Wird die EU das Jahr 2024 überhaupt noch überleben? | ET im Fokus
In der Sowjetunion lebte ein Dissident, namens Andrei Amalrik. In den 1970er Jahren veröffentlichte er im Westen ein Buch mit dem provokanten Titel „Wird die UdSSR das Jahr 1984 überleben“.
Amalrik war überzeugt, dass die Sowjetunion sich imperial überdehnen und an den inneren Missständen zerbrechen würde. Die Sowjetführung verfolgte ihn, siedelte ihn aus. Als die Sowjetunion im Jahre 1991 tatsächlich zerfiel, war Amalrik vergessen.
Heute müsste ein westlicher Kritiker ein Buch schreiben unter dem ähnlich klingenden Titel: „Wird die EU das Jahr 2024 überleben?“ Der mutige Autor würde natürlich im Westen verprügelt, aber seine Fragestellung wäre mehr als berechtigt.
Die Art und Weise wie das künftige Führungspersonal für Europa in Hinterzimmern ausgelotet wurde, war unwürdig. So wie die Sache steht, wird die EU künftig keine Eigenständigkeit erlangen. Sie wird auch nicht demokratischer.
Die Zersplitterung innerhalb der EU wird zunehmen, es bleibt nicht alleine beim Ausstieg Grossbritanniens aus Europa, den Engländern werden andere Länder folgen. Deutschland und Frankreich haben in letzter Zeit ihren Anspruch, Führungsduo der EU zu sein, verloren.
Grosse Herausforderungen!
Die EU lebt in einer liberalen Werte-Blase. Sie dachte, mit ihrem liberalen Wertekanon ein universales Modell zu schaffen. Doch ausserhalb Europas stiess sie mit ihrem Demokratietransfer auf Granit.
Jetzt verabschiedet sich gerade Amerika aus dem gemeinsamen Wertekanon. Putin erklärt den Liberalismus weltweit für gescheitert. Und die Chinesen dringen mit ihrer Neo-Konfuzius-Lehre in Europa ein. Der Islamismus hält Europa unter Druck. Grosse Herausforderungen für die EU!
Wirtschaftlich driftet die EU ebenfalls auseinander, in reiche und arme Länder. Die Umwandlung der Euro-Zone in eine Schulden-Union wird das Fragmentieren nur beschleunigen, sodass damit die Euro Zone wahrscheinlich zerbricht.
Reiche Länder, wie Deutschland, können das Alimentieren der kostspieligen Sozialsysteme der Südstaaten nicht schultern. Die Migrations-Frage vertieft die europäische Spaltung, so wie die Energiefrage, die Abrüstung und die Klimapolitik.
Also wird die EU das Jahr 2024 nicht überleben? In der heutigen Form wahrscheinlich nicht.
Auswege?
Vielleicht gibt es einen Ausweg? Europa muss strategisch begreifen, dass seine wahre Zukunft nicht mehr, wie in der Nachkriegszeit, nur im Westen – sondern im Osten liegt. Europa kann nur stark sein und sich in der multipolaren Welt durchsetzen, wenn es sich mit Russland verbündet. Heute scheint das völlig unrealistisch.
Die EU muss eine gemeinsame Wirtschaftszone mit den postsowjetischen Ländern der Eurasischen Union gründen – aus existentiellen Gründen. Ansonsten wird die Eurasische Union chinesisch und antieuropäisch.
Die Ukraine und Georgien dürfen vom Westen nicht als Pufferstaaten gegen Russland aufgebaut, sondern in einen gemeinsamen Wirtschafts-und Sicherheitsraum von Lissabon bis Wladiwostok integriert werden.
Alles andere wäre das fatale Ende Gesamteuropas. Der EU bliebe nichts anderes übrig, als sich in einen Transatlantischen Block unter Amerikas Führung hinein zu integrieren. Europa wäre wieder fremdbestimmt und in zwei Blöcke aufgeteilt.
Keine Chance gegenüber Trump und Putin
Als Amalriks Buch im Westen erschien, lachten die meisten. Vielleicht trat er als Prophet zu früh in Erscheinung. So wird es heute jedem ergehen, der am Erfolgsmodell EU Zweifel sät. Die kommende EU-Führung wird ausnahmslos proamerikanisch sein. Vielleicht war das der Grund, warum diese Personen von den Länderchefs ausgesucht wurden.
Diese EU-Führung, falls sie vom Parlament bestätigt wird, ist dennoch nur zweite, wenn gar dritte Wahl. Sie kann nur von der Gnade Merkels und Makrons existieren. Doch Merkels Zeiten sind vorbei. Diese EU wird sich gegenüber Trump und Putin nicht behaupten können.
Zum Autor: Prof. Alexander Rahr gilt als einer der erfahrensten Osteuropa-Historiker, er ist Politologe und Publizist. Er ist Projektleiter beim Deutsch-Russischen Forum und Deutschlandberater von Gazprom.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion