„Wie man 99 Prozent seiner Kunden beleidigt“: Wirbel um Gillette-Werbespot gegen „toxische Männlichkeit“
Die Zeiten, in denen sich Unternehmen einfach nur darauf beschränken, gute Produkte zu optimalen Preisen an den Kunden zu bringen, scheinen vorbei zu sein. Corporate Responsibility heißt das Zauberwort. Unternehmen sollen demnach nicht mehr nur ihren Kunden und ihren Anteilseignern Nutzen bringen, sondern auch „gesellschaftliche Verantwortung“ zum Teil ihrer PR oder gar ihrer Strategie machen.
Von solchen Strategien konnten Städte und Gemeinden einst sogar ungemein profitieren. Großunternehmen bauten Werkswohnungen oder Ferienheime für ihre Arbeiter, übernahmen das Sponsoring für den örtlichen Fußballverein, errichteten Waisenhäuser, spendeten einen neuen Einsatzwagen für die Feuerwehr oder prägten in sonstiger Weise das soziale Leben ihrer Community.
Je mehr sich aber der Begriff der gesellschaftlichen Verantwortung von konkret fassbaren, überblickbaren Gemeinschaften wegentwickelte und „globale“ Agenden die lokalen ersetzten, umso mehr verlegte sich der Fokus hin zu „zivilgesellschaftlichen“ Anliegen. Man sammelte Pluspunkte, indem man sich Themen verschrieb, die „angesagt“ waren und die es einem ermöglichten, als Unternehmen ein „Statement“ abzugeben.
Wenn Virtue Signalling als Eigentor endet
Umweltschutz ging immer, hieß es erst – wobei es passieren konnte, dass eine Kampagne nach hinten losging, wenn findige Aktivisten herausfanden, dass man diesbezüglich selbst Leichen im Keller hatte. So half es etwa Coca-Cola wenig, eine Zusammenarbeit mit der Rainforest Alliance einzugehen, um die Abholzung des Regenwaldes zu bremsen, als wenig später NGOs Medienberichte lancierten, wonach Abfüllanlagen in Indien für Trinkwasserknappheit in umliegenden Dörfern sorgten.
Manchmal wurde auch der Zweck, den ein Unternehmen unterstützte, um „Verantwortung“ zu zeigen, zur Belastung und man musste einen Rückzieher machen. Ein solches Beispiel war jüngst etwa die Partnerschaft zwischen der Krombacher-Brauerei und der „Deutschen Umwelthilfe“, die das Unternehmen vor einigen Wochen von sich aus beendete. Andere Unternehmen wiederum dachten, mit Werbekampagnen, die von offensivem Virtue Signalling geprägt waren, risikolos Punkte sammeln zu können – und schossen sich damit ein Eigentor. Beispiele dafür waren die Feier des inklusiven „Hasenfestes“ 2011 an Ostern durch die Buchhandelskette Thalia, die T-Online-Kampagne für die Entgrenzung des Familienbegriffs im Namen der „Vielfalt“ 2017, die Kopftuch-Werbung von Katjes oder die Partnerschaft für „genderneutrale“ Babybekleidung von nununu und Celine Dion, die alle heftige Reaktion in sozialen Medien nach sich zogen.
Der Rasierbedarf-Hersteller Gillette könnte das jüngste Beispiel dafür sein, dass gerade im Bereich der „sozialen Verantwortung“ gut gemeint nicht immer dasselbe ist wie gut. In einem Werbespot mit dem Titel „Wir glauben an das Beste im Mann“ – offenbar bewusst angelehnt an den langjährigen bekannten Werbespruch des Unternehmens – setzt sich das Unternehmen selbstkritisch mit vermeintlich typisch männlichen Verhaltensweise auseinander und fragt: „Ist das wirklich das Beste, was Männer zu bieten haben?“
Vorbild für die Jungen
Zur Illustration zeigt das Video Szenen, in denen Außenseiter gemobbt, Frauen belästigt oder über herabwürdigende Witze gelacht wird. Mitten im Video heißt es „Aber dann hat sich etwas geändert“ und mit einem Mal greifen Männer ein und zeigen Zivilcourage. Garniert wird das Ganze mit der Botschaft, dass „Jungs sind eben Jungs“ keine Ausrede darstelle, schlechtes Verhalten zu tolerieren und dass Männer ein Vorbild für die heranwachsende Generation darstellen sollten.
„Wir glauben an das Beste im Mann“, erklärt der Erzähler im Werbespot. „Das Richtige zu sagen, das Richtige zu tun. Auf manche trifft das längst zu. Aber auf manche ist nicht genug. Denn die Jungen, die zusehen, sind die Männer von morgen.“
Der Hinweis auf „etwas, das sich geändert hat“ wurde gemeinhin als einer auf die #MeToo-Bewegung gewertet, während ein großer Teil der Netzgemeinde die selbstkritischen Passagen als Hommage an feministische Ideologen und deren Narrativ von „toxischer Männlichkeit“ werteten.
Brand Manager Pahjak Bhalla verteidigte den Spot als „Notwendigkeit für unser Unternehmen“. Es sei eine Mahnung an alle Männer, „noch mehr zu tun“, um „näher zu unserem Besten zu gelangen“. Nicht alle Kunden scheinen dies ähnlich zu empfinden. Etwas mehr als 662 000 Likes für den Werbefilm stehen mehr als 1,1 Millionen Dislikes gegenüber.
Auch in den sozialen Medien regte sich scharfe Kritik an dem Spot und dessen Aussage. Gillette wird vorgeworfen, sich ohne Not pauschalisierenden Narrativen feministischer Ideologen zu unterwerfen und mit dazu beizutragen, gerade Jungen oder heranwachsende Männer in ihrer Identität zu verunsichern.
„Wir leben traurigerweise in Zeiten in denen inverser Sexismus dazu geführt hat, dass Männer dazu gezwungen werden, sich dafür zu schämen, ihre natürlichen männlichen Charakteristika zu zeigen“, heißt es in einem Kommentar auf „Fox News“. Wenn Linke wirklich wollten, dass beide Geschlechter gleichbehandelt werden, sollen sie damit aufhören, Männlichkeit zu verurteilen.
Wir sollten Menschen dazu ermuntern, zu sein, wer sie sind, egal ob männlich oder weiblich. Am Ende ist männlich zu sein nicht toxischer als weiblich zu sein.“
„Krieg gegen die Männlichkeit“
Ein User, nach eigenen Angaben Familienvater, seit 32 Jahren verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder – männlich und weiblich – schrieb auf YouTube:
„Es ist NICHT DIE AUFGABE von Gillette, zu behaupten, die meisten Männer seien schlecht und frauenfeindlich. Ich werde KEIN Produkt mehr von diesen sich selbst für den Nabel der Welt haltenden Deppen kaufen. Wie kannst du es WAGEN, Gillette…“
Ein anderer schrieb von einem Beispiel dafür, „wie man 99 Prozent des eigenen Marktes beleidigt“. Weitere Nutzer werfen Gillette „Heuchelei“ vor, weil man den pinkfarbenen „Venus“-Damenrasierer verkaufe, ohne eine ähnliche Kampagne zur Infragestellung von Verhaltensweisen zu führen – und das sogar zu einem höheren Preis. Mehrere Nutzer erklärten, keine Produkte mehr von Gillette kaufen zu wollen.
Andere wiederum warfen den Kritikern vor, sie würden den Sinn der Botschaft missverstehen. Gillette will die Werbung nicht zurückziehen, so betont Brand Manager Bhalla, sondern in den kommenden drei Jahren jeweils eine Million US-Dollar an gemeinnützige Projekte spenden, die „die interessantesten und nutzbringendsten Programme durchführen, die Männern jeder Altersgruppe helfen sollen, das Beste aus sich zu machen.“
John Hawkins bedachte den Narrativ von einer angeblichen „toxischen Männlichkeit“ auf PJ Media mit einer Fundamentalkritik. Ausgehend vom Befund der „Vereinigung Amerikanischer Psychologen“, die traditionelle Männlichkeit – gekennzeichnet durch Stoizismus, Wettbewerbsorientierung, Dominanz und Aggression – als „insgesamt schädlich“ bezeichnete, nannte er fünf Faktoren, die er für die entscheidenden hinter dem „Krieg gegen die Männlichkeit“ hält.
Feminismus will „keine Gleichstellung, sondern Privilegien“
So gehe es dem Feminismus nicht mehr um Gleichstellungsziele, die in Amerika ohnehin längst erreicht seien, sondern um Männerhass und spezielle Privilegien. Er zitiert die Bloggerin mit den Worten:
Feminismus will die Macht von Männern, die Privilegien von Frauen und die Verantwortung von keinem der beiden.“
Dazu komme, dass viele Männer sich gar nicht mehr in der Lage sehen, männlich zu handeln und Verantwortung als Mann zu übernehmen. Sie seien mit ihren Smartphones und Videospielen beschäftigt, aber mit sozialem Verhalten überfordert. Sie konsumierten Pornografie, könnten aber nicht mit Mädchen reden, sie seien Helden im Videospiel, aber im realen Leben fehle es ihnen an Courage – und sie wären gerne männlich, aber sehen sich außerstande, dem Ideal nahezukommen.
Traditionelle Männer, zu denen man für ihre Aufopferungsbereitschaft stets aufgeschaut habe, passten zudem nicht mehr in den Opferkult, der sich immer mehr breitmache und in dem Selbstmitleid und Schuldzuweisungen im Vordergrund stünden.
Während es als angemessen gelte, „toxische Männlichkeit“ zu beklagen, leide die Gesellschaft vielmehr am Fehlen männlicher Rollenvorbilder. Scheidungen und die Entwicklung zu immer mehr Haushalten mit alleinerziehenden Müttern hätten zur Folge, dass immer mehr Kinder, insbesondere Jungen, auf die schiefe Bahn gerieten.
Außerdem werden die Leistungen erfolgreicher und opferbereiter, also traditioneller, Männer nicht mehr gewürdigt – obwohl sie es gewesen seien, die die Verfassung geschrieben, die Weltkriege für die USA gewonnen, zum Mond geflogen und das Internet geschaffen hätten.
„Identitätspolitik falsch, aber Botschaft zum Teil richtig“
John Ellis hingegen kann der Gillette-Kampagne einige richtige Erkenntnisse abgewinnen. Ebenfalls auf PJ Media will er die Ideologie und die Hintergründe von #MeToo von deren Ansprache tatsächlicher Probleme und Sorgen trennen.
Toxische Männlichkeit sei tatsächlich eine Geißel der Gesellschaft, seit Adam als Mann versagt habe. Allerdings sollte das Wort „Männlichkeit“ weggelassen werden und stattdessen nur von toxischem Verhalten gesprochen werden. Es gebe tatsächlich ein Problem, das die Sünde darstelle – und eine Lösung, die das Christentum biete, was eine Unterstützung von #MeToo und dessen intersektionalem Denken verbiete.
Tatsächlich, so Ellis, gäbe es das Problem einer Ausbeutung, Erniedrigung und Objektifizierung von Frauen, und die Gesellschaft hätte kein Problem damit. Es habe einen Grund, warum die Schwimmkleidungsausgabe die meistverkaufte von „Sports Illustrated“ sei, und vier der 20 beliebtesten Webseiten in den USA streamen Pornografie, drei davon würden sogar öfter angeklickt als Netflix. Bedbible zufolge gingen 40 Millionen US-Amerikaner regelmäßig auf Pornoseiten. Dies sei tatsächlich ein Indiz für eine Dehumanisierung und Objektifizierung von Frauen.
Es sei heuchlerisch, selbst Frauen nachzupfeifen, Pornografie zu konsumieren, über sexuelle Eroberungen zu prahlen – und sich dann über den Gillette-Spot zu ereifern.
„Das Problem ist, dass amerikanische Männer einen unzureichenden Job machen, wenn es darum geht, Frauen mit Respekt und Würde zu behandeln“, meint Ellis. „Während Gillettes Anbiederung an die Identitätspolitik zurückzuweisen ist, hat der Spot Recht, wenn er herausstreicht, dass Frauen Grund dazu haben, Männer zu fürchten. Gott sei Dank hat das Christentum die Antwort. […] Männlichkeit in der Nachfolge Jesu bedeutet, seine Rechte preiszugeben im Dienst an anderen. […] Statt sich selbst einer unbiblischen Vorstellung von Männlichkeit zu verschreiben, sollten christliche Männer sich bemühen, es Jesus gleichzutun. Würden Männer seinem Vorbild folgen, hätten Unternehmen wie Gillette auch keinen Grund, in Werbespots toxische Männlichkeit zu beklagen.“
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