Milliardengeschäft Pornografie: Gewalttätig und verstörend

Frei verfügbar ist sie, die Pornografie im Internet. Fehlende Altersbeschränkungen lassen die Konsumenten immer jünger werden, mit lebenslangen Folgen – persönlich als auch gesamtgesellschaftlich.
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Deutschland ist Spitzenreiter im anonymen Internetpornokonsum.Foto: Ben_Gingell/iStock
Von 7. August 2024

Pornografie ist im Internet – ohne wirksame Alterskontrolle – für jedes Kind zugänglich. Nach § 184 des Strafgesetzbuches (StGB) macht sich strafbar: „Wer Pornografie einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt oder zugänglich macht oder wer Pornografie an einem Ort, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

Obwohl Minderjährige heute einen Großteil ihrer Freizeit damit verbringen, Pornoseiten zu besuchen, findet Jugendschutz im Internet faktisch nicht statt. Politisch wird die Tatsache, dass bereits Grundschüler im Internet Pornografie konsumieren, weitgehend ausgeblendet.

Ein Milliardengeschäft

Bereits 2013 wiesen die Statistiken für einzelne Länder wie Deutschland, die USA, Großbritannien, Brasilien, Saudi-Arabien und Russland die Internet-Präferenzen von Kindern und Jugendlichen nach. Wenn auch teilweise in anderer Reihenfolge, sind es Pornoseiten, Soziale-Netzwerke und Online-Shops.

Die ablehnende Haltung fast aller Politiker zu einer wirksamen Pornoschranke ist so unverständlich, dass man sich fragen muss, ob es marktwirtschaftliche Interessen sind, die politisch über das Wohl von Kindern gestellt werden: Pornografie ist durch das Internet zu einem Milliardengeschäft mit gigantischen Umsätzen geworden.

Ein frei verfügbares Angebot in dieser Dimension hat es nie zuvor gegeben; es verändert unsere Welt – und es verändert die Vorstellung junger Menschen von Sexualität.

68 Millionen Suchanfragen im Internet beziehen sich täglich auf Pornografie. 726 Millionen Pornofilme werden täglich abgespielt (3.000 per Sekunde). 35 Prozent des gesamten Datenverkehrs im Internet ist Pornografie. In Deutschland setzt die Pornoindustrie jährlich 4,5 Milliarden um. Weltweit ist sie 97 Milliarden Dollar wert. 1,3 Milliarden Klicks gehen rund um den Globus täglich auf Pornoseiten.

Die Zahl der Twitter-Nutzer belief sich zum Vergleich im Jahr 2021 auf 362,6 Millionen. Pornografie ist hochgradig suchterzeugend und wird auch von vielen Minderjährigen konsumiert:
Das durchschnittliche Alter der Erstkonsumenten ist elf Jahre. 40 Prozent der deutschen Kinder suchen im Internet nach pornografischen Inhalten. Nur 3 Prozent der Pornoseiten fragen nach dem Alter der Nutzer.

Lebenslange Prägung

2013 lehnte das Europaparlament unter Berufung auf den Verzicht von Zensur eine Pornosperre für das Internet ab. Die Pornoindustrie erhielt damit einen Freifahrtschein, möglichst viele Nutzer im Internet erreichen zu können – wozu auch Minderjährige zählen. „Sex“ und „Porn“ gehören bei ihnen zu den Top-5-Internet-Suchbegriffen.

Nach einer Befragung von 3.000 Kindern und Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren im Auftrag der Landesmedienanstalt NRW sind über ein Drittel der Minderjährigen schon in Kontakt mit Pornografie gekommen. Die Mehrheit hat ihren ersten Porno zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr gesehen. Ein Viertel gab an, dass ihnen pornografische Inhalte unfreiwillig gezeigt oder zugeschickt wurden.

Nur ein Drittel der Minderjährigen bewertet Pornos als unrealistisch. Bei den 11- bis 13-jährigen Jungen waren es sogar nur 19 Prozent. Fast die Hälfte der Jungen gab an, dass sie Handlungen oder Begriffe verwendeten, die sie aus Pornos kennen (46 Prozent). Das Verhalten von Kindern und Jugendlichen wird demnach durch Pornografie beeinflusst.

Die Psychologin Tabea Freitag warnt vor den drastischen Auswirkungen von Pornografiekonsum auf Minderjährige und stellt fest, dass Medienkompetenz allein nicht ausreichen werde.

Das junge Gehirn ist biochemisch auf Lernen eingestellt, und so brennen sich die beeindruckenden und verstörenden Pornoszenen besonders tief in die auf Expansion drängenden Hirnstrukturen ein. Während der junge Konsument emotional in die erhitzende Scheinwelt eintaucht, verändern sich die Strukturen in seinem Gehirn.

Sexuelle Gewalt von Minderjährigen

Frei verfügbare Pornografie schädigt die kindliche Entwicklung, fördert sexuelle Gewalt und auch die Akzeptanz und Zunahme von Kinderpornografie. Die Vorbilder der Pornoindustrie prägen bereits Kinder auf sexuelle oder sexualisierte Gewalt. Mehr als ein Drittel aller Sexualstraftaten wird heute von Minderjährigen begangen, die sich bevorzugt an jüngeren Opfern vergehen.

Die Pornoindustrie stellt das Triebobjekt als willig oder gefügig dar, während der Mann (oder die Männer) die Situation beherrscht. Ein schwächeres Kind ermöglicht dem jungen Täter, in die Rolle des starken Mannes zu schlüpfen, der über das Opfer wie im Porno bestimmt. 13 Prozent der Mädchen und drei Prozent der Jungen erleben sexuelle Gewalt durch ebenfalls Minderjährige.

Tägliche Pornokonsumenten sind dreimal so häufig Täter als seltene Konsumenten – und sie konsumieren sechsmal so häufig Kinderpornografie. Stärkerer Pornografiekonsum korreliert dabei mit sexuell freizügigeren Einstellungen und Verhaltensweisen, aber auch mit geringerer Lebens- und sexueller Zufriedenheit. Und bei Gewaltpornografie mit einer erhöhten Neigung zu sexueller Aggression.

Verkoppelung von Sexualität und Gewalt

In den beliebtesten Pornofilmen ist sexuelle Gewalt gegen Frauen normal: 88 Prozent der Szenen zeigen physische Gewalteinwirkung, 49 Prozent der Szenen enthalten verbale Aggression gegen Frauen, 95 Prozent der Opfer von sexueller Gewalt reagieren neutral oder mit Lust.

Pornonutzer beginnen unwillkürlich, diese Bilder in ihr Glaubenssystem aufzunehmen. Sie bleiben nicht nur Konsumenten der oft gewalttätigen Bilder zur sexuellen Stimulation, auch ihr eigenes sexuelles Verhalten wird gewalttätiger gegenüber Frauen. Harte Pornografie führt unwillkürlich zur Normalisierung von sexueller Gewalt.

Der Konsum erzeugt im Inneren des Empfängers eine Gefühlswelt, die für das Gehirn genauso real ist wie die Realität. Wiederkehrende (sexuelle) Erregungsmuster etablieren sich stabil und langfristig in den neuronalen Netzwerken des Gehirns – wodurch vor allem die Sexualität junger Konsumenten zeitlebens an die Vorbilder der Pornografie gekoppelt bleiben kann.

Hirnphysiologisch betrachtet ist frühzeitiger Pornografiekonsum äußerst problematisch. Eine aktuelle Studie aus England belegt, dass jedes zehnte Kind im Alter von neun Jahren bereits Pornos gesehen hat. 79 Prozent der 18-Jährigen konsumieren Gewaltpornos im Internet und viele Jugendliche glauben, dass Gewalt beim Sex dazugehöre.

Langfristige neuronale Verankerung

Die Kinderbeauftragte Rachel de Souza warnt eindringlich davor, den Einfluss von Pornografie im Internet zu unterschätzen, zumal diese immer gewalttätiger würde. Sie nennt als Beispiel die Geschichte eines zwölfjährigen Mädchens, deren Freund sie beim ersten Kuss gewürgt habe – weil er das so in Pornos gesehen hatte und dachte, es sei normal.

In der repräsentativen Umfrage, bei der 2022 rund 1.000 Heranwachsende im Alter von 16 bis 21 Jahren in England befragt wurden, waren 47 Prozent der Auffassung, dass Mädchen Gewalt beim Sex wie etwa Schläge oder Würgen „erwarten“ und 42 Prozent glaubten, dass Mädchen dies „mögen“. Bei den über 18-Jährigen geben 47 Prozent an, Gewalt beim Sex erlebt zu haben.

Pornografie fesselt die kindliche Aufmerksamkeit. Wie ein Heroinschuss fixt der Konsum von Pornografie die kindliche Neugier sofort an. Das junge Gehirn reagiert. Es verlangt nach mehr Erregung, während es die Pornodarstellungen wie ein trockener Schwamm aufsaugt und langfristig neuronal verankert.

Im erregten Trancezustand am Monitor bilden die jungen Hirnstrukturen erste grundlegende sexuelle Erregungsmuster aus, die lebenslang an die gefühllosen Sexpraktiken der Pornoindustrie gekoppelt bleiben können.

Eindeutige Haltung von Erwachsenen nötig

Welche Zukunft erwartet uns, wenn Kinder die Sexualität durch frei verfügbare Pornografie im Internet entdecken und das pornografische Rollenverständnis von Mann und Frau übernehmen?

Eltern sollten sich bewusst sein, dass Kinder – oft unfreiwillig – Pornoerfahrungen ausgesetzt sind. Daher ist es für Kinder und Jugendliche wichtig, dass sie eine eindeutig ablehnende Haltung gegenüber Pornografie von Erwachsenen erleben und kein Zweifel daran gelassen wird, dass dies nicht der Realität entspricht.

Verstörende, sexualisierte (Familien-)Vorbilder finden sich in Rubriken wie: „Sex mit der Stiefschwester, dem Stiefvater, der Stiefmutter oder dem Stiefbruder“. Ob die freie Verfügbarkeit derartiger Pornografie im Internet – ohne wirksamen Jugendschutz – mit dem Recht auf Informationsfreiheit gesetzlich legitimiert werden kann, sollte dringend hinterfragt werden.

Neil Thurman, Professor für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (LMU München), schlägt für den Schutz der Minderjährigen neben länderspezifischen Maßnahmen vor, auf die weltweit tätigen Pornografieanbieter Druck auszuüben, funktionierende Altersprüfungen zu gewährleisten. Die geplanten Regulierungen sollen dabei wie in Großbritannien auch Social-Media-Plattformen einbeziehen.

 

Über den Autor:
Iris Zukowski ist Diplom-Psychologin mit eigener Praxis. Letztes Jahr erschien in Neuauflage ihr Buch: Jugendgewalt und Medieneffekt. Mit diesem Buch sowie mit der Initiative S.O.S. setzt sie sich für einen wirksamen Schutz von Kindern vor der hochgradig suchterzeugenden Internetdroge Pornografie ein.
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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