Waffenexperte: Messerverbote sind „vollkommene Symbolpolitik“ – ehrliche Bürger werden gegängelt
Nach dem Anschlag von Solingen, bei dem drei Menschen getötet und acht weitere mit einem Messer schwer verletzt worden sind, sind erneut Stimmen nach einem Messerverbot und weiteren Einschränkungen des legalen Führens von Messern laut geworden. Doch neu ist die Diskussion nicht.
Jörg Sprave beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit dem deutschen Waffengesetz, allgemein freien Waffen und der Regulierung von Messern. Mit über 3 Millionen Abonnenten auf YouTube gehört er zu den größten deutschen Kanälen. Zudem ist er Waffenhändler.
Herr Sprave, ist das Waffenrecht in Deutschland ausreichend? Falls nein, wie könnte man es verändern oder optimieren?
Das deutsche Waffengesetz wurde so oft geändert, dass es mittlerweile vollkommen intransparent und in sich unlogisch aufgebaut ist. Niemand versteht es mehr. Selbst auf Waffenrecht spezialisierte Anwälte haben Probleme, da durchzusteigen und Polizisten auf der Straße sind völlig hilflos. Jeder weitere Änderungsversuch würde die Situation weiter verschlimmern.
Es müsste mal Tabula rasa gemacht und ein ganz neues Waffengesetz geschrieben werden. Mit dieser Forderung stehe ich nicht allein da. Auch der Branchenverband VdB [Anm. d. Red.: Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler] stellt sich ganz klar so auf.
Ein neues Waffenrecht könnte in einigen Bereichen strenger sein, in anderen Bereichen liberaler. Es nützt ja nichts, wenn man Verbote erlässt, die nichts bringen und sie trotzdem nicht ändert.
Ganz konkret geht es um die Forderung nach einer Begrenzung der Klingenlänge auf 6 Zentimeter anstatt von aktuell 12 Zentimetern, die man legal in der Öffentlichkeit führen darf. Seit wann gibt es das Thema denn schon?
Boris Pistorius hat das 2019 zuerst vorgebracht, als er noch Innenminister in Niedersachsen war. Damals war er ein ganz furchtbarer Waffengegner. Das hat sich nun etwas geändert. In seiner aktuellen Position [Anm. d. Red.: als Verteidigungsminister] findet er Waffen gar nicht mehr so furchtbar. Aber da geht es ja auch nicht um Messer.
Dieses 6-Zentimeter-Verbot kam ursprünglich von ihm und wurde dann von seiner Nachfolgerin im Innenministerium in Niedersachsen, Daniela Behrens, wieder aufgegriffen. Und die hat das dann durch den Bundesrat gepeitscht. Und dann hat Frau Faeser es entsprechend kolportiert.
Wie man hört, soll es jetzt vom Tisch sein. In der Einigung der Ampel zum Sicherheitspaket ist es nicht mehr enthalten. Ich nehme an, dass wir das der FDP zu verdanken haben, die zwar nicht in allen Punkten, aber zumindest in diesem Punkt anscheinend nicht eingeknickt ist.
Video-Interview mit Jörg Sprave in voller Länge:
Was würde die Begrenzung auf 6 Zentimeter bringen?
Es ist eine vollkommene Symbolpolitik, weil Messer zwischen 6 und 12 Zentimetern Klingenlänge überhaupt nicht straffällig auffällig sind. Die Leute, die andere umbringen wollen, die nehmen längere Messer, die sind ja frei verfügbar. Und wenn ich jemanden töten will, dann unterlasse ich das nicht, nur weil das Führen von Messern verboten ist. Das ist so lächerlich, dass man kaum glauben kann, dass diese Forderung wirklich damit in Verbindung gebracht wird.
In der Realität hätte es also gar keine Auswirkung?
In der Tat. 6 Zentimeter sind für ein Messer unwahrscheinlich kurz. Die meisten Leute machen sich nicht klar, dass selbst das Schweizer Taschenmesser unter dieses Verbot fallen würde, denn es hat eine Klingenlänge von 6,5 Zentimetern. Wenn Sie das schon mal benutzt haben, um einen Apfel zu schälen, dann wissen Sie, dass das die kürzeste Klinge ist, die dafür verwendet werden kann. Wenn man sich also auf 6 Zentimeter begrenzt, dann sind das vollkommene Mikromesser, die man eher als Spielzeug bezeichnen muss.
An Bord von Flugzeugen innerhalb der EU gilt eine Klingenlängenbegrenzung von 6 Zentimetern bereits. Und da mag sie auch Sinn ergeben.
Die Forderung ist eine Zumutung für die ehrlichen Bürger. Es betrifft ja zum Beispiel auch einen Waldspaziergang. Nur weil es Verbrecher gibt, die mit ganz anderen Messern Straftaten begehen, sollen jetzt sozusagen alle Messer in Sippenhaft genommen werden. Das wird keinen Sicherheitsgewinn bringen.
Es werden mehr Waffenverbotszonen gefordert. Was halten Sie davon?
Aus der Sicht eines Polizeibeamten besteht der Vorteil einer Waffenverbotszone darin, dass man anlasslos kontrollieren kann. Das heißt, wenn der Polizei jemand verdächtig vorkommt, egal warum, dann kann man ihn durchsuchen. Verbotszonen sind nur sinnvoll, wenn man sie auch kontrollieren kann. Das große Problem ist aber, dass die Polizei sehr schwach besetzt ist.
Wir haben es in Mannheim gesehen: Der Mord passierte in einer Waffenverbotszone. Es waren sogar Polizeibeamte vor Ort. Aber durchgesetzt hat man das Gesetz wohl nicht. Unter diesen Voraussetzungen lehne ich Waffenverbotszonen ab, weil es eine Gängelung der ehrbaren Bürger darstellt und dazu führt, dass die Sicherheit für den ehrlichen Bürger sinkt und nicht steigt.
Grundsätzlich bin ich für Waffenverbotszonen an Brennpunkten, damit man als Bürger wirklich sicher sein kann, dass sich da niemand mit einer Waffe aufhält. Eine Waffenverbotszone, die nicht kontrolliert wird, hat aber den gegenteiligen Effekt. Dadurch, dass der gesetzestreue Bürger sich ebenfalls nicht bewaffnen darf, sind Pfefferspray und Ähnliches in der Regel nicht erlaubt. Straftätern ist das egal, sie haben dann ein umso leichteres Spiel.
Bei der Messerkriminalität gibt es eine klare Zunahme der Fälle. Gibt es andere Maßnahmen, um dagegen vorzugehen?
Ich bin dafür, dass man die Videoüberwachung stark ausweitet. Einfach deswegen, weil ein Straftäter, der weiß, dass seine Tat aufgezeichnet wird, es sich dann vielleicht zweimal überlegt. Dass das funktioniert, sieht man in anderen Ländern. In England zum Beispiel haben wir viel mehr Videoüberwachung, und da, wo die Videoüberwachung läuft, passieren deutlich weniger Straftaten.
In Deutschland haben wir dann wieder das Datenschutzthema, und ich sehe auch eine Schwierigkeit darin, dass man ständig damit rechnen muss, gefilmt zu werden. Aber einen gewissen Kompromiss muss man halt eingehen.
Ich bin auch der Meinung, dass Einschränkungen bei der Durchsuchung von Personen durch Polizeibeamte geändert werden müssen. In den Innenstädten sollte die Polizei anlasslos kontrollieren können und keine Einschränkung bei der Auswahl der Personen haben.
Da sind wir ja im Moment ganz schnell beim Racial Profiling. Aber wenn nun mal die überwiegende Zahl der Täter zu einer Personengruppe gehört, dann finde ich es ein Unding, dass ein Polizeibeamter sich verantworten muss, nur weil er solche Leute öfter kontrolliert als „Normalsterbliche“.
Gibt es aktuell Möglichkeiten, wie sich die Bürger gegen eine Verschärfung des Waffenrechts einsetzen können?
Grundsätzlich kann man vieles tun. Am zielführendsten wäre es, sich an die Abgeordneten seines Wahlkreises zu wenden und sie aufzufordern, sich dafür einzusetzen, dass man als Bürger nicht gegängelt wird.
Im Moment ist es auch sinnvoll, sich an die FDP zu wenden. Sie ist im Augenblick die einzige Partei, die eine Waffengesetzverschärfung verhindern kann. SPD und Grüne sind ja sehr stark für eine weitere Einschränkung des Waffenbesitzes. Die anderen Parteien sind nun mal im Augenblick nicht an der Regierung.
Man kann auch den Branchenverband VdB unterstützen, der sich für normale Waffenbesitzer einsetzt. Wir brauchen eine Lobby, die darauf schaut, dass Politiker sich nicht immer wieder an ehrlichen Bürgern vergreifen.
Haben Sie eine Handlungsempfehlung für die Leser, wenn sie in eine Situation mit Messergewalt kommen?
Gegen einen Messerangriff kann man sich sehr schlecht wehren. Auch die Empfehlungen von Kampfsportexperten sind absolute Notlösungen. Wenn jemand mit einem Messer kommt, sollte man so schnell wie möglich so weit wie möglich laufen.
Jim Wagner, ein amerikanischer Messerkampfexperte, der auch das SEK ausbildet, beginnt seine Kurse damit, dass er Fotos der Sieger von Messerkämpfen zeigt. Es sieht darauf aus wie in einem Schlachthaus. Es ist keine gute Idee, einen Messerstecher mit Waffengewalt aufhalten zu wollen.
Auch wenn man selbst mit einem Messer bewaffnet ist, sollte man das nur einsetzen, wenn man so in die Ecke getrieben ist, dass es keine Alternative gibt. Ein Messerkampf endet meistens für beide Beteiligten tödlich. Wenn man Glück hat, dann überlebt der Gewinner. Aber auch der trägt sehr schwere Verletzungen davon. Andererseits empfehle ich trotzdem, etwas zur Selbstverteidigung mitzunehmen, damit man nicht völlig wehrlos ist.
Was glauben Sie, in welche Richtung wird sich das deutsche Waffengesetz entwickeln?
Wir stehen am Scheideweg. Wenn man auf die Nachbarländer im Osten, Tschechien und Polen schaut, aber auch auf Nordeuropa, sehen wir im Moment eine starke Lockerung der Waffengesetze.
Ich finde das auch sinnvoll, denn die Bedrohungslage ist nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpolitisch gestiegen. Wie soll man den Menschen vermitteln, dass man ihnen in unsicheren Zeiten die letzten Waffen wegnimmt?
Es würde sogar Sinn ergeben, den Waffenbesitz auszuweiten. Denn Waffen darf man in Deutschland nur besitzen, wenn man nachgewiesenermaßen zuverlässig ist, also keine Vorstrafen hat, sich korrekt verhält, eigentlich ein idealer Bürger ist. In unsicheren Zeiten wäre es nicht schlecht, wenn solche Leute Waffen haben dürften. Und zwar auch dann, wenn sie in keinem Schützenverein sind und nicht auf die Jagd gehen wollen; Österreich ist da ein gutes Beispiel. Da ist Selbstschutz ein anerkanntes Bedürfnis, um an eine Waffe zu kommen. Das könnte ich mir für Deutschland auch vorstellen.
Herzlichen Dank für das Interview!
Das Interview führte Alexander Zwieschowski.
Redaktionelle Bearbeitung durch mk.
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