Wissenschaftliche Rosinenpickerei – Die Grünen wieder als Verbotspartei? – Ein Kommentar
„Wir Grüne im Bundestag stehen für eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft“, heißt es auf der Webseite der Grünen Bundestagsfraktion. Man würde sich für gentechnikfreies Essen, eine pestizidarme Landwirtschaft, mehr Ökolandbau und regionale Vermarktung einsetzen.
Mit „einsetzen“ meinen es die Grünen ernst, da die Partei nunmehr nicht weniger als das komplette Verbot der industriellen Landwirtschaft fordert. Nachdem jahrelang der Bioladen eine Nische für Verbraucher die anders einkaufen wollen bedeutete, sollen Bioprodukte nun also Pflicht werden.
Auch im Ausland schlägt das Wellen. Der Daily Telegraph in Großbritannien schreibt, dass das Image der Grünen „prohibition party“, also einer Verbotspartei, das man bisher abschütteln wollte, zurückkehrt. Warum dies Wellen schlägt ist ersichtlich:
Die Grünen erleben einen konstanten Wählerzufluß in Deutschland, und damit sind sie und ihre Politik so ernst zu nehmen, wie während ihrer letzten Beteiligung an der Bundesregierung.
Verbieten wollen die Grünen auch die Genschere, die durch Techniken wie CRISPR (clustered regularly interspaced short palindromic repeats) bekannt ist. Mit diesen Systemen können Forscher Gene in lebenden Zellen und Organismen dauerhaft verändern und in Zukunft Mutationen an genauen Stellen im menschlichen Genom korrigieren und somit genetische Krankheitsursachen zu behandeln.
In der Landwirtschaft kann die gleiche Technik ebenfalls zum Einsatz kommen. Die Grünen sehen das „Genome-Editing“ gleich mit der Frage der genetisch veränderten Organismen (GVO), die für die Partei ebenfalls weiter verboten gehören.
Hier stimmt die Grünen-Position inzwischen nicht mehr mit der der eigenen Jugend überein. Bereits letztes Jahr verlangten die Grüne Jugend in Niedersachsen „die Debatte um grüne Gentechnik ohne Dogmen neu beginnen und auf wissenschaftlicher Basis politisch argumentieren“.
Neue Kritik gab es auch dieses Jahr. Im Parteibeschluss der Grünen Jugend Sachsen-Anhalt heißt es Ende März:
Heute ist es gerade für die Bewältigung der kommenden globalen Herausforderungen elementar wichtig, diese historische Position [komplettes Verbot von GVO] zu überdenken“
Diese Wissenschaftsferne ist verwunderlich, da die Grünen beim Klimawandel meist sehr wissenschaftlich argumentieren. Auch wenn die daraus resultierenden Politikvorschläge, radikal und gewagt sind, zitieren sie wissenschaftliche Studien als Basis für ihre Forderungen rigoros. In der Landwirtschaft hingegen verhält die Partei sich dogmatisch.
Wer GVOs und Pestizide in Wissenschaft und Politik verteidigt muss von internationalen Großkonzernen gekauft worden sein. Skeptiker des Klimawandels funktionieren hier gleich: Wissenschaftler, die den Klimawandel beweisen, müssen von irgendwelchen einflussreichen Kreisen gekauft worden sein.
Auf der Strecke bleibt die wissenschaftliche Methode und faktenbasierte Politik.
Wo führt das alles nun hin? Genome-Editing ist wichtig für weiteren wissenschaftlichen Fortschritt, doch aktuelle Entscheidungen vom EU-Gerichtshof in Luxemburg, sowie dem Widerstand von verschiedenen Umweltaktivisten in Deutschland, machen dem schnell ein Ende.
Für Landwirte heißt das weniger Fortschritt und somit die Weiternutzung von ebenso unpopulären Pestiziden, oder Kupfer als Fungizid in der Biolandwirtschaft. Unterdessen wird im Ausland schneller geforscht. Eine weitere Abschottung in der Handelspolitik wäre dann wieder nötig um die stehengebliebenen Landwirte in Europa vor ausländischen Produkten zu „schützen“.
Verbrauchern würde nach solchen Verboten die Wahl fehlen. Bio oder nicht-bio bleibt weiterhin eine große gesellschaftliche Diskussion. Sie sollte allerdings nicht durch die Abschaffung der konventionellen Landwirtschaft gelöst werden, sondern Aufklärung und Innovation.
Die Jungen Grünen in Sachsen-Anhalt schreiben in einer ihrer Forderungen:
Das Schüren von irrationalen Ängsten zum Erreichen eines politischen Zieles lehnen wir grundsätzlich ab, das gilt auch für Gentechnik.“
Das ist ja schon mal ein guter Anfang.
Der Autor Bill Wirtz arbeitet als Senior Policy Analyst für das Consumer Choice Center. Twitter: @wirtzbill
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