Schulgewalt ohne Polizei in den Griff bekommen: „Kinder lösen Konflikte selbst!“

RUB-Kriminologen evaluieren Streitschlichtung
Von 11. April 2006

„Kinder lösen Konflikte selbst!“
RUB-Kriminologen evaluieren Streitschlichtung
Schulgewalt ohne Polizei in den Griff bekommen

Dass es auch anders geht als an der in die Schlagzeilen geratenen Berliner Rütli-Schule zeigt die Gertrudis-Schule in Bochum-Wattenscheid: Die Grundschule verwirklicht bereits seit 2001 ein Streitschlichtungsprogramm unter dem Titel „Kinder lösen Konflikte selbst!“ Die Bochumer Kriminologen Prof. Dr. Thomas Feltes und Dr. Jan Köhler haben das Programm nun auf Herz und Nieren geprüft; in seiner Dissertation zieht Dr. Köhler ein positives Fazit. Prof. Feltes: „Die Arbeit mit diesem Modell der Streitschlichtung zeigt eine deutliche gewaltreduzierende Wirkung bei den Kindern. Entscheidend ist, dass die Schule das Programm von Anfang an, ab der ersten Klasse einsetzt.“ Basierend auf diesen Ergebnissen fordern die Bochumer Forscher eine „kriminologische Zusatzausbildung“ für Lehrerinnen und Lehrer.

Studie im Internet

Ausgewählte Ergebnisse der Dissertation stehen im Internet unter
http://www.rub.de/kriminologie/pdf/schulgewalt_praesentation.pdf

Gewaltprävention so früh wie möglich

Studienleiter Feltes: „Unsere Studie zeigt, dass das Programm eine Gesprächs- und Streitkultur entwickelt, die präventive Wirkungen hat und eine Konfliktlösekompetenz bei den Schülern entfaltet. Das führt zu einer Atmosphäre, in der Konflikte nicht mehr verschoben, negiert oder mit Gewalt ausgetragen werden.“ Der Bochumer Kriminologe betont, wie entscheidend der frühzeitige Einsatz solcher Mediationsprogramme ist: „Wir wissen inzwischen aufgrund von diversen kriminologischen Studienergebnissen, dass Gewaltprävention nicht früh genug angefangen kann – am besten bereits im Kindergarten, spätestens aber in der Grundschule“, so Feltes. „Durch das intensive Klassentraining vom ersten Schuljahr an entfalten sich positive Rituale und entsprechende Verhaltensweisen im Streit.“

„Friedenskoffer“ im Klassenzimmer

Und so funktioniert das Programm „Kinder lösen Konflikte selbst“: Mediation findet nicht nur in den Pausen statt, sondern auch während des Unterrichts. Für die Streitschlichtung wurde ein eigener Raum eingerichtet. In jedem Klassenraum befindet sich ein so genannter „Friedenskoffer“, in dem „Hosentaschenbücher“ (Anleitungen zur Streitschlichtung), ein Leitfaden für den Streithelfer, blaue und gelbe Karten für Lösungen (Wünsche und Bereitschaft für den anderen etwas zu tun), ein Friedensvertrag, ein Rückmeldebogen, Stifte und Papiertaschentücher liegen. „Erforderlich für den großen Erfolg dieses Konzeptes war bei der Implementierung der Akzeptanz durch die Schulleitung und das Kollegium vor allem eine Basisausbildung des gesamten Kollegiums und eine fachliche Begleitung in der Folgezeit“, so Prof. Feltes. Die fundierte und praxisorientierte Ausbildung der Schulmediatoren umfasst 60 Stunden.

Zusatzausbildung für Lehrer

Das Fazit der Studie: „Es wird Zeit, dass möglichst viele Lehrer eine kriminologische Zusatzausbildung bekommen – entweder im Rahmen ihrer Ausbildung, oder aber durch berufsbegleitende Maßnahmen“, so Feltes. „Der Bochumer weiterbildende Masterstudiengang Kriminologie und Polizeiwissenschaft bietet Lehrerinnen und Lehrern, aber auch anderen, die mit Gewalt im Jugendalter konfrontiert sind, die Möglichkeit, sich innerhalb von einem Jahr kriminologische Grundkenntnisse anzueignen und Präventionsansätze für ihren beruflichen Tätigkeitsbereich zu entwickeln.“

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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