Wer dankbar ist, wird umgehend froh
Mir wurde einmal von einem Mann erzählt, der für einen längeren Aufenthalt in eine Klinik eingewiesen wurde. Man zeigte ihm sein Zimmer mit der üblichen Standardausstattung – einem Bett, einem Stuhl, einem einzigen Fenster, einem Fernseher, einem Badezimmer und sonst nicht viel mehr.
Zweifellos war es viel kleiner als die Wohnung, die vorher sein Zuhause gewesen war. Er konnte nicht viele seiner Habseligkeiten in seine neue Unterkunft mitbringen, und der wolkenverhangene Tag tauchte das Zimmer in ein trübes, graues Licht.
Mit einem großen Lächeln wandte er sich an die Krankenschwester und sagte über das Zimmer: „Ich liebe es.“
Es gab nichts außergewöhnlich Liebenswertes an dem Zimmer, aber der Mann hatte beschlossen, dankbar und wertschätzend zu sein.
Die Suche nach dem Glück
Die Geschichte verdeutlicht etwas von der geheimnisvollen Natur des Glücks. Schon vor Aristoteles hat sich die Menschheit gefragt und darüber diskutiert, ob Glück tatsächlich von äußeren Umständen oder gar von etwas anderem abhängt. In „Nikomachische Ethik“ argumentierte Aristoteles, dass Glück mehr mit den Gütern zu tun hat, die man innerlich besitzt, sprich Charakter, Tugenden, Einstellungen, als mit den Gütern, die man äußerlich besitzt, wie Materielles, Annehmlichkeiten, Wohlstand, Ruhm, Gesundheit und so weiter.
In Bezug auf diese inneren Eigenschaften argumentierte Cicero, dass Dankbarkeit die wichtigste von ihnen sei. Er schrieb: „Ich wünsche, mit allen Tugenden geschmückt zu sein, aber es gibt nichts, was ich mehr schätzen könnte als das Sein und das Erscheinen von Dankbarkeit. Denn diese eine Tugend ist nicht nur die größte, sondern auch die Mutter aller anderen Tugenden.“
Für Aristoteles waren Glück, Tugend und ein gutes Leben Dinge, die sich ein Mensch trotz widrigster Umstände zumindest bis zu einem gewissen Grad bewahren konnte. Das liegt daran, dass Tugend und eine positive innere Einstellung wie Dankbarkeit einem nicht genommen werden können. Zu jedem Zeitpunkt haben wir die Fähigkeit, positiv, redlich und dankbar zu reagieren. Niemand kann uns diese fundamentale Freiheit und die Freude, die mit ihr einhergeht, jemals nehmen.
Warum ist Dankbarkeit so wichtig?
Sowohl die Philosophie als auch die Wissenschaft zeigen, dass Dankbarkeit ein wesentlicher Bestandteil eines glücklichen Lebens ist. Sie funktioniert wie die alchemistischen Verfahren, die unedle Metalle in Gold verwandeln. Ein dankbarer Mensch hat de facto vielleicht nicht mehr als andere Menschen, aber praktisch gesehen ist er reicher als die meisten anderen, weil er alles, was er hat, tatsächlich wahrnimmt und genießt. Vom Kleinen bis zum Großen wird alles kostbar, wenn man es mit dankbaren Augen betrachtet.
Undankbarkeit hingegen führt zu psychologischer und emotionaler Armut. Kann ein Erbe wirklich als „wohlhabend“ bezeichnet werden, wenn sein Vermögen unzugänglich in einem Treuhandvermögen schlummert? Der Erbe hat zwar Geld, aber das Geld nützt ihm nichts.
Der undankbare Mensch ist ein bisschen wie so ein Erbe: Er mag viele gute Dinge haben, aber diese Dinge sind „nicht zugänglich“ für ihn, weil er sie nicht wahrnimmt oder sich nicht an ihnen erfreut. So beraubt er sich selbst seines eigenen Erbes.
Mit so einer Einstellung ist man zu sehr damit beschäftigt, sich über das zu ärgern, was man nicht hat, anstatt das zu schätzen, was man hat. In diesem Sinne ist solch ein Reichtum nutzlos; er hat keine Bedeutung.
Der Reichtum an Segnungen, den eine dankbare Person besitzt, hat dagegen einen echten Wert, weil er anerkannt und genossen wird. Dankbarkeit ist wie eine Infrarotnachtsichtbrille, die die Dunkelheit der Unzufriedenheit und der düsteren Gewohnheit durchbricht, die uns daran hindern, zu sehen, was direkt vor uns liegt.
Aktuelle wissenschaftliche Forschungsergebnisse haben nachgewiesen, dass Dankbarkeit zu einem glücklicheren Leben führt – und noch viele weitere Vorteile mit sich bringt. „Harvard Health Publishing“ zählt freudvolle Emotionen, eine verbesserte Gesundheit, Resilienz gegenüber Widrigkeiten und stärkere Beziehungen zu den positiven Effekten, die sich aus Dankbarkeit ergeben.
Studien mit Paaren ergaben, dass der häufige Ausdruck von Dankbarkeit gegenüber dem Ehepartner Vertrauen, Loyalität, Kommunikation und eine positive Einstellung in der Beziehung fördert.
Die Feinde der Dankbarkeit
Unzufriedenheit und Gewohnheit sind die Feinde der Dankbarkeit. Sie sind die Diebe, die uns unseres Erbes der Freude berauben wollen. Sie sind der Rost, der das Glück zerfrisst und zerstört. Der heilige Thomas von Aquin definierte Freude als das Gefühl, das wir empfinden, wenn wir etwas besitzen oder uns in der Gegenwart von etwas befinden, das wir begehren und lieben.
Wenn wir dankbar sind, konzentrieren wir uns auf die Dinge, die wir einst begehrten und jetzt haben – einen Ehepartner, gute Gesundheit, Kinder, was auch immer es sein mag –, und das Ergebnis ist Freude. Tatsächlich fördert Dankbarkeit die Freude und Freude befeuert Dankbarkeit auf wunderbar wechselseitige Weise.
Unzufriedenheit hingegen verlagert den Fokus von allem, was man hat, auf das, was man noch nicht hat oder nicht haben kann. Enttäuschte Sehnsüchte werden immer wieder neu entfacht und Freude wird durch Traurigkeit verdrängt. Diese Einstellung ergibt jedoch wenig Sinn, wenn man bedenkt, dass die meisten von uns weit mehr besitzen, als ihnen fehlt.
Dankbarkeit hilft uns, die Welt als ein Geschenk zu sehen, auch die „kleinen“ Dinge. Vom sanften Verwehen makellos weißen Schnees über den klaren Ruf eines Vogels bis hin zu unserem Lieblingsgetränk – die dankbare Grundhaltung lässt uns in den einfachen Dingen des Alltags unendlich viel Freude entdecken.
Dankbarkeit fördern
Es ist nicht einfach, das, was wir haben, anzuerkennen und zu schätzen zu wissen, vor allem die kleinen Dinge. Was alltäglich ist, wird schnell zur Gewohnheit, und wir vergessen, wie außergewöhnlich es ist, was für ein Geschenk es ist. Wie können wir dieser Tendenz gegensteuern?
G. K. Chesterton, der bekannte britische Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, machte folgenden Vorschlag: „Die einzige Möglichkeit, etwas zu lieben, besteht darin, sich bewusst zu machen, dass es verloren gehen könnte.“ Sobald man anfängt, die Dinge aufzuzählen, die man verlieren könnte, wird einem schnell klar, wie viel man hat. Und man liebt und schätzt diese Dinge umso mehr.
Ein weiteres Gegenmittel gegen den Abstumpfungseffekt der Gewohnheit ist die Kunst. Gute Kunst hilft, den Schleier zu lüften, der uns für die Außergewöhnlichkeit und Einzigartigkeit der Welt, die uns umgibt, blind macht. Kunst hilft uns, die Welt neu zu sehen, denn durch ihre Kraft strahlt die Welt plötzlich wieder in all ihrem endlosen Reichtum. Das kann unser Gefühl der Dankbarkeit vertiefen.
Das Phänomen, dass Routine und Gewohnheit Freude und Dankbarkeit mindern, ist mit dem psychologischen Konzept der „hedonischen Anpassung“ verbunden. Hedonische Anpassung bezieht sich auf die Tatsache, dass Menschen dazu neigen, auch nach positiven oder negativen Veränderungen im Leben in etwa das gleiche Maß an Glück zu empfinden. Ein neues Auto, ein neues Haus oder eine Beförderung sorgen für einen Glücksschub, der schnell nachlässt, wenn die Veränderung zur „neuen Normalität“ wird. Sie wird zur Gewohnheit, und die Scheuklappen der Gewohnheit fangen wieder an, die Freude und Dankbarkeit einzuschränken.
Ein Vorschlag, um der hedonischen Anpassung entgegenzuwirken, besteht darin, das Glück in sinnvollen und herausfordernden Aktivitäten zu suchen anstatt in vergänglichen Vergnügungen oder Besitztümern. Der Psychologe und Forscher Martin Seligman unterschied zwischen Vergnügungen und dem, was er als „tiefe Freuden“ bezeichnete. Während Vergnügungen vergänglich sind und wenig Nachdenken erfordern, erfordern die tiefen Freuden zwar etwas mehr Anstrengung, sind aber so spannend für uns, dass wir die Zeit vergessen.
Mit Bewusstheit dem Alltagstrott entgehen
Wie die Psychologin Elizabeth Scott erklärt, fesseln uns diese tiefen Freuden, weil sie etwas herausfordernd, aber nicht zu herausfordernd sind. Sie schildert weiterhin: „Tiefe Freuden sowie Aktivitäten, die uns ein starkes Gefühl von Sinn vermitteln, sind weniger anfällig für die Auswirkungen der hedonischen Anpassung. Interessanterweise genießen wir tiefe Freuden umso mehr, je mehr wir uns mit ihnen beschäftigen. Diese Aktivitäten erfordern zwar mehr Aufwand und Nachdenken, aber auch die Belohnung ist größer. Je mehr wir uns mit ihnen beschäftigen, desto mehr genießen wir sie. Tiefe Freuden umfassen Aktivitäten, die oft als Hobbys betrachtet werden, wie Kunst kreieren oder eine Fähigkeit wie Karate erlernen.“
Sinnvolle Aktivitäten beinhalten allgemein eine Form von Altruismus und haben ähnliche lang anhaltende positive Auswirkungen auf Glück, Frieden und Wohlbefinden.
Eine weitere wissenschaftlich fundierte Methode, um der hedonischen Anpassung entgegenzuwirken und Dankbarkeit zu fördern, ist das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs. In einer von Robert Emmons und Michael McCullough durchgeführten Studie wurden die Teilnehmer in Gruppen aufgeteilt und gebeten, wöchentlich entweder über Dinge zu schreiben, für die sie dankbar waren, über Dinge, die sie ärgerten, oder über neutrale Dinge. Nach zehn Wochen stand die Gruppe, die über Dankbarkeit geschrieben hatte, dem Leben hoffnungsvoller und positiver gegenüber. Sie trieb mehr Sport und ging seltener zum Arzt als die anderen Gruppen.
Wenn wir uns bemühen, Dankbarkeit zu praktizieren, dürfen wir viele kostbare Früchte ernten. Denn ein höheres Bewusstsein für das Gute um uns herum bringt mehr Freude und Erfüllung in alle Aspekte des Lebens. Durch Kunst, Tagebuchschreiben, Achtsamkeitspraxis und sinnvolle Aktivitäten können wir uns über den Alltagstrott hinwegsetzen und unser Bewusstsein und unsere Wertschätzung für die wunderbaren Schätze des Lebens und das Geschenk des Lebens voll entfalten.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Gratitude: How and Why to Practice This Key to a Happy Life“. (deutsche Bearbeitung so)
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