Wie das iranische Regime den Westen vorführt

Obwohl es gewichtige Hinweise auf eine iranische Urheberschaft der jüngsten Tankerangriffe im Golf von Oman gibt und das Regime unzählige weitere Aggressionen in der Region verübt, dominiert im Westen der Narrativ von den angeblich kriegslüsternen USA, von denen die Gefahr ausginge. Der Iran weiß westliche Befindlichkeiten für sich zu nutzen.
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In der iranischen Hauptstadt Teheran, 5. Juni 2019.Foto: ATTA KENARE/AFP/Getty Images
Von 17. Juni 2019

In einem Artikel für die „Jerusalem Post“ befasst sich Seth J. Frantzman mit den Reaktionen in westlichen Medien und Regierungsetagen auf die jüngsten Angriffe auf zwei Tanker im Golf von Oman. Obwohl die US-Armee sogar Videos und Fotos präsentieren konnte, die auf eine Verwicklung des iranischen Regimes in den Vorfall hinweisen, haben sich Politiker bis hinauf zur EU-Spitze und Medien in Europa überwiegend zaudernd verhalten und betont, die Darstellung der US-Regierung nicht für erwiesen zu halten.

Diese Reaktion unterscheidet sich sehr wesentlich von jenen auf diverse Giftgasvorfälle in Syrien oder die Affäre Skripal, wo europäische Regierungen und Medien sehr schnell deutlich gemacht hatten, Geheimdiensteinschätzungen oder Angaben von NGOs für hinreichend belegt zu halten.

Noch drastischer sieht die Situation in den sozialen Netzwerken aus, wo sich eine breite Front von Nutzer und Seitenbetreibern, die von ganz links ganz rechts reicht, findet, die sich jene Verschwörungstheorien zu eigen macht, wie sie auch das iranische Regime gegenüber einem westlichen Publikum zum Besten gibt.

Vorfälle kein Thema auf Zentralasien-Gipfel

Dass die Rhetorik und Propaganda des iranischen Regimes gegenüber einem westlichen Publikum sich beispielsweise deutlich von jener unterscheidet, die gegenüber autoritären Staaten an den Tag gelegt wird, zeigt aus Frantzmans Sicht, dass die Mullahs die Funktionsweisen des westlichen Diskurses gut kennen und gezielt nutzen.

Geht es darum, auf Provokationen des Regimes in Teheran zu reagieren, offenbart der Westen all sein Achillesfersen auf einmal – wie Verschwörungsdenken, eurozentrische Betrachtungsweisen und eine bis zur Selbstaufgabe gehende Bereitschaft zu Selbstkritik und Selbstzweifeln.

Noch am Tag der Angriffe, so schildert Frantzman, sei Irans Präsident Hassan Rohani nach Bischkek (Kirgisistan) und Duschanbe (Usbekistan) aufgebrochen, wo er an zwei Zentralasiengipfeln teilnahm, an denen unter anderem auch Vertreter aus der Russischen Föderation, Indien oder China teilnahmen. Rohani nutzte das Forum zwar, um gegen die USA zu wettern, die eine „Bedrohung für die globale Stabilität“ darstellten. Der Vorfall im Golf von Oman – immerhin einer Route, durch die 30 Prozent des internationalen Ölhandels verlaufen – war jedoch kein Thema.

So wenig alltäglich der Vorfall auch war, den Teilnehmern an den Konferenzen schien von vornherein klar gewesen zu sein, dass es keine nennenswerte Reaktion aus dem Westen geben würde, insbesondere nicht aus den USA. Die Regierung von Donald Trump hat keinerlei Interesse daran, eine weitere Eskalation in welchem Teil der Welt auch immer zu suchen, und die US-amerikanische Öffentlichkeit würde keinen neuen Krieg unterstützen.

Dog Whistles für Amerikahasser und Antisemiten

Außenminister Dschawad Sarif hingegen wandte sich – ebenfalls von Zentralasien aus – einen Tag nach dem Vorfall via Twitter auf Englisch an ein westliches Publikum. Dabei war er sehr bemüht, den Eindruck zu erwecken, der Iran sei Ziel einer groß angelegten westlichen Verschwörung.

Die Angriffe seien „verdächtig“, das Szenario erinnere an den Vorfall im Golf von Tonkin 1964 und der Mossad hätte bereits Geheimdienstinformationen gefälscht, die den Iran mit den Angriffen von Fudschaira in Verbindung bringen – das alles, um dem friedfertigen Iran einen Krieg aufzuzwingen.

Während Sarif, der in den USA studiert hat und ein eigenes Social-Media-Team nur für die englischsprachige Welt unterhält, wie ein Diplomat spricht, wenn er sich an ein Publikum wie jenes in Bischkek wendet, stachelt er gegenüber dem westlichen Publikum vor allem die Fantasie randständiger Verschwörungsideologen an – mit antiamerikanischem Schwerpunkt und gespickt mit antisemitischen Dog Whistles.

Desinteresse und orientalistische Denkweise

Etwas nuancierter als die extreme Linke oder Rechte, aus deren Sicht es grundsätzlich keine Unbill in der Welt geben dürfte, an der nicht die USA und Israel die Alleinschuld tragen würden, klingen die Statements und Einschätzungen in der politischen Mitte. Diese werden, so Frantzman, nicht zuletzt durch eine ausgeprägte Neigung zur Nabelschau in eigener Sache und eine verklärende, orientalistische Betrachtungsweise begünstigt.

Dies fange bei banalen Beispielen wie jenem an, dass es in westlichen Medien so gut wie keine Berichterstattung über die Gipfel in Zentralasien gab, an denen auch das Regime in Teheran teilnahm, vor allem aber regional mächtige Player wie Russland, Indien, China oder die Türkei.

Ein Treffen, das eine Vielzahl bevölkerungsreicher und regional bedeutender Staaten umfasst, sei objektiv betrachtet auf jeden Fall wichtig. Weil es aber keinen speziellen amerikanischen oder europäischen Standpunkt dazu gebe – und wohl auch, weil Artikel über einen Zentralasiengipfel in Bischkek kaum Leser fänden –, werde auch nicht darüber berichtet.

Noch folgenschwerer seien allerdings von eigenen orientalistischen Denkweisen oder aber von westlichen Schuldkomplexen getragene Einschätzungen, die sich an der historischen Unterstützung für den Schah oder am Sturz des sozialistischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh entzünden – und den Iran als ein etwas bedrohlich und fremdartig wirkendes Opfer historischer Verfehlungen darstellen.

„Hardliner nicht stärken“ als Nebelgranate

Dazu gehöre auch die Unterscheidung zwischen einem vermeintlich moderaten und aufgeschlossenen Präsidenten Rohani und namentlich meist nicht genannten „Hardlinern“ im Staatsapparat, die tiefe Strukturen im Staatsapparat bildeten, dem moderaten Präsidenten schadeten, hinter Provokationen wie jüngst im Golf von Oman stünden und die man nicht durch zu scharfe Kritik und zu viel Druck verärgern dürfte. Andernfalls drohe der „moderate“ Rohani unter Druck zu geraten.

Es sei aber kaum denkbar, dass Angriffe auf Öltanker durch „Hardliner“ ohne jedes Wissen aufseiten der Führung des Landes erfolgten.

Das „Hardliner“-Argument, das dem Iran helfe, seine Position in Verhandlungen durchzusetzen, würde keinem anderen Land der Welt als Entschuldigung für schwere Regelverstöße zugutegehalten. Tatsächlich sei es aber eine „orientalistische Fantasie“, erklärt Frantzman.

Der Iran weiß, dass die US-Regierung jede Eskalation zu vermeiden trachtet und die EU erst recht keine Bemühungen erkennen lässt, sich auch nur an einem verschärften Sanktionsszenario zu beteiligen.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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