„Umstritten“: Wer die ,falsche‘ Meinung hat, soll schweigen
Dem Wort „umstritten“ habe ich in früheren Zeiten ehrlich gesagt keine große Aufmerksamkeit geschenkt. Nannte man eine – meist bekannte Persönlichkeit – „umstritten“, war klar, dass sie nicht so recht ins gesellschaftliche Gefüge passte, mit Meinung oder Verhalten. Ein großer Aufreger war das nicht, ein besonderes Interesse weckten Umstrittene bei mir nur selten.
Vom anerkannten Fachmann zum Schwurbler
Doch seit dem Beginn der Corona-Pandemie hat dieses Wort eine andere Bedeutung bekommen. Es ist massiver, polarisierender, wird häufig im politischen Kontext verwendet. Wer „umstritten“ ist, gefährdet die Gesundheit von Millionen Menschen, erfuhren wir, als etwa der Virologe Sucharit Bhakdi vor der Impfung warnte und zuvor auch die Corona-Maßnahmen kritisierte. Bhakdi war bis dato ein anerkannter Fachmann auf seinem Gebiet. Plötzlich galt er als Schwurbler und der Mainstream ließ kaum eine Gelegenheit aus, ihn zu diffamieren.
„Umstritten“ – es gab zwei Möglichkeiten, mit dieser Zuweisung umzugehen. Entweder wandte man sich ab, schüttelte den Kopf über die als hanebüchen empfundenen Aussagen der Umstrittenen – oder man hörte aufmerksam zu und verglich die Ansichten. „Kontroverse Diskussion“ nannte man das in früheren Zeiten, es diente der Meinungsbildung und der Erweiterung des geistigen Horizonts.
Als eine zweite Meinung nicht mehr gewollt war
Doch schon spätestens ab dem Frühjahr 2020 war Schluss damit. Die „umstrittenen“ Stimmen zu den umstrittenen Corona-Maßnahmen der Regierung samt den Empfehlungen eines kleinen „Experten“-Kreises ließ keine zweite Meinung mehr zu.
Dasselbe Phänomen zeigte sich später im Kontext der Corona-Impfungen, des Ukraine-Kriegs, des Klimawandels. Es gab keine zweite Meinung mehr, alle folgten gewissen Narrativen. Die Zweifler wurden als „umstritten“ ausgegrenzt und möglichst unsichtbar gemacht.
Doch gab – und gibt – es viele Stimmen, die nicht verstummt sind, die sich trotz aller privater und/oder beruflicher Konsequenzen nicht davon abhalten ließen und lassen, ihre Meinung zu sagen. Aus dem mittlerweile großen Pool der „Umstrittenen“ hat der Schriftsteller Marcus Klöckner ein Buch gemacht, das er – natürlich – „Umstritten“ genannt hat.
Das Werk, das den Sprung in die Bestsellerliste geschafft hat, zeigt eine subjektive Auswahl an Personen, über die berichtet wird. Das ist eine Besonderheit an diesem knapp 200-seitigen Buch: An den sieben Porträts waren neben Klöckner noch sechs weitere Autoren beteiligt. Einige von ihnen dürften ob ihrer kritischen Haltung ebenfalls zu den Umstrittenen zählen.
70-seitige Wiedergabe eines Lanz-Talks samt Analyse
Hinzu kommt ein von Klöckner bearbeitetes Transkript aus einem Gespräch zwischen der Politikwissenschaftlerin Prof. Ulrike Guérot und Markus Lanz in dessen Talkrunde. Zu den Gesprächsgästen gehörten außerdem der Journalist Frederik Pleitgen und die Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Auf 70 Seiten analysiert der Medienwissenschaftler und Soziologe Klöckner die Diskussion und zeigt die rhetorischen wie auch gesprächstaktischen Mittel auf, um Guérot kaltzustellen. Allein dieser Teil des Buches ist sehr fesselnd, weil Klöckner seinen Lesern verdeutlicht, wie subtil man mit Sprache arbeiten und wie hochmanipulativ sie sein kann. Die Analyse entlarvt eine Pseudodebatte, in der der Auftritt Guérots nicht etwa der Meinungsvielfalt dient, sondern nur der Manifestierung eines einzigen „Richtig“.
Stete Bereitschaft zum Diskurs
„Umstritten“ macht fassungslos und ist dennoch ermutigend. Es macht fassungslos zu erleben, wie umfänglich versucht wird, die Kritiker der großen Narrative mundtot zu machen. Doch gelingt es nicht. Die Umstrittenen sind standhaft.
Früher konnten sie eine Meinung vertreten, heute müssen sie sich als Person verteidigen, dennoch lassen sie sich nicht beirren. Das macht Mut. Ihre Waffen sind Argumente, Wissen und stete Bereitschaft zum Diskurs. Sie müssen nicht diffamieren, verleugnen oder hetzen. Das macht sie stark.
Daher ist „Umstritten“ auch ein Buch für all die Umstrittenen, die nicht im großen Lichtkegel von TV-Studios oder Vortragsbühnen in Erscheinung treten. Diejenigen, die in ihrem Mikrokosmos wirken, sich aber dennoch starkem Gegenwind ausgesetzt sehen und in den vergangenen Jahren Familienmitglieder, Freunde oder auch Beruf und Karriere verloren haben. Denn davon gibt es noch viel mehr.
Wer die falsche Meinung hat, soll schweigen
Für Marcus Klöckner kam der Impuls für das Buch durch den Umstand, dass „vor unseren Augen kritische Geister, die eine vom Mainstream abweichende Meinung vertreten, mundtot gemacht werden“. Im Interview mit Epoch Times sagt er weiter: „Wer heutzutage die ,falsche‘ Meinung hat, soll schweigen. Mit dem Geist der Demokratie hat dieses Verhalten nichts zu tun.“
So habe die Idee zu dem Werk „in Anbetracht der Verhältnisse“ nahegelegen. Dass sich verschiedene Autoren der „Umstrittenen“ angenommen haben, ist für Klöckner ein stilistisches Mittel. „Wäre ich Alleinautor gewesen, wäre es ein Buch rein aus meiner Perspektive geworden. So aber hat der Leser die Möglichkeit, die unterschiedlichen Fälle aus den Perspektiven von verschiedenen Autoren mit ihren jeweils eigenen Blickwinkeln zu betrachten.“
In seinem Vorwort kritisiert Klöckner „Medien, die viel zu oft hochgradig manipulativ, hetzerisch und parteiisch agieren“. Sie hätten maßgeblich zur Schließung des Debattenraums beigetragen. Dabei sieht Klöckner so gut wie keine Beispiele mehr für Medien, die das anders machen. Eine pluralistische Ausrichtung gebe es nur noch „vereinzelt“.
Im Buch geht es um Stefan Homburg, Daniele Ganser, Patrik Baab, Michael Meyen, Ulrike Guérot, Dr. Friedrich Pürner und Albrecht Müller. Klöckner hat sie ausgewählt, weil sie zum Teil massiv in der Öffentlichkeit angegangen worden seien.
Hinterfragen reicht, um als umstritten zu gelten
Der Autor und Herausgeber erklärt: „Haltungsjournalisten haben versucht, Ulrike Guérot öffentlich existenziell zu zerstören. Sie wurde, wie kaum eine andere, durch den Dreck gezogen. Und warum? Weil sie es gewagt hat, Frieden, Freiheit, Grundrechte zu sagen. Und dann sprach sie auch noch von einem Stellvertreterkrieg in der Ukraine. Mittlerweile wissen wir: In der Ukraine sind hunderttausende Soldaten auf beiden Seiten tot, verstümmelt, schwer traumatisiert. Das wäre vermeidbar gewesen, wenn die Politik auf Frieden und nicht Kampf gesetzt hätte“, so Klöckner. Daher habe Guérot mit ihrem Einsatz für Frieden richtiggelegen.
So sei das auch mit den anderen Menschen gewesen, die Klöckner im Buch porträtiert. Schon vor rund 20 Jahren hatte der Schweizer Historiker Daniele Ganser die Öffentlichkeit über die geheimen Armeen der NATO, die sogenannten Gladio-Armeen, aufgeklärt. „Und über die Prinzipien der Operationen unter falscher Flagge“, so der Autor. „Nur hat er eben auf diese Prinzipien auch im Zusammenhang mit 9/11 verwiesen. Aber das hat einigen nicht geschmeckt.“
Oder Professor Stefan Homburg. „Er hat die absurden Corona-Zahlen hinterfragt. Und schon war er ,umstritten‘“, so Klöckner weiter. Die für das Buch ausgesuchten Fälle seien Beispiele für die Übergriffe gegen kritische Denker. „Eigentlich hätten noch viel mehr Fälle dieser Art in das Buch gehört. Das hätte aber leider den Rahmen gesprengt.“
Eins vereint sie alle: Die Umstrittenen wurden öffentlich niedergemacht, mit Hass und Hetze überzogen. Teilweise haben sie sogar ihre berufliche Existenz verloren.
Sie haben sich nicht den Mund verbieten lassen
„Jeder Fall ist auf seine eigene Weise schlimm“, sagt Klöckner, der sich im Vorfeld mit jedem geschilderten Erlebnis auseinandergesetzt hat. „Man muss sich das so vorstellen: Sie haben nichts, absolut nichts getan, was die Versuche einer öffentlichen Zerstörung ihrer Reputation und ihrer Person rechtfertigen könnte“, führt er weiter aus.
„Im Grunde genommen haben sie nur – sei es als Politikwissenschaftlerin, als Journalist oder als Historiker – ihre Arbeit ernst genommen. Sie haben sich der Wahrheit verpflichtet gefühlt. Und dafür werden sie öffentlich mit einem Kübel Dreck übergossen.“
Daher gehe ihm jeder Fall auf seine Weise nahe. Doch das Gute: All diese Personen, die im Buch vertreten sind, haben sich nicht kleinmachen lassen. Sie haben sich nicht den Mund verbieten lassen. Das ist die richtige Einstellung und auch der richtige Weg. Prinzip: Jetzt erst recht!“
Eine Verbesserung der Zustände erwartet Klöckner zunächst nicht, so schnell werde da nichts passieren. Vielmehr ist er überzeugt: „Es wird noch ekliger. Aber wo Schatten, da auch Licht. Wir beobachten derzeit, wie die Versuche im Geiste der gestörten Cancel Culture immer wieder auch auf Sand laufen.“
„Brutale Schließung des Debattenraums“
Ein großer Teil der Bevölkerung – so nehme er das zumindest wahr – wolle nicht, „dass Akteure, die etwa auf die kriegstreiberische Politik des Westens hinweisen, aus dem öffentlichen Diskurs entfernt werden“. Problematisch sei allerdings, dass es auch einige gebe, „die die Meinung der anderen nicht ertragen können“. Sie könnten und wollten nicht verstehen, dass Pluralismus heißt, die Sichtweise anderer zuzulassen.
Diese Personen säßen in den Medien, der Politik und auf Ebene der „Experten“. Letztlich gehe es aber nicht nur um das Problem, andere Meinungen nicht aushalten zu können. „Die brutale Schließung des Debattenraums hat vor allem mit einer sehr realen Machtpolitik zu tun. Es geht darum, eine Schutzmauer um machtpolitische Erzählungen zu ziehen“, erläutert er.
So müsse man sich vorstellen, was passieren würde, wenn die Sichtweisen der „Umstrittenen“ breit bei den öffentlich-rechtlichen und in der Mainstream-Presse vertreten wäre. „Die Politik der Lügen, der Halbwahrheiten, der Verdrehungen, der Manipulationen würde zusammenbrechen wie ein Kartenhaus“, ist Klöckner überzeugt.
Nicht wenige Journalisten agierten letztlich als „die modernen Lordsiegelbewahrer. Sie wollen die vorherrschenden Machtverhältnisse – aus welchen Gründen auch immer – bewahren. Deshalb greifen sie die ,Umstrittenen‘ an und wollen sie zum Schweigen bringen. Nur: Es gelingt nicht mehr so recht.“
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