Wagenknechts Warnung: Durchgriff in Thüringen zur Verteidigung der Parteilinie
Sahra Wagenknecht war nicht begeistert. Neben der Parteigründerin hatten auch andere BSW-Bundespolitiker die Sondierungsergebnisse von CDU, BSW und SPD in Thüringen und ausgehandelte Formulierungen zu friedenspolitischen Fragen in den vergangenen Tagen scharf kritisiert.
Daher forderte der Bundesvorstand in einem Beschluss die Thüringer auf, außenpolitische Positionen in Koalitionsverhandlungen zu konkretisieren – oder in die Opposition zu gehen.
Wolf knickt ein
Das BSW in Erfurt reagierte verschämt. In der Erklärung der Thüringer heißt es, der Landesvorstand habe sich intensiv auf die Koalitionsverhandlungen vorbereitet. Ziel sei, für Thüringen eine stabile Regierung zu bilden und die Ziele im Wahlprogramm in den zukünftigen Koalitionsvertrag einzubringen.
Im Berliner Umfeld Wagenknechts sprach man von Verrat und schmähte Katja Wolf und ihr Umfeld als die „Thüringer Clique“, welche durch „Ränkespielchen“ kleinbürgerliche Karrierepläne forcieren würde.
Dabei konnte sich Katja Wolf, die zunächst selbstbewusst – nämlich gar nicht – auf die Signale aus Berlin reagierte, nicht einmal mehr auf die eigene Landtagsfraktion verlassen. Die Thüringer BSW-Abgeordnete Anke Wirsing ließ über Social Media verlautbaren: „Ich habe nicht mit Sahra Wagenknecht DIE LINKE verlassen, um nach wenigen Monaten den Gründungskonsens aufzukündigen. Ich werde nicht gegen den Bundesvorstand agieren.“
Die Sorgen der Sarah W.
Eine enge Vertraute Wagenknechts kommentierte diese Aussage folgendermaßen, dass Sahra Wagenknecht sich an ihre Rede vom Gründungsparteitag erinnert fühle, wonach das BSW keine Linke 2.0 sei.
Selbstkritisch stellt man sich in der Berliner BSW-Zentrale die Frage, wenn auch noch nicht öffentlich, ob man sich mit manchen ehemaligen Linken-Politikerinnen nicht die Laus in den Pelz gesetzt habe.
Bemerkenswert war auf jeden Fall, dass es der BSW-Schatzmeister Ralph Suikat und die Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti in einem Gastbeitrag auf „t-online“ an deutlichen Worten nicht mangeln ließen. „Sie tappen in eine Falle“, hieß es dort bedrohlich, bezüglich der Aktionen von Katja Wolf, „es geht um Glaubwürdigkeit“. Hier zeigen sich die ersten Risse im jungen BSW.
Suikat, der aus der Wirtschaft kommt, gilt als einer der engsten Vertrauten Wagenknechts, weshalb dieser Beitrag nicht ohne Zustimmung von Sahra Wagenknecht selbst verfasst worden sein dürfte.
Berlin setzt sich durch
Das Auftreten der Parteispitze in Berlin blieb noch ohne Wirkung in der Thüringer Provinz. Laut der Nachrichtenagentur dpa sprach die wieder auf Linie gebrachte BSW-Rebellin Wolf nach den Konsultationen von einer „guten Diskussion“. Die unter Beschuss aus Berlin geratene Präambel werde aber nicht noch einmal neu verhandelt: „Die ist insoweit durch.“
Ferner gab sich Wolf reumütig und gelobte, bei den am Montag beginnenden offiziellen Koalitionsgesprächen darauf zu bestehen, dass die Handschrift des BSW in einem möglichen Vertrag deutlich wird.
Der extra aus der Hauptstadt angereiste Generalsekretär Christian Leye trat gemeinsam mit Wolf für ein Statement in Erfurt vor die Kameras. Leye stellte dabei fest: Die Position des BSW müsse „nachgeschärft“ werden.
Wagenknechts Warnung
Wagenknechts Warnung an Katja Wolf ist auch als Hinweis an andere Landesverbände zu verstehen, von denen viele gerade noch gegründet werden, es gar nicht erst mit Spielchen zu versuchen.
In Wagenknechts Umfeld schaut man besorgt auf Hamburg, wo im März die Bürgerschaftswahlen stattfinden, aber das dortige BSW nicht in Schwung kommt. Stattdessen haben gerade erst drei Linke-Rebellen, welche eigentlich im BSW Karriere machen sollten, sich aber mit der Hamburger BSW-Bundestagsabgeordneten Żaklin Nastić überworfen hatten, eine neue Partei gegründet.
Ehemalige Linken-Politiker wollen mit neuer Wählervereinigung bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg antreten
Sahra Wagenknecht selbst hat immer deutlich gemacht, dass es ihr mit dem BSW um eine Veränderung der Politik auf Bundesebene gehe.
Schon im November 2022 äußerte die Politikerin in „Bild TV“, sie wünsche sich, dass „in Deutschland eine Partei entsteht, die die Politik der Regierung verändern kann“. An anderer Stelle sprach sie einmal davon, dass sie ihre politische Laufbahn nicht mit einem „Flop“ enden lassen möchte.
Rund ein Jahr nach der Gründung des BSW scheint sich diese Befürchtung bisher nicht bestätigt zu haben. Eher scheint es so, dass der Wunsch Wagenknechts, die Politik der Regierung zu verändern, subtil durchzuschimmern scheint.
BSW-Aufstieg trotz Gegenwind
Zusätzlich hat das BSW in den vergangenen zwölf Monaten einen explosiven Aufstieg erlebt, den weder seine Gegner noch Anhänger am 8. Januar 2024, dem Tag der Gründung der Partei, so vorhergesagt haben. Dieses geschah trotz beträchtlichem Gegenwind durch die politische Konkurrenz, einer kritisch bis negativen medialen Berichterstattung, welche Züge einer Kampagne trug und trägt.
In vier Parlamente ist das BSW eingezogen: neben dem Europaparlament in die Landtage von Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Sie wird dabei als Regierungspartei umworben. In der Tatsache, durch diese Erfolge eine politische Neuorientierung einzuleiten, das BSW dauerhaft im Parteienspektrum zu etablieren, ohne seine eigenen Grundsätze über Bord zu werfen, sowie dem medialen und politischen Dauerbeschuss standzuhalten, liegt das Wagnis der Sahra Wagenknecht begründet.
Auch in der Tendenz, den eigenen hohen Ansprüchen gerecht zu werden, wonach die Partei eine „Partei des Miteinanders“ sein müsse und „nicht eine Partei der Intrigen und des Postengeschachers wie alle anderen … Es sollten Strukturen im BSW geschaffen werden, in denen sich nicht die Rücksichtslosesten und Intrigantesten durchsetzten, sondern die Talentiertesten und Besten“, wie Sahra Wagenknecht es auf dem Gründungsparteitag im Kino Kosmos am 27. Januar 2024 formulierte.
Ob mit einer neuen Partei auch dieses neue Miteinander entsteht, wie diese Worte als Wunsch zum Ausdruck bringen, oder ob es im BSW nicht auch schon die Tendenz zum Klüngel und Karrierismus gibt, wie aus anderen politischen Parteien bekannt, ist zur Stunde nicht eindeutig zu beurteilen.
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