Warum schickt Nordkorea Truppen in die Ukraine?
Greg Scarlatoiu ist der neue Präsident des US-Komitees für Menschenrechte in Nordkorea und ein langjähriger Experte in Bezug auf die koreanische Halbinsel. Sein Engagement für die Menschenrechte in Nordkorea rührt von seiner eigenen Vergangenheit her.
Scarlatoiu ist in Rumänien geboren – das osteuropäische Land war Nordkorea in Zeiten des Kommunismus am ähnlichsten – und studierte als einer der ersten Rumänen auf der geteilten koreanischen Halbinsel in Südkorea.
In den vergangenen 22 Jahren arbeitete er in Washington, D.C., davon über sechs Jahre im Bereich der internationalen Entwicklung und mehr als drei Jahre am Korea Economic Institute.
Lesen Sie hier ein gekürztes Interview von Greg Scarlatoiu mit Gastgeber Jan Jekielek, in dem die aktuelle Situation im kommunistischen Nordkorea und die dadurch weltweiten Auswirkungen beschrieben werden.
Kürzlich wurde uns zugetragen, dass nordkoreanische Soldaten an der ukrainischen Front sind. Erzählen Sie mir mehr darüber.
Dies ist eine Geldbeschaffungsmaßnahme. Im April schlossen Putin und Kim Jong-un ein Verteidigungsabkommen. Im Grunde verdient Kim Jong-un mit dem Krieg in der Ukraine viel Geld. Er hat Millionen von Artilleriegeschossen nach Russland exportiert.
Die Hälfte der Artilleriegeschosse, die die Russen im vergangenen Jahr abgefeuert haben, stammten aus Nordkorea. Der russische militärisch-industrielle Komplex hat nach wie vor Schwierigkeiten, die Nachfrage nach Artilleriegeschossen an der ukrainischen Front zu decken. Dank Nordkoreas Unterstützung konnten sie die Ukrainer nun im Verhältnis fünf zu eins mit Geschossen versorgen.
Die Russen haben täglich 10.000 Artilleriegeschosse abgefeuert, die Ukrainer nur 2.000. Natürlich haben die Nordkoreaner auch die KN-23 Feststoffrakete an die Russen verkauft. Sie wurde gegen die Ukrainer eingesetzt und abgefeuert. Dies ist eine Feststoffrakete, die auf einer russischen, einer sowjetischen Rakete, der Iskander-Rakete, basiert.
Nun zu den Truppen: Ich kenne die Ansicht, dass diese Truppen nur Kanonenfutter seien, die zu Dutzenden, Hunderten und Tausenden abgeschlachtet werden. Ich bin anderer Meinung: Es sind Spezialeinheiten des 11. Armeekorps der Koreanischen Volksarmee.
Das 11. Korps mit etwa 100.000 Spezialeinheiten hat die am besten ausgebildeten, am besten ernährten, am diszipliniertesten und am besten indoktrinierten Soldaten aus ganz Nordkorea. Kim Jong-un schickt seine besten Soldaten an die ukrainische Front. Warum? Wie so oft geht es um Geld.
Die Russen zahlen etwa 2.000 US-Dollar pro Monat und Soldat. Bei nordkoreanischen Zivilisten, die offiziell vom nordkoreanischen Regime entsandt wurden, werden 90 Prozent ihres Gehalts vom Regime beschlagnahmt. In diesem Fall wird angenommen, dass sie jeden Monat ein paar hundert Dollar in der Tasche haben.
Bei den Soldaten in Uniform glaube ich das nicht. Es ist möglich, dass der gesamte Sold beschlagnahmt wird. Was ist mit dem Gerücht, dass diese Soldaten pornosüchtig seien? Ich halte das für unwahr. In der nordkoreanischen Armee gibt es drei Ebenen der Befehlskette und Kontrolle.
Die erste ist das Militär, die zweite die Sicherheitsbehörde – Nordkoreas Gestapo, das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) – sowie die Militärsicherheitsbehörde, das Kommando für militärische Sicherheit. Es gibt also eine Befehlskette und Kontrolle des Militärs, eine der Sicherheitsbehörden und natürlich eine der Arbeiterpartei Koreas.
Diese Soldaten stehen unter strengster Überwachung. Sie wurden in ein fremdes Land an die Front geschickt, um für Putin, Kim Jong-uns großen Verbündeten, zu kämpfen, und zwar auf direkten Befehl des Oberbefehlshabers der nordkoreanischen Streitkräfte. Fehltritte sind nicht erlaubt.
Ihre Verwandten werden zu Hause als Geiseln gehalten. Nordkorea wendet ein System der Sippenhaft an, das Yeon Jo Je genannt wird. Bis zu drei Generationen derselben Familie werden bestraft, gefoltert, inhaftiert und sogar hingerichtet, wenn sie [die Soldaten] nicht tun, was sie tun müssen. Wer beim Versuch zu desertieren erwischt wird, wird auf der Stelle getötet.
Setzt Nordkorea jemals einfache Infanterietruppen, als „Kanonenfutter“ bezeichnet, ein, oder sind es immer diese überlegenen Kampfeinheiten?
Es sind immer diese überlegenen Kampfeinheiten. Einige Beispiele: 1967 kämpften ihre Piloten an der Seite der Syrer. Sie flogen Einsätze gegen Israel im Sechstagekrieg und erlitten schwere Verluste. 1973 flogen sie erneut an der Seite ägyptischer Piloten, diesmal im Jom-Kippur-Krieg gegen Israel. Auch hier erlitten sie Verluste.
Im Vietnamkrieg flogen nordkoreanische Piloten Missionen gegen die USA. Sie verloren 16 Flugzeuge. Ihre Leistung war katastrophal. Ihre Taktiken aus dem Koreakrieg waren nur bedingt tauglich. Die Nordvietnamesen waren so frustriert über den Verlust von 16 Flugzeugen durch nordkoreanische Piloten, dass sie sich schließlich bedankten und sie wieder nach Hause schickten.
1983 beging Robert Mugabes 5. Brigade das furchtbare Massaker von Matabeleland, bei dem 20.000 Zivilisten getötet wurden. Diese Truppen wurden von nordkoreanischen Spezialeinheiten ausgebildet. Nachdem Eritrea sich von Äthiopien abgespalten hatte, kam es in den späten 1990er-Jahren zum äthiopisch-eritreischen Krieg. Auch hier war Nordkorea involviert.
Im syrischen Bürgerkrieg kämpften nordkoreanische Spezialeinheiten für Assad. Bei einem UN-Treffen in Genf erfuhr ich von Menschenrechtsverteidigern aus Syrien, dass Nordkoreaner für Assad kämpfen. Ich war überrascht und sagte, dass ich davon nichts wusste. Aber auf jeden Fall waren diese Einheiten vor Ort.
2007 bauten sie gerade einen Nuklearreaktor für Assad in Syrien, als die australische Luftwaffe den Reaktor bombardierte. Assad beschwerte sich nicht bei der UNO. Stattdessen ließ er Bulldozer anrücken, die alles planierten, sodass nichts mehr davon übrig war.
Nordkorea hat zur Verbreitung von Instabilität und Gewalt im Nahen Osten beigetragen – im Iran, bei seinen terroristischen Stellvertretern wie Hisbollah, Hamas und den Huthi-Rebellen im Jemen. All das richtet sich gegen unseren wichtigsten und einzigen Verbündeten im Nahen Osten, den Staat Israel.
Nordkorea hat also eine lange Geschichte der Einmischung in ausländische Konflikte. Und wenn sie Truppen entsandten, schickten sie kein Kanonenfutter, sondern in der Regel ihre besten Einheiten, meist Spezialeinheiten.
Erklären Sie bitte, wie das System in Nordkorea funktioniert. Es gibt diese erbliche Nachfolge der obersten Führer. Gleichzeitig gibt es diese Geschichte, dass kommunistische Prinzipien angewandt werden. Auch wenn sie nicht direkt angewendet werden, sind sie meines Wissens immer noch in Kraft.
Das ist also eine natürliche Entwicklung des Kommunismus – er endet immer in einer dystopischen, kleptokratischen Dynastie. Wer weiß, was wir heutzutage erleben würden, wenn es den osteuropäischen Ländern 1989 nicht gelungen wäre, den Kommunismus loszuwerden.
Nordkorea, die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK), wurde von den Sowjets gegründet. Kim Il-sung lernte von den Sowjets, wie man politische Straflager betreibt und ein eigenes Gulag-System einrichtet. Natürlich verlieh er dem Ganzen seine persönliche Note.
Dann entschied er, die Macht an sich zu reißen und sie anschließend an seine Nachkommen weiterzugeben. Die nordkoreanische Bevölkerung ist täglich einem gewaltigen ideologischen Bombardement ausgesetzt. Mindestens einmal pro Woche, je nach Beruf, müssen die Menschen an Sitzungen zu Selbstkritik und ideologischer Indoktrination teilnehmen.
In diesen Sitzungen teilt man sich mit und sagt: „Genossen, ich habe dies, das und jenes falsch gemacht, und ich gelobe, die 10 Prinzipien der monolithischen Ideologie (TPMI) hundertmal zu rezitieren und ein besserer Mensch zu werden.“
Danach kritisiert man jemanden anderen im Raum. Diese Person übt ebenfalls Selbstkritik. Und so geht es immer weiter, ewig lang.
Zur Verbindung zwischen Menschenrechten und Sicherheit: Sie sagen, letztlich ist es die Ausbeutung dieser Menschen, die alle Aktivitäten des Regimes finanziert und damit das Sicherheitsproblem überhaupt erst schafft.
Die Verbindung zwischen Menschenrechten und Sicherheit hat mehrere Ebenen. Im gesamten System der politischen Straflager Nordkoreas, in den Arbeitslagern zur Umerziehung, den Gulags und anderen Haftanstalten, gehört Zwangsarbeit zum Alltag.
Diese Sklavenarbeit versorgt Nordkoreas Rohstoffindustrie, vor allem die Kohleförderung. Das Regime ist weitgehend auf Sklavenarbeit und Zwangsarbeit angewiesen, um die Ressourcen für seine Waffen zu entwickeln. Die ins Ausland geschickten Arbeiter werden als Ware exportiert, um dem Regime harte Währung zu verschaffen.
Meine Organisation hat auch eine sehr interessante Situation im Lager 16 dokumentiert. Das ist ein politisches Straflager, sehr nahe an der Punggye-ri Atomwaffentestanlage. Wenn man um den Berg fährt, gibt es eine relativ lange Straße, aber es gibt auch eine Abkürzung, eine Serpentinenstraße, die direkt vom politischen Straflager zur Atomwaffentestanlage führt.
Es gibt natürlich verschiedene Erklärungen, warum diese Abkürzung in den Berg gegraben wurde. Eine davon ist, dass das Regime Zwangsarbeit, Gefängnisarbeit und Sklavenarbeit aus dem Lager in diesen nuklearen Testanlagen einsetzt.
Das Volk Nordkoreas zahlt einen sehr hohen Preis für die Entwicklung von Atomwaffen und ballistischen Raketen durch das Regime.
Bezüglich der Tatsache, dass mit dem Krieg zwischen der Ukraine und Russland so viel Geld gemacht wird, hat Präsident Trump versprochen, diesen Konflikt so schnell wie möglich zu beenden. Daher ist es wahrscheinlich, dass dieser Geldstrom eines Tages versiegt. Haben Sie noch einen abschließenden Gedanken?
Es ist wichtig zu begreifen, dass Nordkorea nicht mehr nur ein Problem auf der koreanischen Halbinsel ist, nicht mehr nur eine Sicherheitsbedrohung für Nordostasien oder den Asien-Pazifik-Raum. Die Ausbreitung von Instabilität und Gewalt durch nordkoreanische Waffen, Munition und sogar Soldaten wurde gegen unsere Verbündeten in Israel und gegen die Ukraine eingesetzt.
Nordkorea hat sich als Unterstützer von staatlichem Terror verbreitet, und ist es natürlich auch selbst. Sie unterstützen terroristische Gruppen, die unsere eigenen Freunde und Verbündeten angreifen, überfallen, töten und ermorden. Nordkorea ist zu einer globalen Bedrohung geworden.
Es ist ein immer wichtigerer Teil der Achse der Tyrannei. Russland, China, Iran, Nordkorea und ihre Verbündeten sind im Grunde Mächte, die hart daran arbeiten, den Status quo zu bekämpfen und die uns bekannte internationale Ordnung abzubauen. Sie sind revisionistische Mächte.
Wir müssen sehr genau auf die Sicherheitsbedrohung achten, die Nordkorea darstellt. Wir müssen verstehen, dass es eine untrennbare Verbindung zwischen den Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea und der schweren Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit gibt.
Hören und Sehen Sie hier das ungekürzte Interview im englischen Original.
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