuntsok: Ich habe die übergeordnete Aufgabe, mich um die Foundation zu kümmern und um alle Personen, die daran beteiligt sind. Wir haben fast 2000 Kinder, 101 Senioren, 350 Mitarbeiter, außerdem 141 Kinder, die im College studieren. Es ist meine Aufgabe zu schauen, dass alle gute Ausbildungsmöglichkeiten haben, zu schauen, ob alles richtig und angemessen ist, haben Sie die richtige Behausung, sind sie richtig versorgt. Und die wichtigste Sache, ich habe dafür zu sorgen, dass sie eine Ausbildung bekommen, in der ihnen Kultur, also die traditionelle tibetische Kultur nahe gebracht wird sowie die übliche Ausbildung. Unsere Kinder sind die Bewohner des zukünftigen Tibets.

Leben im Exil: Die Tibetan Homes Foundation ist eine wichtige tibetische Exilorganisation, die heimatlosen Kindern und Senioren ...Leben im Exil: Die Tibetan Homes Foundation ist eine wichtige tibetische Exilorganisation, die heimatlosen Kindern und Senioren …Foto: Tibetan Homes Foundation

Epoch Times: Die Region, wo sich ein Teil der Foundation befindet, wird Happy Valley genannt, wie kommt es dazu?

Phuntsok: Mussoorie ist eine sehr wichtige und offene Stadt in Indien, sie wird auch The Queen of  Hills genannt. Sie befindet sich zirka 2000 Meter über dem Meeresspiegel. Während der Zeit, in der Großbritannien Indien regiert hatte, war es einer der Lieblingsplätze der britischen Offiziere und den Damen, die ihren Sommer in den Bergen verbrachten. Der Name Happy Valley wurde von den Engländern gegeben. Aber es ist ein passender Name für uns und unsere Kinder. Weil wir ein Zuhause für Kinder aus Tibet sowie Kinder von Familien, die benachteiligt sind, anbieten. Deshalb ist die Einrichtung Tibet Homes Foundation in Happy Valley richtig in dem Sinn, dass unsere Kinder Glück in Happy Valley finden (lacht).

Epoch Times:
Wie kommen die Kinder zu Ihnen, sind alle Kinder Flüchtlingskinder?

Phuntsok: In der THF haben wir Heime speziell für die hilfebedürftigen Kinder. Allgemein haben wir zwei Arten von Kindern, solche die von Tibet kommen , das sind 80%. Die restlichen 20% – wir haben auch eine große tibetische Gemeinschaft um Mussoorie herum. In diesen Gemeinschaften gibt es Familien, die arm sind, mit Kindern, die hilfebedürftig sind. Solche Kinder finden auch in Tibet Homes Foundation ein Zuhause.

Epoch Times: Was sind das besondere an der tibetischen Kultur, die sie die Kinder in ihrem Dorf lehren?

Phuntsok:
Der tibetische Lebensstil ist Freundlichkeit, Barmherzigkeit, Harmonie, Respekt gegenüber den Älteren und den Jüngeren, gegenseitige Hilfe, und natürlich die tibetische Sprache sprechen und verstehen können. Dies ist möglicherweise das, was die tibetische Identität aus macht.

... Schutz und Hilfe anbietet.… Schutz und Hilfe anbietet.Foto: Tibetan Homes Foundation

Epoch Times: Gibt es besondere tibetische Rituale für die Kinder?

Phuntsok: Ja, sie sind Bestandteil ihres Tagesablaufs. Zum Bespiel haben wir jeden Monat eine spezielle Rauchwerk-Zeremonie. An den tibetischen Feiertagen haben die Kinder und die Mitarbeiter eine Zusammenkunft. Auch in der Schule gibt es Aktivitäten wie den tibetischen Kalligraphie-Wettbewerb und verschiedene andere Wettbewerbe. In unserer Schule haben wir eine Operngruppe. Diese Gruppe führt verschiedene tibetische Stücke auf. Wir haben auch etwas, was man tibetische Dialektik nennt. Das haben wir in unserer Schule eingeführt und ist speziell für tibetische Buddhisten.

Wir haben die Pflicht, unsere Kinder nicht nur in traditioneller Kultur auszubilden sondern auch in moderner. So müssen wir die Tradition und die Moderne miteinander harmonisieren. Bis zur Klasse 5 werden alle Fächer außer Englisch auf tibetisch gelehrt. Nach der Klasse 5 wechseln wir zum Englischen, das heißt, außer der tibetischen Sprache werden alle anderen Fächer in Englisch gelehrt.

Epoch Times:
Wann kann ein Kind sich von ihrer Foundation verabschieden?

Phuntsok: (lacht) Das können sie immer – das ist ein Witz.

Sie können sich dann von der THF verabschieden, wenn sie oder er sich dafür reif fühlt. Warum sage ich das? Wenn Kinder die Schule nicht zu Ende machen können, haben wir ein Berufstrainingszentrum. Kinder, die also keinen Abschluss haben, kommen in das Trainingszentrum. Das dauert zirka 4-5 Jahre. Wenn sie dies abgeschlossen haben und sie auf sich selbst aufpassen können, fein. Dann können sie sich von uns verabschieden. Manche sind 20, manche 25 Jahre alt, das ist ganz verschieden. Da wir kein festgelegtes Alter haben, ab dem sie in die Schule gehen.

Für die die es gut gemacht haben, können wir Stipendien anbieten. Diese Kinder, die auf die Hochschule kommen, verabschieden sich nicht von uns. Sie sind immer noch in unserer Obhut. Wenn sie dann möchten, können sie sich verabschieden. Aber es gibt immer eine Möglichkeit, zu uns zurück zu kommen.

Jugendliche beim Zeichnen - die tibetische Kultur soll nicht verloren gehen.Jugendliche beim Zeichnen – die tibetische Kultur soll nicht verloren gehen.Foto: Tibetan Homes Foundation

Wir haben auch Kinder, die ihr Studium beendet haben und zurück kommen, um hier zu arbeiten, als Lehrer, als Mitarbeiter. Wir haben über 300 Mitarbeiter und ungefähr 100 davon sind unsere früheren Studenten. Wenn man älter ist, haben wir ein Altenheim. Hier haben sie kostenloses Wohnen – freier Zugang zu Elektrizität, Wasser, Medikamenten. Wenn sie sterben, dann tun wir all die Dinge die dann notwendig sind. Tibetan Homes Fountaiotn betreut also von Geburt bis zum Sterben.

Epoch Times: Wie sieht es mit der Finanzierung aus?

Phuntsok: Darum bin ich hierher gekommen (lacht). Wir haben allgemein einige Möglichkeiten für unsere Fonds. Eines sind die einzelnen Sponsoren, zweitens Organisationen wie  Schwetzinger Tibethilfe, drittens haben wir einige internationale Gruppen wie SOS Kinderdorf. Wir sind der Schwetzinger Tibethilfe und speziell Franz Maucher sehr dankbar, da er die Tibethilfe vor 20 Jahren mit einigen Freunden gegründet hat und uns seitdem hilft.  Derzeit unterstützt seine Gruppe 170 Kinder und 3 Senioren mit Patenschaften. Wenn wir-  über 170 Kinder sprechen, dann sprechen wir von fast 30 € pro Monat/Kind.

Epoch Times: Welche anderen Möglichkeiten gibt es für deutsche Bürger, ihren Kindern zu helfen?

Phuntsok: Diejenigen, die der Tibet Homes Foundation helfen möchten, können die Schwetzinger Tibethilfe kontaktieren, wenn sie im Süden oder Mitteldeutschland leben. Oder im Norden von Deutschland die Tibethilfe Deutschland. Sie können diesen beiden  Gruppen beitreten.

Epoch Times:
Gibt es auch die Möglichkeit, nach Happy Valley zu gehen?

Phuntsok: Ja natürlich! Viele unserer Förderer, einzelne Sponsoren und Gruppen, kommen zu Happy Valley. Erstens um ihre gesponserten Kinder zu sehen, und um zu sehen, wie die Tibetan Homes Foundation arbeitet, und drittens um ihre Freunde und Verwandte in die Foundation einzuführen.

Epoch Times: Meinen Sie, dass Sie eines Tages ihren Job verlieren, weil sich die Situation in Tibet und die chinesische kommunistische Regierung ihre Meinung ändern wird und Tibet unabhängig sein wird?

Phuntsok: Dann möchte ich so schnell wie möglich meinen Job verlieren (lacht laut). Auf einer anderen Ebene – falls sich die Situation in Tibet verändert, wer weiß, ob dann die Arbeit bei THF zu Ende ist.  Weil – ich denke, das wird die Zukunft entscheiden. Vielleicht gibt es Tibeter, die auch in Zukunft Hilfe benötigen. Aber wenn sie mir ermöglichen, meine Situation und meinen Job zu ändern, dann möchte ich meinen Job sofort ändern. Haben Sie verstanden, was ich meine? Natürlich sind wir sehr glücklich, wenn wir zurück nach Tibet können.

Epoch Times: Vielen Dank für das Interview, Herr Phuntsok!

Das Interview führten Caroline Chen und Eckehard Kunkel

Foto: Tibetan Homes Foundation

 

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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