Studie: Placebos fördern Selbstheilungskräfte signifikant

Wir alle verfügen über eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Heilung von Krankheiten. Unsere inneren und äußeren Überzeugungen können einen tiefgreifenden Einfluss haben, wie der Placeboeffekt zeigt.
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Die Kraft des Geistes: Wie Placebos die medizinische Wissenschaft herausfordern.Foto: iStock
Von 9. Mai 2024

Im Jahr 2009 führten Wissenschaftler eine Studie durch, die Einblicke in eine Komponente des Placeboeffekts bot. Patienten mit einem Reizdarmsyndrom (IBS) wurden per Zufallsprinzip zwei verschiedenen Gruppen zugeordnet. Die erste Gruppe erhielt keine Behandlung, während die zweite Gruppe ein klar gekennzeichnetes Placebo erhielt, mit der Beschreibung:

Placebopillen, hergestellt aus inaktiven Substanzen wie Zucker, haben in klinischen Studien eine bemerkenswerte Verbesserung der Symptome bei Reizdarmsyndrom gezeigt, was auf die Aktivierung der körpereigenen Selbstheilungskräfte zurückzuführen ist.

Nach drei Wochen berichteten 30 Prozent der Patienten in der unbehandelten Gruppe über eine spürbare Linderung ihrer Symptome, verglichen mit 60 Prozent in der Placebogruppe.

Die Linderungsrate der Krankheit in Gruppe A hat den ersten wesentlichen Aspekt des Placeboeffekts aufgezeigt: Zeit heilt Wunden. Ein noch treffenderer Ausdruck findet sich in der Mitteilung an Gruppe B: Unser Körper besitzt die Fähigkeit zur „Selbstheilung“.

Diese Selbstheilungskräfte werden oft übersehen, und auch die etablierten Medien haben ihnen nicht genügend Beachtung geschenkt. Dabei spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Genesung von Krankheiten und bilden ein zentrales Prinzip der Naturheilkunde.

Die Selbstheilung ist kein mysteriöser Vorgang. Bei Patienten mit einem Reizdarmsyndrom können etwa Stress, entzündungsfördernde Stoffe oder bestimmte Essensgewohnheiten die Darmfunktion beeinträchtigen.

Wenn Menschen ihren Lebensstil anpassen, zum Beispiel Stress und bestimmte Lebensmittel vermeiden und durch regelmäßige Bewegung ihre Darmgesundheit verbessern, können sie oft ihre Beschwerden beim Reizdarmsyndrom verringern.

Selbst ohne aktive Maßnahmen haben der Darm, das Mikrobiom und das Immunsystem das Potenzial, sich über die Zeit selbst zu regenerieren.

Der Körper besitzt nämlich eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Selbstheilung, die ständig aktiv ist und uns vor schädlichen Substanzen, Viren und Krebs schützen kann. Das Immunsystem und das Lymphsystem bilden die erste Verteidigungslinie gegen derartige Bedrohungen. Die Leber filtert Gifte und die Nieren scheiden Abfallprodukte aus. Weiter sind die Zellen in der Lage, Abfälle intern zu recyceln, und sogar die DNA kann Schäden selbst reparieren. Diese Prozesse sind nur einige Beispiele für die vielfältigen Mechanismen, durch die der Körper unsere Gesundheit aufrechterhält.

Die natürliche Heilfähigkeit ist ein Grundpfeiler des Placeboeffekts und eine jedem Menschen innewohnende Fähigkeit.

Positiver Glaube

Die Verdoppelung der Wirksamkeit in Gruppe B ist besonders bemerkenswert, weil die Patienten in dieser Gruppe nur ein Placebo erhielten, das zusammen mit einer beruhigenden Notiz über die Selbstheilungskräfte verabreicht wurde. Diese Form der Zusicherung trägt dazu bei, einen positiven Glauben zu fördern, der eine entscheidende Rolle beim Placeboeffekt spielt.

Dr. Ted Jack Kaptchuk, Professor für Medizin an der Harvard Medical School und Leiter des Programms für Placebostudien und therapeutische Begegnung, führte eine weitere Studie durch.

In dieser Untersuchung wurden 66 Personen mit akuten Migräneanfällen entweder ein Placebo oder das Migränemedikament Maxalt während dokumentierter Migräneattacken verabreicht. Die Pillen, die äußerlich nicht voneinander zu unterscheiden waren, wurden in Umschlägen verpackt und unterschiedlich beschriftet. Diese Umschläge wurden drei Gruppen zugeordnet: Gruppe A erhielt ein Placebo, das als Maxalt beschriftet war, Gruppe B bekam Maxalt, das als Placebo gekennzeichnet war, und Gruppe C erhielt Maxalt, das korrekt als Maxalt beschriftet war.

Nach zweieinhalb Stunden meldeten die Patienten in den Gruppen A, B und C eine Reduktion ihrer Schmerzintensität um 30 Prozent, 38 Prozent sowie 62 Prozent.

Der positive Glaube beeinflusste signifikant das Ergebnis der Behandlung.

Eine besonders aufschlussreiche Entdeckung war, dass Patienten, die ein als Maxalt gekennzeichnetes Placebo erhielten, ähnliche Effekte zeigten wie jene, die tatsächlich Maxalt erhielten, jedoch glaubten, es sei ein Placebo.

Der positive Glaube, der mit dem Medikament assoziiert war, suggerierte eine hohe Wirksamkeit. Jedes bekannte Medikament ist mit gewissen markenbezogenen Überzeugungen verknüpft.

Derselbe Mechanismus kann auch bei einem Placebo wirken.

Das einfache Einnehmen eines Placebos wie einer Zuckerpille in dem Glauben, es handle sich um ein Medikament, kann Schmerzen, Angstzustände und Depressionen verringern, den Blutdruck senken, Magengeschwüre heilen und das Immunsystem stärken. Selbst Placebo-Operationen, bei denen Patienten unter Narkose gesetzt, operativ aufgeschnitten und wieder zugenäht werden, ohne dass eine echte medizinische Intervention stattfindet, hatten positive Auswirkungen auf die Behandlungsergebnisse.

Diese Kraft des Glaubens wird in der modernen Medizin oft unterschätzt, während sie in spirituellen Praktiken und psychiatrischen Therapien eine große Rolle spielt und weiterentwickelt wird.

Die Bedeutung der ärztlichen Kommunikation

Die Art und Weise, wie Ärzte ihren Patienten die erwarteten Behandlungsergebnisse kommunizieren, kann einen bedeutenden Einfluss auf den Genesungsprozess haben.

In einer Studie von Alia Crum, einer außerordentlichen Professorin für Psychologie an der Stanford University, wurde dies eindrucksvoll demonstriert. Dabei führten Ärzte einen Histamin-Hautstichtest durch, um eine allergische Reaktion zu provozieren, die einen Ausschlag am Unterarm verursacht. Nach sechs Minuten wurde den Teilnehmern eine Placebocreme verabreicht. Den einen Teil der Studienteilnehmer informierten die Ärzte darüber, dass es sich bei der Creme um ein Antihistaminikum handle, welches den Ausschlag lindern sollte. Der anderen Hälfte wurde mitgeteilt, dass die Creme ein Histamin-Agonist sei und den Ausschlag verstärken würde.

Die Gruppe, der gesagt wurde, die Creme würde den Ausschlag verschlimmern, erlebte tatsächlich innerhalb von zehn Minuten eine Verschlechterung. Diejenigen, denen gesagt wurde, dass die Creme den Ausschlag verbessern würde, verzeichneten eine Verbesserung der Symptome (5,1 mm gegenüber 4,7 mm).

Diese Ergebnisse unterstreichen, wie stark die ärztliche Kommunikation das Behandlungsergebnis beeinflussen kann.

Güte und Autorität in der ärztlichen Praxis

In einer Studie unter der Leitung von Dr. Kaptchuk wurden 262 Patienten mit Reizdarmsyndrom in drei Gruppen aufgeteilt, ebenfalls nach dem Zufallssprinzip: eine Kontrollgruppe ohne Behandlung, eine Gruppe mit Placebogabe bei minimalem Arztkontakt und eine dritte Gruppe, bei der das gleiche Placebo verabreicht wurde, jedoch mit umfassender ärztlicher Zuwendung.

Ergebnisse zeigten, dass in der ersten Gruppe 28 Prozent der Patienten eine Linderung ihrer Symptome erfuhren, vermutlich durch natürliche Heilungsprozesse. Bei der zweiten Gruppe mit minimalem Kontakt berichteten 42 Prozent von einer Besserung, während in der dritten Gruppe mit intensiver ärztlicher Interaktion 62 Prozent eine deutliche Symptomverbesserung erlebten.

Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Arzt-Patient-Interaktion. Selbst bei der Verabreichung eines Placebos kann eine engagierte ärztliche Zuwendung die Behandlungsergebnisse signifikant verbessern.

Ein weiteres Experiment von Crum zeigte ähnliche Effekte. Patienten wurden von einem Arzt betreut, der nicht nur professionell auftrat, sondern auch persönliches Interesse zeigte. Dies führte zu höheren Erwartungen und besseren Ergebnissen bei einem Hauttest im Vergleich zu einem Szenario, in dem der Arzt distanziert und unordentlich wirkte.

Diese Beispiele verdeutlichen, wie entscheidend die Güte und die wahrgenommene Autorität des Arztes sind. Sie beeinflussen nicht nur das Patientenvertrauen, sondern auch den Erfolg der medizinischen Behandlung. Wärme, Empathie und fachliche Kompetenz sind daher zentrale Aspekte der ärztlichen Praxis, die die Heilungschancen der Patienten erheblich steigern können.

Nicht nur eine Frage der Psychologie

Häufig wird angenommen, dass die Wirkung von Placebos ausschließlich durch psychologische Mechanismen vermittelt wird und keine physikalischen oder chemischen Prozesse involviert seien. Ein älteres, aber sehr aussagekräftiges Experiment kanadischer Forscher könnte jedoch diese gängige Ansicht widerlegen.

In der Studie erhielten sechs an Parkinson erkrankte Patienten entweder eine Behandlung mit L-Dopamin oder ein Placebo. Ziel war es, die zugrunde liegenden Mechanismen der Placebowirkung zu untersuchen.

Ein zentrales Problem bei Parkinson ist der Dopaminmangel im Gehirn. Für das Experiment wurden radioaktive Liganden-Isotope eingesetzt, um Dopamin im Gehirn zu markieren und so präzise dessen Spiegel zu bestimmen.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Patienten, die ein Placebo erhielten, eine signifikante Freisetzung von körpereigenem Dopamin erlebten. Der Effekt des Placebos war dabei ebenso stark wie die Wirkung der medikamentösen Behandlung. Dies wurde durch die Aktivierung des nigrostriatalen Pfads erreicht, einer Gehirnregion, in der Dopamin produziert wird.

Die Studie unterstreicht, dass Placebos das Gehirn dazu anregen können, genau jene Chemikalien freizusetzen, die für Parkinson-Patienten essenziell sind. Dies belegt, dass in jedem von uns eine Art innere Apotheke existiert.

Positive Gedanken sind demnach nicht nur psychologischer Natur. Beispielsweise kann das positive Denken über andere chemische Reaktionen im eigenen Körper auslösen, die das Immunsystem stärken, einschließlich der Produktion von Interferonen, die gegen Viren wirken.

Placebos nutzen also nicht nur die Vorstellungskraft, sondern imitieren die natürlichen Heilungsprozesse des Körpers durch die Nutzung von Neurotransmittern und neuralen Schaltkreisen.

Über die Autorin

Dr. Yuhong Dong ist medizinische Kolumnistin für The Epoch Times. Zuvor war sie als leitende medizinisch-wissenschaftliche Fachkraft und als Verantwortliche für die Arzneimittelsicherheit bei Novartis in der Schweiz tätig, wo sie viermal mit einem Novartis-Preis ausgezeichnet wurde. Sie besitzt präklinische Forschungserfahrungen in den Bereichen Virologie, Immunologie, Onkologie, Neurologie und Ophthalmologie und hat zudem klinische Erfahrungen in der Behandlung von Infektionskrankheiten und in der Inneren Medizin. Ihren medizinischen Doktorgrad sowie einen Doktortitel in Infektionskrankheiten erlangte sie an der Universität Peking in China.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „The Real Healing Effects of Placebos on Diseases Are Obscured by Drugs“. (deutsche Bearbeitung kr)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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