Wenn nur noch der Himmel trennt
Er sieht es ebenso lässig, die höchsten Berge auf der Welt zu besteigen, als auch, dass er dabei sterben könnte. Andrew Lock ist einer der vollendetsten Höhenbergsteiger. Eben ist er dabei, der 15. Mann der Welt – und der erste Australier – zu werden, der alle vierzehn 8.000-Meter-Gipfel erklommen hat. Ein Projekt, das er symbolisch „Gipfel 8.000″ nennt.
Mit nur einem Berg, den er noch vor sich hat – dem Mount Shishapangma in Tibet – und 13 anderen Achttausendern, die bereits hinter ihm liegen, resümiert Lock, dass er eigentlich glücklich ist, noch am Leben zu sein. Diese geradezu nüchterne Einstellung und auch die Akzeptanz der Gefahr sind es, die seine Abenteuer sogar eher unterhaltsam klingen lassen, als mit einer Todesgefahr verbunden. „Wenn ich mich in der Umgebung von Bergen befinde, dann weiß ich, dass das eine äußerst riskante Aktivität darstellt… und es wird Unfälle geben und Menschen werden sterben“, erklärt der Höhensportler. „Hoffentlich wird das nicht so oft passieren.“
Während es 12 Männer schon bis auf den Mond geschafft haben, waren bis jetzt nur 14 erfolgreich dabei, alle 8.000 Meter hohen Berge zu besteigen und mindestens 20 mussten dabei ihr Leben lassen.
Ständige Kopfschmerzen wegen zu wenig Sauerstoff
In einer Höhenlage von 8.000 Metern, auch „Todeszone“ genannt, also einer Umgebung, in der der Luftdruck bis zu einem Drittel des normalen Pegels auf Meereshöhe abfällt, ist der Körper einem extremen Sauerstoffmangel ausgesetzt. Der Herzschlag erhöht sich auf 200 Schläge pro Minute, die Luft ist extrem trocken und kalt, was zu Halsschmerzen und andauernden Hustenanfällen führt. Das Gehirn leidet unter Sauerstoffmangel und in einem virtuellen Nebel ist der Bergsteiger mit ständigen Kopfschmerzen konfrontiert
Für Lock sind die körperlichen Reaktionen etwas ganz Natürliches. Er glaubt, dass sein Körper für den Extremsport in Höhenlagen wie geschaffen ist und seitdem er in den 1980ern das erste Mal seinen Fuß auf einen Berg gesetzt hat, ist Bergsteigen seine Leidenschaft.
Seit über 20 Jahren trainiert, klettert und steigt er auf die höchsten Gipfel der Welt. „Ich bin ziemlich stolz auf das, was ich getan habe. Ich würde es jedoch für nichts anderes als der Liebe und persönlichen Herausforderung wegen tun.“
In der Tat kann Adrew Lock stolz auf sich sein. Er ist der einzige Australier, der 13 der 14 8.000er-Gipfel bestiegen hat, darunter den Mt. Everest (zweimal), den K2 und den Annapurna. Er ist ebenso der erste Australier, der eine kommerzielle Expedition auf die Spitze des Mt. Everest angeführt hat und der einzige Australier, der zwei 8.000 Meter hohe Gipfel innerhalb eines Jahres erklommen hat.
Seine letzte Expedition endete vorigen Monat, nachdem er Makalu in Nepal, den fünfthöchsten Berg mit einer Höhe von 8.470 Metern erobert hatte. Der dreizehnte 8.000er muss wohl sein unglücklichster Aufstieg gewesen sein, denn dort erlebte er Hubschrauber-Zusammenstöße, litt unter sehr kalten Wetterbedingungen, Krankheiten und zahlreichen Verzögerungen.
Familie hilft durchzuhalten
Obwohl ihn seine beiden Begleiter während der Mission verließen, hielt Lock durch, erreichte mit Unterstützung seiner Familie schließlich am 21. Mai den Gipfel des Makalu und tätigte den ersehnten Satellitentelefonanruf.
Für Lock ist das Besteigen von Bergen mehr als nur Sport. Es ist Leidenschaft und gibt spirituelle Erfüllung. „Ich erhole mich in den Bergen. Ich bin eine spirituelle Person, ich glaube, dass im Leben Energie existiert und ich finde, dass ich mich mit dieser Energie aus den Bergen wieder auflade.“
Lock sagt auch: „Wenn du die Spitze eines wirklich schwierigen Berges, eines wirklich angsteinflößenden Gipfels erreicht hast, ist das ein fantastisches Gefühl der Errungenschaft. Ich komme zurück als persönlich, philosophisch und psychologisch reichere Person, weil ich das geschafft habe.“
Hingegen sind einige Expeditionen weniger glücklich verlaufen. Lock erinnert sich an die tragischen Umstände des Aufstiegs auf den Annapurna im Jahr 2007, der als gefährlichster auf der Welt betrachtet wird. Die Hälfte der Menschen stirbt beim Versuch den Gipfel zu erklimmen, da die Lawinengefahr groß und die Wetterbedingungen unvorhersehbar sind. „Beim ersten Versuch wurde einer meiner Freunde getötet, beim zweiten Versuch kamen wir mit unserer Haut davon.“
Ironisch gibt er zu, dass der Tod nichts ist, was ihm Angst macht. Im Jahre 2006, während er den Kanchenjunga in Nepal, den dritthöchsten Berg, bestieg, stand er unvergleichlichen Wetterbedingungen gegenüber. Mit einer Sichtweite bis zu Null und einer schweren Austrocknung infolge einer Lebensmittelvergiftung, wobei er fünf Tage lang nichts essen oder trinken konnte, reduzierten sich seine Überlebenschancen auf ein Minimum. Aber Lock legte widerrum eine Entschlossenheit an den Tag und lies sich nicht zurückhalten.
Letzte Hürde: der Shishapangma
Er konzentriert sich jetzt darauf, die Vervollständigung seines Projektes „Gipfel 8.000″ Mitte nächsten Jahres zu erreichen, wenn er den Shishapangma erklimmt – den letzten 8.000-Meter-Gipfel.
Was ist als Nächstes dran für den König der Berge? Lock plant, sich zum dritten Mal den Mt. Everest vorzunehmen und den höchsten Berg auf der Welt ohne Sauerstoff zu besteigen – etwas, das erst ein sehr kleiner Prozentsatz der Mt. Everest-Besteiger wagte.
Lock räumt ein, dass es unwahrscheinlich ist, dass er in naher Zukunft die Abenteuer der Expeditionen aufgibt, aber er werde vielleicht das Besteigen der 8.000-Meter-Gipfel beenden.
„In gewisser Weise muss ich akzeptieren, dass ich unglaublich viel Glück hatte, für so eine lange Zeit überlebt zu haben, während so viele Menschen dabei gestorben sind, wenn sie das gleiche wie ich gemacht haben.“ „In meinem Kopf gibt es Polarabenteuer, Wüstenabenteuer, Meeresabenteuer. Ich würde immer noch gerne auf die 8.000er Berge steigen, aber vielleicht als Expeditionsleiter oder Gruppe, die vom Basis-Lager aus führt.“
Selbstverständlich gibt es auch noch seinen „normalen“ Job, wenn er nach Australien zurückkommt. Als ausgebildeter Hauptreferent, Risikomanagement-Berater and engagierter Mitarbeiter bei Wohlfahrsorganisationen, bemerkt Lock, dass unbedeutende Dramen im Leben auf dem Boden ein bisschen „weniger bedeutend“ erscheinen, nachdem man von der Spitze der Welt zurückgekehrt ist. „Es ist eine Realitätsprüfung, die mich daran erinnert, welche unbedeutende Rolle ich in diesem riesen Bild spiele, wieviel Glück ich habe, dass ich die Rauheit der Natur erleben darf, und wie kostbar das Leben ist“, lacht Lock. „Das lustige ist, je mehr wir uns in Gefahr begeben, desto mehr schätzen wir das Leben. Ich komme zurück und will leben und immer mehr aus dem Leben herausholen. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass ich all dies erlebt habe.
Text erschienen in Epoch Times Deutschalnd Nr. 31/08
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