Zentralbanken in der Zwickmühle: Wie navigieren sie zwischen Inflation und Bankenkrise?
Der Bankenkollaps hat die Notenbanken in eine große Zwickmühle gebracht. Sie werden sich wohl oder übel schnellstmöglich entscheiden müssen: Wollen sie die Inflation bekämpfen oder die Banken stützen? Beides geht auf Dauer nicht. Auch wenn sowohl die amerikanische Fed (Zentralbank der USA) als auch die europäische EZB (europäische Zentralbank) im Moment versuchen einen anderen Eindruck zu erwecken.
Die Entscheidung zwischen Inflation und Bankenrettung
Mit Spannung war am Mittwochabend der Zinsentscheid der amerikanischen Notenbank erwartet worden. Anfang März hatte sich Fed-Chef Jerome Powell noch als Hardliner, was die Zinsschritte nach oben betrifft, gegeben. Die Fed sei bereit, das Tempo der Zinsschritte wieder deutlich zu erhöhen, so die Botschaft damals bei einer Anhörung im US-Senat. Laut dem „Handelsblatt“ sagte Powell damals:
„Obwohl sich die Inflation in den letzten Monaten abgeschwächt hat, ist es noch ein weiter Weg bis zur Rückkehr zu einer Inflationsrate von zwei Prozent. Und er wird wahrscheinlich holprig sein.“
Powell weiter:
„Sollte die Gesamtheit der Daten darauf hindeuten, dass eine schnellere Straffung gerechtfertigt ist, wären wir bereit, das Tempo der Zinserhöhungen zu erhöhen.“
Notenbank entscheidet sich für moderate Zinsanhebung
Ganz anders der Fed-Chef nun am letzten Mittwoch. Der angekündigte Zinsschritt der Fed fiel mit 0,25 Prozent sehr moderat aus. Powell machte deutlich, dass man die Zinsschritte, falls nötig weiter anheben werde. Um dann aber doch noch einmal zurückzurudern. Man erwarte, dass die jüngsten Bankenausfälle die Nachfrage ausbremsen könnten und so einen ähnlichen Effekt wie Zinserhöhungen haben könnten. „Das bedeutet im Prinzip, dass die Geldpolitik weniger Arbeit zu erledigen hat“, so Powell.
Die Analysten bei Goldman Sachs gingen zuvor sogar davon aus, dass die Fed den Leitzins im März aufgrund der Spannungen im Bankensystem nicht erhöhen wird. Zuvor hatten sie noch eine Erhöhung um 25 Basispunkte vorhergesagt.
„Wir haben in den Tagen vor dem Treffen eine Zinspause in Betracht gezogen“, räumte Fed-Chef Jerome Powell dann auch am Mittwoch ein. Doch weil die Inflation höher und der Arbeitsmarkt stärker war als erwartet, hatten sich die Geldpolitiker dazu entschlossen, an ihrem Kurs festzuhalten.
Notenbanker im Krisenmanager-Modus
Jerome Powell und die Mitglieder des Fed-Rates gaben sich trotzdem als Krisenmanager: Sie bemühten sich, die Gemüter zu beruhigen, ohne dabei die möglichen Risiken zu ignorieren. Die US-Notenbanker betonten, dass das US-Bankensystem „solide und widerstandsfähig“ sei, jedoch sei das „Ausmaß“ der wirtschaftlichen Auswirkungen der jüngsten Turbulenzen ungewiss. Der Ausschuss erklärte, dass die aktuellen Entwicklungen voraussichtlich zu einer Verschärfung der Kreditbedingungen für Haushalte und Unternehmen führen und die Wirtschaftstätigkeit, Einstellung von Arbeitskräften und Inflation belasten werden. Gleichzeitig deuteten sie jedoch an, dass der Zinserhöhungszyklus bald zu Ende sein könnte. In ihrer aktuellen Erklärung schrieben sie, dass „einige zusätzliche geldpolitische Straffungen“ erforderlich sein könnten, während zuvor von „kontinuierlichen Erhöhungen“ die Rede war.
Ähnlich hatte sich auch die EZB-Präsidentin, Christine Lagarde, zuvor bei der Ankündigung der Anhebung des Leitzinssatzes im Euroraum geäußert. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte in der vergangenen Woche trotz der Unsicherheit im Bankensektor den Leitzins deutlich um 0,5 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent angehoben.
Wenn sowohl Fed als auch die EZB im Moment eher die Politik des „Sowohl als auch“ fahren, werden sie diesen Schaukelkurs nicht ewig durchhalten können. Sie werden sich zwischen Preisstabilität oder Finanzstabilität entscheiden müssen.
Zentralbanken sind Ursache für Bankenbeben
„Who comes next?“ – wer kommt als Nächstes? So simpel ist die Frage, die Finanzwissenschaftler Volker Wieland am vergangenen Mittwoch in Frankfurt stellte. Es ist die Konferenz „The ECB and Its Watchers“. Wieland fragt, welche Bank die nächste sein könnte, die ins Straucheln gerät, wie die Silicon Valley Bank oder die Schweizer Credit Suisse.
EZB-Präsidentin Lagarde ist im gut gefüllten Hörsaal der Goethe-Universität die erste Rednerin dieser Konferenz. Man kann erkennen, dass sie sich sehr anstrengt, um Zweifel auszuräumen. Allerdings widerspricht sie am Ende sich selbst mit einem Zitat ihres Landsmannes Voltaire. „Zweifel ist keine angenehme Voraussetzung, aber Gewissheit ist eine absurde.“ Natürlich handelt es sich hier nicht um eine Philosophievorlesung, sondern um die Feststellung, dass der weitere Zinspfad ungewiss ist. Dies liegt nicht zuletzt an den Unsicherheiten im Bankensystem, obwohl das europäische System stabil und sicher sei.
Die Aussagen der obersten Währungshüter im Dollar- und Euroraum haben eine Ursache: die Zentralbanken selbst. Im vergangenen Jahr haben sie mit starken Zinserhöhungen die Kurse laufender Anleihen in den Bankbilanzen fallen lassen. Für Banken, die plötzlich größere Einlagen zurückzahlen müssen, kann dies zu einem Problem werden.
Ein Fahren auf Sicht
Steigende Zinsen haben jedoch auch erwünschte Effekte, da sie Kredite verteuern und die Nachfrage nach ihnen schwächen, was Ausgaben und Investitionen zurückgehen lässt. Dies ist das Ziel der Zentralbanken, da sie die Inflation senken möchten.
Allerdings navigieren die Notenbanken in unübersichtlichem Gelände, da sie einerseits mit hoher Inflation und andererseits mit Problemen im Bankensektor und den Folgen eines steilen Zinspfades konfrontiert sind. Sie werden, entgegen ihrer Politik der letzten Monate, nun nicht mehr so deutlich, wohin die Reise gehen wird. Jetzt betonen sie daten- oder informationsabhängig entscheiden zu wollen, um sich Navigationsspielräume zu schaffen. Sie fahren also im Moment auf Sicht. Aus der Zwickmühle kommen sie damit aber nicht.
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