Sopranistin Mojca Erdmann: Vom Beseelen und Beseelten der Musik
Schritt für Schritt geht die 35-Jährige ihren Weg nach oben und scheut dabei auch nicht davor zurück, zeitgenössische Stücke zu interpretieren – die nicht immer zu Probenbeginn bereits ganz fertig sind. Zur Belohnung feierte sie im vergangenen Jahr bei den Salzburger Festspielen einen großen Erfolg mit Wolfgang Rihms „Dionysos“. Nicht nur zur Mozartstadt Salzburg, auch zu Mozart selbst hat sie eine enge Beziehung. So nennt sich auch ihre erste Solo-CD bei der Deutschen Grammophon „Mostly Mozart“. Von dieser Seelenverwandtschaft – Mojca Erdmann glaubt fest an die Existenz der Seele – erzählte uns die Sängerin ebenso wie von ihrer Ernsthaftigkeit bei den Vorbereitungen, ihrer Freude am Üben und den Filmen, die während des Singens vor ihrem inneren Auge ablaufen.
Epoch Times: Wir sind hier in der Mozartstadt Salzburg. War das für Sie schon immer ein besonderer Ort?
Mojca Erdmann: Ja, das war schon als Kind so, als ich noch gar nicht hier war. Oder nur auf der Durchfahrt zu unserem Urlaub nach Slowenien, da war Halt in Salzburg und ich habe mir immer gedacht: Ich möchte hier einmal aussteigen, ich möchte einmal Salzburg sehen, weil Mozart ja von hier kommt. Mozart faszinierte mich schon als Kind. Für mich waren Salzburg und Mozart immer ganz klar miteinander verbunden. Und als ich hier dann das Vorsingen hatte für die Salzburger Festspiele, war das für mich nicht nur karrieremäßig ein wichtiger Punkt, sondern rein emotional sehr besonders. Einfach nach Salzburg zu kommen und das hier zu sehen, ins Festspielhaus zu gehen und diesen Ort zu spüren, wo Mozart herkommt, ja, das war für mich etwas sehr Besonderes.
Epoch Times: War Ihnen das in Ihrer Karriere wichtig, an bestimmten Orten zu singen?
Erdmann: Es war in meinem Leben nie so, dass ich dachte, ich muss irgendwo singen, an dem und dem Ort, dann und dann den und den Schritt in meiner Karriere gesetzt zu haben. Mir war immer wichtig, dass mich das, was ich mache, einfach beglückt. Dass ich Musik mache mit Menschen, mit denen es Freude macht zu musizieren, dass es eine Warmherzigkeit hat zu musizieren, dass es nicht in erster Linie um Karriere geht, um Erfolg, um Ranking oder irgend so etwas. Und wenn dann solche Orte kamen wie Salzburg, das war Glück, Zufall. Es war nie so, dass ich dachte: Ich muss. Es kam zu mir. Genauso mit der Metropolitan Opera, dass ich da eingeladen wurde.
Epoch Times: Wann wird Ihr Debut dort stattfinden?
Erdmann: Mitte Oktober ist die Premiere von Don Giovanni an der Met.
Epoch Times: Ihre Verbindung zu Mozart scheint sich auch hier fortzusetzen. Kann man sagen, dass Sie seine Musik beseelt, Sie jedoch Ihrerseits seiner Musik wiederum Seele einhauchen?
Erdmann: Das ist sehr schwer in Worte zu fassen, weil es so schnell kitschig klingt. Seine Musik steht für sich, sie hat diesen Zauber, den man in Worten einfach nicht beschreiben kann. Das berührt mich einfach so wahnsinnig, das war immer schon so. Ich kann nicht sagen, warum es so ist.
Epoch Times: Ist es für Sie eine Realität, dass wir eine Seele haben?
Erdmann: Ja. Ganz klar. Vieles kann man ja nicht erklären, sicherlich könnte man alles erklären mit irgendwelchen chemischen Reaktionen… warum man ein schlechtes Gewissen hat, warum man jemanden mag oder nicht mag. Aber auf jeden Fall denke ich, dass es eine Seele gibt. Hoffentlich!
Epoch Times: Was macht Ihnen mehr Spaß, Opern- oder Liederabende?
Erdmann: Beides. Ich brauche beides. Es ist mir auch wichtig in meinem interpretatorischen Schaffen, ich stelle ja nicht selber etwas her, sondern ich bin nur der Interpret.
Epoch Times: Wobei Sie eine gute Beziehung zu zeitgenössischen Komponisten haben und pflegen.
Erdmann: Gut, aber ich interpretiere trotzdem nur, sie sind die Schaffenden.
Epoch Times: Sie arbeiten gerne in mehreren Genres?
Erdmann: Es ist mir sehr wichtig, in meinem Bereich in mehreren Genres tätig zu sein, eben Lied, Oratorium, Oper, Konzerte, … weil sich alles gegenseitig befruchtet. In der Kleinform des Liedes steckt ja doch eine Großform, jedes Lied hat eine eigene Geschichte.
Epoch Times: Der Sänger als Geschichtenerzähler, wie darf man sich das vorstellen?
Erdmann: Man muss 25 bis 30 kleine Geschichten am Abend erzählen, mit ihrer eigenen Szenerie im Kopf, die ich dann auch habe. Da läuft bei jedem Lied ein kleiner Film ab, den ich vor meinem inneren Auge sehe. Ich glaube, je deutlicher ich das selber spüre, je deutlicher ich das selber sehe, desto besser kann ich das auch ausdrücken, mimisch, mit stimmlichen Gestaltungsmöglichkeiten, mit der Dynamik. Natürlich ist auch die Textverständlichkeit wichtig im Lied, ansonsten ist das Publikum sofort gelangweilt, wenn es nichts versteht. Aber je deutlicher ich das Bild vor meinem inneren Auge habe, desto deutlicher kann ich es an das Publikum transportieren. Das Ziel ist, dass das Publikum selber für jede Geschichte seinen eigenen kleinen Film im Kopf hat, und so in die Geschichte einsteigt.
Epoch Times: Sie haben jetzt das innere Auge angesprochen. Sie haben auch ein absolutes Gehör. Ist das für Sänger eine Seltenheit?
Erdmann: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, ich weiß nicht, wie viele Menschen ein absolutes Gehör haben, es gibt sicherlich auch einige, die es gar nicht wissen, weil sie keine Musiker sind. Ich selbst habe das herausgefunden, als ich zehn war ungefähr, als wir im Musikunterricht Schubertlieder gehört haben. Wir hatten einen Klavierauszug, und das war halt nicht die Tonart, die ich gehört habe, und da habe ich zu meinem Musiklehrer gesagt: Ich höre aber etwas Anderes, also was wir hören, das steht nicht in den Noten. Da war er ganz aufgeregt und hat am Klavier ausprobiert und gesagt: Du hörst absolut, toll!
Epoch Times: Was Sie auch haben, ist von Jugend her eine starke Ernsthaftigkeit oder einen Zugang zum Üben, den vielleicht nicht jeder so mitbringt. War das bei Ihnen schon immer vorhanden?
Erdmann: Interessante Frage, darüber habe ich noch nie gesprochen, übers Üben. Mein Vater ist Musiker und vermutlich gehörte das dadurch immer dazu, dass ich wusste, wenn man im Beruf Musiker ist, dann gehört das Üben einfach dazu. Mein Vater ist Flötist und hat immer sehr viel geübt und komponiert. Natürlich, wenn man wie ich mit einem Instrument anfängt, mit der Geige, bis das einigermaßen klingt, muss man üben. Ich übe gerne.
Ich würde gar nicht sagen, ich übe, sondern ich bereite meine nächsten Programme vor. Es ist immer schön, wenn man ein Stück beginnt und das erstmal liest und durchmacht und dabei immer neue Dinge entdeckt, immer wieder Neues ausprobiert und eine andere Farbe findet. Das ist immer ein spannender Prozess.
Epoch Times: Lernt man über sich selbst auch etwas, wenn man viele verschiedene Rollen annimmt?
Erdmann: Ich glaube, man kann in jede Figur etwas von sich hinein geben. Das ist, was ich an der Schauspielerei mag, dass man auch mal eine Rolle spielen kann, die man im Privaten überhaupt gar nicht wäre, das ist das Schöne an Schauspiel.
Epoch Times: Wie würden Sie selbst Ihre Stimme beschreiben?
Erdmann: Oh. Das finde ich immer ganz schwer. Weil man selbst seine Stimme ja ganz anders hört als derjenige von außen.
Epoch Times: Werden Sie in Salzburg in diesem Jahr bei den Festspielen singen?
Erdmann: Das hat sich in diesem Jahr nicht ergeben. Aber ich hoffe, irgendwann wieder.
Epoch Times: Haben Sie einen Lieblingsdirigenten? Sie haben ja schon mit allen Größen dieser Zeit gearbeitet, mit Rattle, mit Harnoncourt, Nagano, bald Levine.
Erdmann: Jeder ist anders, von jedem kann man neue Dinge lernen, oder neue Momente zusammen erfahren, oder ein Geschenk bekommen – jeweils wieder ein neues Musizieren, ein tolles Musiziererlebnis erfahren. Harnoncourt war einfach ganz großartig. Er ist so ein großartiger Musiker, der einerseits ein solches Wissen hat, und auch einen Humor, den ich so wahnsinnig mag, dann aber so eine Spontanität, eine solche Musizierfreude ausstrahlt – das ist großartig.
Epoch Times: Schicksal – gibt es das?
Erdmann: Ich glaube an Gott, das ist mir wichtig. Es gibt für mich auch etwas Ungreifbares in der Kunst. Manchmal gibt es Konzerte, die haben etwas ganz Besonderes, eine besondere Ruhe, eine ganz besondere Dichte. Das schafft man nicht immer, das kann man auch gar nicht unbedingt wollen, das entsteht manchmal einfach.
Epoch Times: Der japanische Schauspieler Yoshi Oida sagt dazu: Es gibt Durchschnittsabende, manchmal gibt es auch schlechte, und hin und wieder einen, an dem der Gott des Theaters einen berührt – das sind dann die wirklich magischen Momente.
Erdmann: Ja, da steht dann die Zeit still, dieses Gefühl hat man. Und da merkt man, alle sind äußerst intensiv zusammen, also Publikum und Künstler, so dass die Kunst alles und alle miteinander verschmilzt. Das ist besonders. Wie man das auch immer nennen will, ob man gläubig ist oder nicht, aber das hat etwas sehr Magisches oder Göttliches oder Spirituelles. Solche Momente, die kann man nicht suchen, die kommen einfach und dann kann man sie nur genießen und dankbar sein.
Epoch Times: Ich bin dankbar für das Gespräch.
Das Interview führte Florian Godovits.
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