Wenn Werke durch die Gnade Gottes entstehen
Die in San Francisco lebende Malerin Bernadette Carstensen malt sakrale Geschichten. Ihre Bilderwelt transzendiert dabei sprachliche Kommunikation. Viele ihrer Werke sind im Auftrag der Kirche entstanden – ein Berufsweg, den sie so ursprünglich nicht einschlagen wollte.
Als sie in Circleville (Ohio, USA) aufwuchs, hatte sie sich in den Kopf gesetzt, Buchillustratorin zu werden. Sie lebte zusammen mit ihren Eltern – beide Kunststudenten – in einem Haus voll exquisiter Kunst und Büchern, die Abenteuer versprachen.
In der hauseigenen Sammlung fanden sich Bücher des englischen Buchillustrators Arthur Rackham (1867–1939) sowie weiterer Künstler. Für Carstensen erweckten diese Bilder die Geschichten zum Leben und in ihr wuchs die feste Absicht, in die Fußstapfen dieser Illustratoren zu treten.
So studierte sie zunächst Illustration am Columbus College of Art & Design – dasselbe College, an dem auch ihre Eltern studiert hatten. Dort lernte sie die Methoden und das Handwerk, starke visuelle Erzählungen zu erschaffen und zu vermarkten.
Sie lernte auch, wie wichtig es ist, anhand konkreter Modelle ihre Kompositionen zu kreieren, anstatt sich nur auf ihre Vorstellungskraft zu verlassen. Für figurative Bilder bedeutete dies, dass sie kostümierte Mitmenschen fotografierte und Skizzen von ihnen anfertigte.
Nach ihrem Studienabschluss bekam sie jedoch nicht die Arbeit, die sie sich erträumt hatte. Diese Situation belastete sie sehr. Als langjähriges Gemeindemitglied der St. Patrick’s Kirche in Columbus ging sie jedes Wochenende zur Messe. „Aber ich hatte wirklich Mühe, mein Leben in den Griff zu bekommen“, erinnert sich Bernadette Carstensen.
„Apokalypse“ bringt den Lichtblick
Im Jahr 2013 machte ein Freund der Familie sie schließlich auf den Apokalypse-Preis aufmerksam. Ausgangspunkt des Kunstwettbewerbs war die biblische Apokalypse der Offenbarung des Johannes.
Um teilzunehmen, mussten die Künstler eine beliebige Darstellung zu dieser Thematik erschaffen und dabei dem Stil der mittelalterlichen Kopisten treu bleiben. Dieser alte Kunststil zeichnet sich durch flächige Kompositionen voll heiliger Symbolik aus oder wie es im Einführungsvideo des Wettbewerbs heißt: „Analogien, eingebettet in heilige Schriften.“
Carstensen beschloss, an dem Wettbewerb teilzunehmen, und ein Triptychon, sprich ein dreiteiliges Andachtsbild, zur Offenbarung des Johannes einzureichen. Doch bevor sie den Pinsel in die Hand nehmen konnte, musste sie das Buch der Offenbarung erneut lesen und auch die Sprache der mittelalterlichen Buchkunst kennenlernen.
Alle teilnehmenden Künstler erhielten einen Leitfaden, in dem der Herstellungsprozess von Buchmalerei und die damit verbundene traditionelle Symbolik beschrieben wurden. Wichtig war dabei, dass Gott traditionell von Wolken umgeben ist, Engel immer barfuß sind und die Größe der Figuren der heiligen Hierarchie entspricht. So werden Heilige beispielsweise größer dargestellt als gewöhnliche Menschen.
„Selbst wenn man seine Kunstwerke stilisieren möchte, muss man in der Lage sein, die Dinge so realistisch darzustellen, wie man sie sieht“, erklärt Carstensen. Nur wenn etwas universell erkennbar ist, kann es fast ohne Erklärung über Kulturen hinweg kommuniziert werden.
Drachen, Olivenbaum und die Jungfrau Maria
Als Inspiration dienen ihr viele Gemälde der Renaissance, insbesondere Werke wie „Das Jüngste Gericht“ von Hans Memlings und das „Genter Altarbild“ von Jan van Eycks. In ihrem Triptychon legte sie beispielsweise den Drachen zu Füßen der Jungfrau Maria – ganz nach dem Vorbild des niederländischen Malers Hieronymus Bosch.
Ihre Arbeiten malt sie mit Gouachefarben, die wasserlöslich sind. Sie verwendet sie seit ihrer Highschoolzeit, nachdem ihr Kunstlehrer ihr gesagt hatte, dass dies die am schwierigsten zu beherrschende Farbe sei. Gouache ergibt ein ähnliches Ergebnis wie Eitempera – die Farbe, mit der mittelalterliche Handschriften illustriert wurden. Bernadette Carstensen führt aus, dass Gouache ein ebenmäßiges Erscheinungsbild erzeugt, welches das Licht absorbiert, aber nicht die tiefen Kontraste erzielen kann, die mit Ölfarben möglich sind.
Ihr Werk ist reich an Symbolen. Ein Olivenbaum auf der linken Tafel steht beispielsweise für die beiden in der Offenbarung erwähnten Zeugen der Allmacht Gottes. Auf der mittleren Tafel ist die unbefleckte Jungfrau Maria dargestellt, die auf einer Mondsichel vom Himmel herabsteigt – ein traditionelles Symbol für die Überwindung des Bösen.
Während die von ihr gewählten Malmittel und die Symbolik ganz dem mittelalterlichen Stil angepasst sind, konnte sie nicht widerstehen, sich in ihrem Gemälde in einem naturalistischeren Stil auszudrücken – der im Gegensatz zur mittelalterlichen Buchmalerei mit wenig Perspektive oder Tiefenwirkung steht.
Die Teilnahme an dem Wettbewerb hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf ihr Leben. Als sie das Buch der Offenbarung erneut las, erlebte sie eine Umkehr. „Das Lesen der Heiligen Schrift hat durch Gottes Gnade mein Herz einfach bekehrt“, sagt sie. Von diesem Zeitpunkt an erhielt sie Aufträge für sakrale Kunst und sie konzentriert sich seitdem auf die Darstellung des Göttlichen.
Ein Werk für die Dominikaner
Im Jahr 2016 schlug Carstensens Mutter ihr vor, ein großes Gemälde zur Feier des 800-jährigen Bestehens des Dominikanerordens, dem ihre Heimatkirche angehört, zu erschaffen. Der Zeitpunkt schien perfekt. Da sie gerade keine Arbeit hatte und bei ihren Eltern wohnte, konnte sie sich ganz ihrer ersten vielfigurigen Komposition mit dem Titel „Dominikaner“ widmen.
Zunächst wählte sie aus einem Buch mit Kurzbiografien von über 300 Dominikanern die Heiligen und Seligen aus, die sie darstellen wollte. Dieses Buch zu lesen und mehr über die Dominikaner zu erfahren, bewegte Bernadette Carstensen sehr.
Ihr Wunsch war es, dass jede Figur eindeutig zu erkennen ist, weshalb sie berühmte Personen wie den heiligen Papst Pius V., den heiligen Thomas von Aquin und die heilige Katharina von Siena auswählte. Aber auch einige weniger bekannte Persönlichkeiten wie den seligen Antonius Neyrot (der einen Turban trägt), den seligen Fra Angelico (der eine Farbpalette hält) und die heilige Zdislava Berka (die ein Schild hält) verewigte sie in ihrem Bild.
Wie in der sakralen Kunst früherer Jahrhunderte machte sie jede Figur an den Gegenständen erkennbar, die sie in der Hand halten. Diese Zeichen geben den Betrachtern des Bildes Hinweise auf den Orden oder die Art des Martyriums, welche die dargestellte Person erleiden musste.
Eine weitere Persönlichkeit ist der selige Jean-Joseph Lataste ganz links im Bild. Dieser trägt die Fahne der Provinz St. Joseph und einen Schädel, der die heilige Maria Magdalena darstellt. Laut dem Dominikanerorden überlegte Lataste bei der Überführung der Reliquien der Heiligen im Jahr 1860: „Es ist also wahr, dass die größten Sünder das in sich haben, was die größten Heiligen ausmacht. Wer weiß, ob sie nicht eines Tages zu solchen werden.“ Später gründete er das Haus von Bethanien für reformierte Frauen.
Damit Bernadette Carstensen die Figuren realistisch wiedergeben konnte, durchstöberte sie einige Secondhandläden nach Bettlaken und Kostümen und lieh sich von einem Priester einen Talar, um Freunde und Familie als Modelle einzukleiden. Dies hielt sie in Fotografien als Vorlage fest.
Die meisten ihrer Bildkompositionen zeigen ihren Ehemann und ihre älteste Tochter Brigid, die in ihren frühen Werken als Jesuskind auftritt – in neueren Werken hat ihr kleinerer Sohn diese Rolle übernommen. Die Porträts der einzelnen Personen helfen ihr bei der Darstellung der Charaktere in ihren Bildern.
Ein Heiliger, zwei Werke
Das Bild „Dominikaner“ fand großen Anklang und schon bald kamen ähnliche Aufträge herein. Einen erhielt sie von Pater Donald Calloway, der den „Heiligen Joseph – Schrecken der Dämonen“ abgebildet haben wollte. Pater Calloway wünschte sich ein Werk im Stil des Bildes „Dominikaner“, jedoch in einer vertikal ausgerichteten Darstellung, gesäumt von Heiligen.
„Diese Aufgabe war definitiv eine größere Herausforderung“, erklärt Bernadette Carstensen, denn wolle man eine Überfüllung des Bildes vermeiden, sei die Anordnung der verschiedenen Figuren in einem vertikalen Bild schwieriger.
Pater Calloway wünschte sich den Heiligen Josef, das Jesuskind auf dem Arm haltend, als zentrale Figur. Zu seinen Füßen sollte ein dämonischer Drache liegen, der mit dem Stängel einer Lilienblüte getötet wird. „Die Absicht ist, zu zeigen, dass die Reinheit Jesu den Teufel vernichtet. Die Lilien stehen für die Reinheit und verwandeln sich in einen Speer“, erklärt Carstensen.
Sie selbst war mit diesem Werk jedoch nicht zufrieden, weshalb sie ein zweites Gemälde vom Heiligen Joseph anfertigte – diesmal ohne die umgebenden Figuren. „Ich liebe dieses Bild; es hängt in meinem Schlafzimmer“, erzählt sie.
Carstensen schaut es gerne an, wenn sie betet. Außerdem hat es für sie eine emotionale Bedeutung, da ihr Mann und ihre Tochter für das Werk Modell standen. Doch nicht nur sie liebt das Werk: Auch die Jury des Katholischen Kunstinstituts war begeistert und verlieh Carstensen den dritten Platz beim Preis für sakrale Kunst 2021.
Universelle Menschlichkeit
Ein weiterer Auftrag war die Darstellung zeitgenössischer religiöser Personen. Das Institut Benedikt XVI. gab das Kunstwerk „Missa Sancti Juniperi Serra“, eine Messe zu Ehren des heiligen Junípero Serra, in Auftrag.
In ihrem Werk „St. Junípero Serra und amerikanische Heilige“ stellt sie den heiligen Junípero Serra in den Mittelpunkt. Flankiert wird er von amerikanischen Heiligen (links) und amerikanischen Ureinwohnern (rechts). Die Person Junípero Serra gilt als umstritten: So soll der „Begründer“ San Franciscos bei seinen Missionsbestrebungen die Native Americans misshandelt haben. „Dies war eine Möglichkeit für uns, ihn zu ehren und den Bericht zu korrigieren“, erklärt Carstensens überzeugt.
Sowohl die Geschehnisse der Vergangenheit als auch ihre Lebenserfahrungen inspirieren die Künstlerin. In ihrer zarten Interpretation der Madonna mit Kind, ein weiterer Auftrag der Kirche, verwendet sie einen naturalistischen Stil. Sie war gerade Mutter geworden und die Komposition spiegelt ihren mütterlichen Beschützerinstinkt wider. Maria blickt anbetend zu ihrem Kind auf – zu Jesus. „Er krönt sie mit Blumen, als Symbol für das, was kommen wird, wenn sie beide im Himmel sind“, schreibt Carstensen auf ihrer Website.
Trotz ihres Erfolgs arbeitet Carstensen ständig weiter daran, ihre Kunst zu perfektionieren. Sie möchte, dass die Menschen ihre Bilder betrachten und die Geschichte sofort verstehen. Über all ihre Kunstwerke sagt sie: „Ich möchte, dass sich die Menschen wirklich in die Figuren einfühlen, die Realität des Spirituellen spüren und [die Bilder] hoffentlich den Menschen bei ihrer Hingabe helfen.“
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Illustrating by the Grace of God“ (redaktionelle Bearbeitung kms)
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