Wie die Zahl der Organspenden gesteigert wird und welchen Preis der Spender eventuell dafür zahlen muss

Die Bundesregierung legte am 8. Januar den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes vor. Durch Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen soll eine faktische Zunahme der Organspenden erreicht werden. Fachleute äußern Bedenken zu einigen Punkten.
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IntensivstationFoto: iStock

In Varanasi am Ufer des heiligen Ganges wollten Touristen einer traditionellen Leichenverbrennung beiwohnen. Zu den herumstehenden Angehörigen des Verbrennungskandidaten meinte man, der sei doch schon tot, und man solle nun ihn auf den Holzstapel legen und diesen anzünden. Diese indes stritten sich ob des Ansinnens mit den Touristen so lautstark, dass der Tote aufwachte, sein Bündel packte, und wieder nach Hause ging.

Die Bundesregierung legte am 08.01.2019 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes (BT-Drucksache 19/6915) vor. Durch Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen soll eine faktische Zunahme der Organspenden erreicht werden. Bedenklich scheint, dass die Patientenverfügung in der Praxis oft überbewertet wird, obwohl eine Organspendeerklärung vorliegt.

Konsequente gesetzliche Beseitigung von Hindernissen für zunehmende Organspende

Gegenwärtig werden Geräte der Intensivmedizin oft abgeschaltet, mangels nicht (mehr) vorliegender Indikation und mangels Kostenträger bei nicht mehr notwendiger medizinischer Behandlung besonders nach begonnenem unumkehrbaren Sterbeprozeß. Dabei spielen auch ärztliche Ethik und Berufsrecht eine Rolle, sowie ggf. noch der (mutmaßliche) Patientenwille, und bisweilen auch eine eventuelle Haftung behandelnder Ärzte für Schmerzensgeld. Doch damit würde eine gewollte Organentnahme unterlaufen.

Organentnahme setzt den Hirntod voraus

Das neue Gesetz sorgt für konsequente Umsetzung mit Finanzierung, indem das Krankenhaus für die Zeit zwischen nicht mehr medizinisch notwendiger Intensivbehandlung und dem Eintreten des Hirntodes – neben der Zeit danach bis zur und der Entnahme selbst – eine Vergütung erhält. Die Krankenversicherung (KV) des Organspenders zahlt zeitlich – wie bisher – nur für medizinisch notwendige Intensivmedizin. Für alles andere, bis hin zur postmortalen Organentnahme, ist nicht mehr die KV des Patienten leistungsverpflichtet – und nie gewesen.

Spenderorgane dürfen nicht durch Schmerzmittel beschädigt werden

Danach wird die Intensivmedizin fortgesetzt, damit die Organe des Patienten bis zur Entnahme „frisch bleiben“ (Erhalt der Transplantationsfähigkeit). Bis zum Hirntod können dann Minuten, Stunden, Tage oder Wochen vergehen – oder der Sterbende beginnt gar wieder selbständig zu atmen und verfällt in ein dauerhaftes Wachkoma. Die Bundesärztekammer meint sinngemäß, dass beim bereits vermuteten Hirntod des Organspenders die Vitalfunktionen bis zur Feststellung des Hirntodes – kurzzeitig, in jedem Fall auch entgegen anderslautender Patientenverfügung – aufrechterhalten werden dürfen.

Gesetzliche Stärkung des Transplantationsbeauftragten und Spender-Selektion

Kliniken haben einen Arzt als Transplantationsbeauftragten (TPB) freizustellen, der bei Patienten mit Organspenderausweis weisungsbefugt gegenüber den behandelnden Medizinern wird. Jeder andere ist ab dann nur ein Rad im Getriebe, ohne umfassende Verantwortung. Und der TPB ist nur verantwortlich dafür, dass es genug Organe gibt, und möglichst wenige übersehen werden – weshalb auch eine Statistik über potenzielle, aber nicht genutzte Organspender vorgeschrieben ist.

Eine bestimmte Zeitspanne, binnen der der Hirntod zu erwarten sein muss, wird dazu nicht vorgegeben. Aus Sicht der Fallpauschalen (DRGs) aber muss hier kalkuliert werden. Diese erzwingen eine Selektion der Entnahme-Kandidaten nach der zu erwartenden Zeitspanne bis zum erwarteten Hirntod, damit die bis dahin nur noch dafür erforderliche Intensivbehandlung im Mittel daraus finanziert werden kann.

Organspender-Ausweis macht Patientenverfügung zunichte?

Wer in der Patientenverfügung die Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen will, aber einen Organspenderausweis besitzt, zeigt damit deutlich, das er bei Errichtung der Patientenverfügung vielleicht rechtlich, aber eben bestimmt nicht ärztlich beraten wurde, wenn beides im Widerspruch steht, mit der Folge, dass seine Patientenverfügung vielleicht gar nicht wirksam ist? Jedenfalls aber auslegbar, indem der TPB ermittelt, was entgegen dem Wortlaut wohl der wirkliche Wille des Patienten mit gleichzeitigem Spendewunsch war.

Die Organspende-Erklärung kann jedenfalls nicht durch die hypothetische Annahme entkräftet werden, dass sich der Patient über die Notwendigkeit der Fortsetzung intensivmedizinischer Maßnahmen – bis zum Eintritt des Hirntodes – nicht im Klaren gewesen sei – und unter diesen Bedingungen der Organspende nicht zugestimmt hätte.

Derzeit wird diskutiert, ob sich jeder Bürger beim Abholen eines neuen Personalausweises mit Vormerkung in einem Register zur Organspende äußern muss. Einige Stimmen wollen gesetzlich Jedermann, der es nicht ablehnt, zum Organspender machen – was dann als sogenannte Widerspruchslösung beschrieben wird, wie sie auch ein jüngst vorgelegter Entwurf aus dem Gesundheitsministerium beinhaltet.

Zustimmung ist in Ländern mit Widerspruchslösung entbehrlich

Selten wird jemand auf die Idee kommen, ein unlösbares Armband, eine Halskette oder eine Tätowierung mit dem Inhalt „Organentnahme verboten“ zu tragen. In zahlreichen Ländern, auch in der Europäischen Union (EU), ist Jedermann automatisch Organspender – es sei denn der Widerspruch ist beispielsweise in einem Register vorgemerkt, oder Verwandte sind informiert und kümmern sich um die Beachtung des Widerspruchs. Betroffen ist jeder EU-Bürger, der etwa in Belgien seit mindestens sechs Monaten lebt. Nicht immer ist die Familie für Befragungen erreichbar.

Patientenverfügung wird bei Organspendern eventuell obsolet

Würde hingegen ein Obergericht es umgekehrt sehen, also der Patientenverfügung stets den Vorrang einräumen – etwa weil die Zeit bis zum Hirntod mit zusätzlichem Leiden verbunden war, und dem amtlichen Organspenderausweis kein „Verbraucherschutz-Hinweis“ beigefügt war – so würden die Klink sowie der TPB (auch gegenüber Erben) auf Schadensersatz haften können; vgl. OLG München, Az. 1 U 454/17, Urteil vom 21.12.2017 – das der BGH aber jüngst aufhob. Dies auch, wenn mit etwas „Glück“ der an anderem Sterben als am Hirntod verhinderte Patient Monate später nicht als Organspender endet, sondern als Wachkomapatient weiter lebt.

Schließlich meinte ja der Papst, die meisten katholischen Ehen seien auch unwirksam geschlossen, mangels Bewusstsein dessen, was man da eigentlich erklären wollte. Derart betrachtet, könnte dem Organspender bei seiner Entscheidung das Bewusstsein für die Katharsis durch gewisse Schmerzen am Lebensende gefehlt haben. Gerichte entscheiden künftig, ob dies ein unbeachtlicher Motivirrtum – oder doch ein beachtlicher Eigenschaftsirrtum über Nebenwirkungen bei Organspende war.

Muster-Patientenverfügung mit Formular-Vorsorgevollmacht oft unwirksam?

Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 08.02.2017, Az. XII ZB 604/15) entschied bereits: „Die schriftliche Äußerung, dass „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen.“ Vielmehr kommt es darauf an, dass individuell und persönlich eine Bezugnahme auf spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen enthalten ist. Dies wiederholte der BGH (Beschluss vom 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18); wobei dieser Beschluss erging, nachdem der Betroffene bereits über 10 Jahre im Wachkoma lag.

Der BGH (Beschluss vom 06.07.2016, Az. XII ZN 61/16) verlangt – für Einwilligung, Nichteinwilligung, Widerruf einer Einwilligung betreffend ärztliche Maßnahmen – eine hinreichend klar formulierten Vollmachttext, damit „die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten“ wirksam ist. Zwingend nötiger Vollmachtinhalt hat ein Hinweis zu sein, dass „die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann.“

BGH stellt Missachtung der  Patientenverfügung praktisch folgenlos

Mit Urteil vom 2. April 2019 – Az. VI ZR 13/18 – hat der BGH klargestellt, dass auch ein Arzt niemals für lebens- und leidensverlängernde Maßnahmen haftet, weder auf Schmerzensgeld noch auf Kosten, dies auch wenn er gegen Pflichten verstößt und eine eindeutig anderslautende Patientenverfügung schlicht missachtet:

„Das menschliche Leben ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil über seinen Wert steht keinem Dritten zu. Deshalb verbietet es sich, das Leben – auch ein leidensbehaftetes Weiterleben – als Schaden anzusehen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Auch wenn ein Patient selbst sein Leben als lebensunwert erachten mag mit der Folge, dass eine lebenserhaltende Maßnahme gegen seinen Willen zu unterbleiben hat, verbietet die Verfassungsordnung aller staatlichen Gewalt einschließlich der Rechtsprechung ein solches Urteil über das Leben des betroffenen Patienten mit der Schlussfolgerung, dieses Leben sei ein Schaden.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Ersatz der durch das Weiterleben des Patienten bedingten Behandlungs- und Pflegeaufwendungen zu. Schutzzweck etwaiger Aufklärungs- und Behandlungspflichten im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Maßnahmen ist es nicht, wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben und den dem Leben anhaftenden krankheitsbedingten Leiden verbunden sind, zu verhindern.“

Organentnahme auch entgegen ausdrücklicher Verfügung im Patiententestament?

Damit wird beim potenziellen Organspender eine lebensverlängernde Intensivtherapie bis zum Hirntod zum Zwecke der Organentnahme auch gegen eine eindeutige Patientenverfügung leichter, weil für den behandelnden Arzt rechtlich folgenlos. Er kann damit vielmehr das Leben des Organempfängers als vorrangig anzustrebendes Ziel sehen.

Ist die Patientenverfügung mit oder ohne Vorsorgevollmacht unwirksam, hat es der Transplantationsbeauftragte leichter sein Regiment zu führen. Einen Behandlungsauftrag vom Patienten hat er nicht – und kann damit daher auch kaum in Konflikt kommen. Seine Verantwortlichkeit geht vielmehr auf die Steigerung der Anzahl der Organentnahmen und die Beseitigung von Hindernissen auf diesem Weg.

Ist die Patientenverfügung aber wirksam und würde dem Wortlaut nach einer lebensverlängernden Intensivtherapie zur Erreichung der Organentnahme im Wege stehen, kann sie gemäß dem BGH letztlich auch zur Erreichung eines höheren Ziels missachtet werden, ohne dass der Arzt Folgen befürchten müsste.

Organentnahme untersagen?

[Red.: Ergänzung der Autoren als folgender Text eingefügt um 17:40] 

Der TPB hat mit Widerstand kaum zu rechnen; und wenn, kann er sich notfalls schlicht folgenlos darüber hinwegsetzen, um das anzustrebende Ziel der erlaubten Organspende zu verfolgen.

Der Umgang des TPB mit dem Vorsorgebevollmächtigten bzw. Betreuer ist eine Kommunikationsfrage. Einigkeit kann stets bestehen, dass es auf den Willen des Patienten ankommt. Der wollte die Organspende, was sich am Besitz eines Organspenderausweises zeigt. Der Vorsorgebevollmächtigten bzw. Betreuer möge dann mal erklären, wie er sich diese vorgestellt hat, wenn vorher die Organe mangels Beatmung vor dem Hirntod irreversibel versagen? Es sollte häufig das Resultat sein, dass sich die Ermöglichung der Organspende als vorrangiger Wille herausstellt.

Wenn der Vorsorgebevollmächtigten bzw. Betreuer sich dieser Ansicht anschließt – hat der TPB sein Ziel erreicht. Wenn nicht, wird in der Dokumentation des TPB mit Zeugen sich ergeben, dass der Vorsorgebevollmächtigten bzw. Betreuer keine stichhaltigen Gründe vorbringen konnte, und gar in moralisch verwerflicher Weise versucht hat, ein dem Willen des Organspenders entgegenstehendes Resultat herbeizuführen. Mit dem zu vermeidenden Ergebnis, dass ein oder mehrere mögliche Organempfänger auf der Warteliste sterben.

Sollte sich später – etwa nach 8 Jahren – herausstellen, dass dies rechtlich nicht korrekt war, stört dies auch nichts, weil daraus keine Ansprüche folgen. Mangels Feststellungsinteresses sind deshalb Klagen womöglich von vornherein unzulässig, insbesondere etwa auch bei einem Widerspruch zur Patientenverfügung.

Nur wer der Organspende ausdrücklich widersprochen hat, ist eher nicht betroffen. Es sei denn, der entsprechende handschriftliche Zettel wird im Portemonnaie zwischen Geldscheinen und Kassenbons nicht gefunden, etwa aus Datenschutzgründen auf Weisung des Krankenhaus-Datenschutzbeauftragten auch gar nicht gesucht.

Die Autoren:

Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, RB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de

 

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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