Krieg weitet sich auf Syrien aus – die Rolle Russlands im Nahostkonflikt
Israel hat seine Angriffe gegen die Hisbollah auf Syrien ausgeweitet. Dies berichteten in jüngster Vergangenheit gleichlautend zum Beispiel die „New York Times“ und der katarische Fernsehsender „Al-Araby Al-Jadeed“. Laut der Meldung sei am 3. Oktober das Ziel einer Reihe von israelischen Raketenangriffen ein Waffendepot der Hisbollah in der Nähe von Hmeimim gewesen, dem größten russischen Stützpunkt in Syrien. Inwieweit der russische Luftwaffenstützpunkt Hmeimim südöstlich der Stadt Latakia ebenfalls getroffen worden sein könnte, blieb zunächst unklar. Moskau verlautbarte dazu keine Stellungnahme.
Seit 2012 beteiligt sich die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah auf Geheiß Teherans am syrischen Bürgerkrieg. Sie hat neben russischen Truppen entscheidend dazu beigetragen, das Assad-Regime in Damaskus an der Macht zu halten. Hmeimim wurde 2015 vom syrischen Diktator Baschar Hafiz Al-Assad an russische Truppen übergeben und steht seither unter deren Kontrolle. 2021 wurde der Stützpunkt erweitert.
Russische Waffen
Zur gleichen Zeit stöberten israelische Truppen im Südlibanon ein intaktes Waffendepot der Hisbollah auf. Berichten des israelischen Militärblogs „israelradar“ zufolge seien darunter russische Kornet-Panzerabwehrraketen. Die Hisbollah hat solche Raketen schon in der Vergangenheit eingesetzt. Dennoch stellt sich für das israelische Militär die Frage, wie diese Menge an Kornets aus Russland in den Südlibanon gelangen konnten.
Russische Ausbilder?
Ebenfalls am Donnerstag erregte bei X ein Video hohe Aufmerksamkeit, das offenbar einen russischen Kommandosoldaten mit einem Hisbollah-Patch auf dem rechten Ärmel zeigt. Auf dem Rückenteil seiner Schutzweste war in kyrillischen Buchstaben der Kennname „Rodger“ zu lesen.
Rasch wurden bei X Vermutungen geäußert, dass Russen an der Seite der Hisbollah gegen Israel kämpften. Höchstwahrscheinlich handelte es sich bei der im Video auftretenden Person um einen Angehörigen der Spezialtruppen „Sily spetsial’nykh operatsiy“ (SSO). Diese operieren seit 2015 in Syrien. Und so stellte sich auch kurz darauf heraus, dass die Aufnahmen aus dem April 2016 stammen und wohl bei Kämpfen um Aleppo aufgenommen wurden.
Unabhängig davon, ob es sich bei dem Video um eine veraltete Aufnahme oder gar um Fake News handelt, wird nicht zum ersten Mal die Vermutung geäußert, Russland bilde die Hisbollah aus und versorge sie mit Waffen.
Für den Bürgerkrieg in Syrien, wo Russen und Hisbollah gemeinsam gegen die radikalmuslimischen Jihadisten des „Islamischen Staates“ und der ebenso gefährlichen Al-Nusra-Front (ein Ableger von al-Qaida) kämpften, war dies fraglos sinnvoll und sogar im Sinne des Westens.
Wenn nun dieses militärische Wissen, das die Hisbollah-Kämpfer in Syrien von Russen erhalten haben, auch im Libanon gegen Israel angewandt wird, kann man Russland dafür nicht pauschal haftbar machen. Schließlich haben die USA in den Achtziger Jahren den Al-Qaida-Gründer Osama Bin Laden und die Taliban für ihren Kampf gegen die russische Besatzungsmacht in Afghanistan ebenfalls ausgebildet und bewaffnet.
Russische Flugabwehr für die Hisbollah?
Anders verhält es sich mit dem Gerücht, die russische Söldner-Gruppe Wagner liefere das Flugabwehrsystem Pantsir-S1 an die Hisbollah. Dies behauptete das „Wall Street Journal“ (WSJ) am 2. November 2023 und berief sich dabei auf eine offizielle amerikanische Quelle, die wiederum auf entsprechende US-Geheimdienstinformationen verwies.
Moskau bestritt die Nachricht des WSJ umgehend und bis heute ist das hochmoderne russische Flugabwehrraketensystem nicht im Nahen Osten aufgetaucht. Ein Grund dafür könnte sein, dass das russische Militär mit der Übergabe des komplexen Pantsir-Systems an arabische Kräfte keine gute Erfahrung gemacht hat. Am 17. Mai 2020 zerstörten Streitkräfte der libyschen Regierungsarmee mithilfe von türkischen Drohnen neun Pantsir, die Russland an die Rebellenarmee des ostlibyschen Machthabers Chalifa Haftar geliefert hatte. Die Ostlibyer waren mit der Handhabung der modernen Technik nicht klargekommen.
Mitte Juni 2024 griff der halbstaatliche US-Thinktank Irregular Warfare Center (IWC) die Pantsir-Geschichte noch einmal auf. Unter Hinweis auf eine Rede des damals noch lebenden Hisbollah-Führers Syed Hassan Nasrallah, der angab, die Hisbollah sei bereit, in ihrem Kampf gegen Israel noch beträchtlich zu eskalieren, glaubt IWC, dass Nasrallah sich möglicherweise auf das russische Flugabwehrsystem bezog. Die heftigen Luftschläge der israelischen Streitkräfte seit September gegen die Hisbollah werden ebenfalls mit der Annahme verbunden, dass gelieferte und verborgene Pantsir inzwischen zerstört worden sein könnten.
Iranische Raketen für Russland
Neben solcherart Geheimdienstgerüchten und Annahmen gibt es auch Fakten und Hinweise, die zeigen, wie eng Russland mit dem Konflikt im Nahen Osten verwoben ist. Grundsätzlich paktiert Moskau mit den Feinden Israels: dem Assad-Regime in Syrien, mit der Hisbollah, Hamas und dem Iran.
Am 9. August veröffentlichte die Nachrichtenagentur „Reuters“: „Dutzende russischer Militärangehörige“ würden „im Iran für den Einsatz des ballistischen Nahstreckenraketensystems Fath-360 ausgebildet“. „Reuters“ berief sich auf „zwei europäische Geheimdienstquellen“, die hinzufügten, dass sie die baldige Lieferung von Hunderten dieser satellitengelenkten iranischen Raketen an Russland für seinen Krieg in der Ukraine erwarten würden. Amerikanische Medien berichteten am 6. September, die amerikanische Regierung habe die Botschafter derjenigen Staaten, die der Ukraine-Kontaktgruppe angehören, in Washington darüber informiert, dass der Iran damit begonnen habe, ballistische Kurzstreckenraketen an Russland zu schicken.
Die amerikanische Regierung gab an, sie verfüge über Satellitenaufnahmen, die diese Lieferung belegten.
Palästinenser und Syrer für Ukraine-Krieg angeworben
„The Media Line“ (TML), eine amerikanische Nachrichtenagentur für den Nahen Osten, berichtete am 1. Januar 2024, „Putin bezahlt Palästinenser aus libanesischen Lagern für den Kampf in der Ukraine“. Dies hätte eine nicht namentlich genannte „Sicherheitsquelle der libanesischen Regierung“ TML mitgeteilt. Die jungen Palästinenser erhielten für ihren Einsatz in der Ukraine 350 US-Dollar pro Monat. Als „Zeichen ihrer Loyalität“ zu Russland würden sich auch „syrische Elitetruppen“ für die russische Armee rekrutieren lassen.
Bereits 2022 und erneut im Januar 2023 berichtete die zum Assad-Regime in Opposition stehende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London, dass knapp 2.000 Soldaten der Syrisch-Arabischen Armee, insbesondere der 25. Special Mission Forces Division, im Auftrag Russlands in der Ukraine stationiert seien. Inwieweit diese Kräfte tatsächlich an Kampfhandlungen teilnahmen oder teilnehmen, konnte bisher nicht verifiziert werden.
Arabische Sicht auf Russland
In der arabischen Welt gibt es skeptische Ansichten zum Agieren Russlands in der Region. So titelte etwa das in Katar ansässige arabische Leitmedium „Al Jazeera“ am 5. Oktober: „Was Russland von der Eskalation zwischen Israel und Iran will: Chaos ist gut, Krieg ist schlecht“.
Russland sei hinsichtlich der militärischen Unterstützung in der Ukraine auf den Iran angewiesen, so der TV-Sender und lässt dazu den Nahostexperten Ruslan Suleymanov aus Baku in Aserbaidschan zu Wort kommen:
„Russland arbeitet seit zweieinhalb Jahren eng mit Iran zusammen, allerdings ausschließlich im militärischen Bereich. Russland ist von iranischen Waffen abhängig geworden“, glaubt Suleymanov. Iranische Spezialisten hälfen in Russland „beim Bau einer Fabrik für die Produktion von Shahed-Drohnen. Dadurch ist Russland gezwungen, Irans Verbündete im Nahen Osten wie die Hisbollah-Bewegung zu unterstützen“, wird Suleymanov von „Al Jazeera“ zitiert.
„Moskau hat kein Interesse an einem riesigen Feuersturm“, ist Suleymanov überzeugt, aber „Russland profitiert vom Chaos im Nahen Osten.“ Diese Einschätzung findet in der arabischen Welt eine weite Verbreitung – und wahrscheinlich auch Zustimmung.
Über den Autor:
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.
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