Traum oder Albtraum? Der Zerfall der Russischen Föderation
Angesichts des anhaltenden Ukraine-Krieges und spätestens nach dem Aufstand des Wagner-Chefs Prigoschin in Russland wurden Hoffnungen auf einen möglichen Zerfall Russlands in Einzelstaaten geweckt. Politologen und Politiker erwarten, dass Russland geschwächt wird und den Ukraine-Krieg nicht weiterführen kann.
Wenn man einem Bericht des US-amerikanischen Nachrichtenmagazins „Foreign Policy“ Glauben schenken mag, den „Merkur“ erst letzte Woche veröffentlichte, ist der „Fall des russischen Imperiums“ sogar „unausweichlich“. Der Grund sei einfach: „Die große Mehrheit der scheinbar stabilen Imperien zerfällt mit der Zeit, bis nur noch das imperiale Zentrum übrig ist.“
Das belege das Schicksal des kaiserlichen Russlands, des wilhelminischen Deutschlands sowie der Sowjetunion. Sie alle scheiterten wie das Osmanische Reich und die Briten bei dem Versuch, ihr Territorium auszuweiten.
Wenn der Wunsch zum Albtraum wird
Diese Ansicht teilen jedoch nicht alle Experten. Eine amerikanische Professorin für Russische Geschichte hat vor möglichen Konsequenzen eines solchen Zerfalls gewarnt. Aus ihrer Sicht würde in erster Linie die Kommunistische Partei Chinas (KPC) davon profitieren, was das geopolitische Machtgefüge zum Nachteil des Westens beeinflussen würde. Abgesehen davon hält sie einen Zerfall der Föderation für wenig wahrscheinlich.
In einem Aufsatz, den das Politikportal „The Conversation“ veröffentlichte, verweist Prof.
auf den Systemgegner China und seine territorialen Machtansprüche im Fernen Osten Russlands. Dass Peking die Gebietsverluste in der Mitte des 19. Jahrhunderts an Russland noch nicht verwunden habe und die Rufe nach dem Zerfall Russlands zu seinen Gunsten verbuchen will, würden einige Beispiele zeigen.Zu Beginn des Jahres habe die KPC neue Karten anfertigen lassen, in denen die verlorenen Gebiete im Fernen Osten chinesische Namen tragen. Auf diesen Karten heiße beispielsweise Wladiwostok „Haishenwai“. Erwähnenswert ist, dass sich dort das Hauptquartier der russischen Pazifikflotte befindet.
Im August setzte Peking noch eins drauf und veröffentlichte eine Karte, auf der die umstrittene russische Insel Bolschoi Ussurijskij innerhalb Chinas Grenzen eingezeichnet ist, und das trotz der Tatsache, dass sich Russland und China im Ukraine-Krieg gegen den Westen verbündet haben.
Mit der wirtschaftlichen Hegemonie droht der politische Einfluss
Das russische Gebiet an der Grenze zu China verfügt über eine Reihe wichtiger Rohstoffe wie Diamanten, Gold sowie Öl und Gas. Schon länger befürchten sowohl Russland als auch der Westen, dass China sein Territorium ausweiten könnte. Ein Zerfall Russlands würde der KPC folglich in die Hand spielen.
Angesichts der wirtschaftlichen Probleme, mit denen China zu kämpfen habe, sei die Ausweitung seines Einflusses im Fernen Osten Russlands besonders attraktiv.
Eine territoriale Expansion könnte für wirtschaftliches Wachstum sorgen und gleichzeitig von innenpolitischen Problemen ablenken“, meint Prof.
Und mit der wirtschaftlichen Hegemonie drohe schließlich der politische Einfluss.
In Anbetracht dieser Gefahren sei das Argument der Auflösungsbefürworter, dass niemand außer Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Zerfall der Russischen Föderation verlieren würde, ihrer Meinung nach „einfach nicht haltbar“.
Doch wie ist es nun um den Zerfall Russlands bestellt?
Aktuell hält die Historikerin einen Zerfall der Russischen Föderation für wenig wahrscheinlich. Im Moment würden Umfragen sogar darauf hindeuten, dass der Krieg eine einigende Wirkung auf die Russische Föderation habe, weil der westliche Tenor Russlands Territorium infrage stelle.
Zudem verweist sie auf eine Analyse von Prof. Adam Lenton von der Wake Forest Universität, wonach insgesamt gesehen relativ wenige Menschen in Russland eine Abspaltung befürworten. Gebiete, in denen beispielsweise türkischsprechende Stämme lebten, lägen geografisch so ungünstig inmitten des Landes, dass die Bevölkerung gegen eine Abspaltung sei, wenn das auch ihre politischen Führer befürworteten.
Andere Regionen im Fernen Osten des Landes fürchteten hingegen eine Übernahme und Repressalien durch das kommunistische China. Ein präsentes Negativbeispiel sei die Region Xinjiang, die mehrmals versuchte, sich von Russland abzuspalten und schließlich in die Abhängigkeit von China geriet.
Auch der Politologe Alexander Kynew hat bereits vor einiger Zeit eine ähnliche Ansicht geteilt. Gegenüber dem MDR verwies er auf die weitestgehend ethnisch homogene Bevölkerung Russlands. „Es wäre seltsam, wenn Russen sich von Russen abspalten würden.“ Selbst in den nationalen Republiken würden Russen die Mehrheit bilden.
Die Regionen, in denen andere Ethnien die Mehrheit bilden, wie zum Beispiel der Nordkaukasus, seien wirtschaftlich schwach und vollständig von föderaler Unterstützung abhängig, so Kynew. Außerdem gebe es praktisch keine regionalen Eliten, die an einem Kampf für die Unabhängigkeit interessiert wären. 48 der 85 Gouverneure seien Personen, die aus anderen Regionen beziehungsweise aus dem persönlichen Umfeld des Präsidenten stammen und keine Bindung zur betreffenden Region hätten.
„Der Kampf wird innerhalb der Eliten ausgetragen, ohne dass sich gewöhnliche Bürger auf der Straße gegenseitig töten“, so Kynew weiter. Die russische Gesellschaft sei durch Konformismus gekennzeichnet und die Menschen seien deshalb nicht bereit, für etwas zu kämpfen, geschweige denn, sich für ein gemeinsames Ziel zu opfern.
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